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Was sich realiter abspielt, ist kein Krieg gegen den Terror, sondern ein weltweit mit staatsterroristischen Methoden und Mitteln in Szene gesetzter Krieg, der sich mittlerweile als erstklassiges Terroristenzuchtprogramm erweist. Sinnigerweise firmiert dieser Terrorkrieg unter der Propagandabezeichnung »Operation Enduring Freedom« (OEF), zu Deutsch: »Unternehmen dauerhafte Freiheit«. Längst liegt die Zahl derer, die den Mordtruppen des US-Militärs sowie den Todesschwadronen der CIA zum Opfer gefallen sind, um Potenzen über derjenigen von 9/11. Die Maxime, die das Imperium der Barbarei dem von ihm inszenierten globalen Terrorkrieg zugrunde legt, lautet: Die USA maßen sich das Recht an, jederzeit unter Mißachtung jedweder nationalen Souveränität an jedem beliebigen Ort des Planeten jeden beliebigen Menschen auf den bloßen Verdacht terroristischer Aktivitäten hin entweder umstandslos zu liquidieren oder ihn zu kidnappen, um ihn in quer über die Welt verstreute geheime Folterkeller zu verschleppen und schlußendlich in Konzentrationslagern ohne Anklage und Prozeß auf unbestimmte Zeit zu internieren. Schlichtweg außer Kraft gesetzt wird hierbei das Prinzip des »Habeas Corpus«, eines jahrhundertealten Grundpfeilers der Menschenrechte, nämlich der Schutz vor willkürlicher Verhaftung durch den jeweiligen Machthaber im Staat. Faktisch ist die »einzig verbliebene Supermacht« zum faschistoiden Schurkenstaat mutiert. Und ein Ende des durch diesen im Rahmen der OEF etablierten »Systems Guantánamo« ist nicht abzusehen – George Orwell läßt grüßen. Ungeachtet des abgrundtiefen Skandals, den jene Suspendierung nicht nur des internationalen Rechts, sondern auch fundamentaler Menschen- und Bürgerrechte darstellt, beteiligen sich seit 9/11 sämtliche Bundesregierungen willfährig an den vom Imperium Americanum verübten völkerrechtlichen Verbrechen und ignorieren dabei das Friedensgebot des Grundgesetzes gleichermaßen wie die darin normierte unmittelbare Bindung an das Völkerrecht. Geheimdienste und Armee stehen als beflissene Werkzeuge bei Fuß. Als nibelungentreue NATO-Vasallen stellen die Generäle der Bundeswehr – »brainwashed by US« – sicher, daß die Truppe ohne Murren in die Globalisierungskriege zieht und weiterhin der von einem vormaligen Leiter des Planungsstabes im Bundesministerium der Verteidigung dereinst beschworenen »Angst vor der Massenverweigerung« die Grundlage entzogen bleibt. Ab und an besinnt sich aber doch der eine oder andere Fleckgetarnte seiner Pflichten als »Staatsbürger in Uniform« und entdeckt dabei sein Gewissen. So geschehen auch im Fall des Oberleutnants der Bundesluftwaffe Philip Klever. Der studierte Elektroingenieur ist ein hochqualifizierter Spezialist für die sogenannte »Elektronische Kampfführung«. Seit 2009 versah er seinen Dienst zunächst beim Elektronischen-Kampfführungs-Bataillon (EloKaBtl) 922 in Donauwörth, danach beim Zentrum Elektronischer Kampf Fliegende Waffensysteme (Zentr EK FlgWaSys – ZEK) in Kleinaitingen, einer kleinen Gemeinde im schwäbischen Landkreis Augsburg. Dort ist Oberleutnant Klever laut seinen Angaben mit der »Parametrisierung der Komponenten für die Systeme zur Elektronischen Kampfführung des Waffensystems Eurofighter« beschäftigt. Jene hochdiffizilen, ausgeklügelten ECM/ECCM-Systeme (Electronic Counter Measures/Electronic Counter Counter Measures) dienen dem Selbstschutz des Jagdflugzeuges vor der Erfassung und Bekämpfung durch gegnerische Radarsysteme und Lenkwaffen; die konkreten Details von Klevers Tätigkeit unterliegen strikter militärischer Geheimhaltung. Am 12. Dezember letzten Jahres erhielt der Luftwaffenoffizier den Befehl, im Zeitraum 3. Juli bis 7. November 2013 im regionalen NATO-Gefechtsstand für Luftkriegsoperationen im afghanischen Mazar-e-Sharif den Dienstposten des RAOCC-N ELECTRONIC WARFARE AIR PLANS OFFICER zu übernehmen. Darüber, was er als Planungsoffizier für die elektronische Luftkriegsführung dort genau tun sollte, mußte er sich mangels einer offiziellen Dienstpostenbeschreibung bei seinen Kameraden informieren, die am selben Ort bereits im Einsatz gewesen waren. Von diesen erfuhr er, daß seine Aufgabe in erster Linie darin bestünde, die Einsatzplanung für Spezialflugzeuge der elektronischen Kampfführung, sogenannter »Stand Off Jammer«, mit dem ISAF-Kommando in Kabul zu koordinieren. Letzteres priorisiert im weiteren Operationsverfahren sämtliche Anforderungen für derartige Luftkriegseinsätze in Afghanistan und leitet diese an das CAOC (Combined Air Operations Centre) auf der Al Udeid Air Base in Katar weiter, wo die US Air Force ECM-Flugzeuge der Typen EA-6B Prowler und Lockheed EC-130H Compass Call stationiert hat. Im Einsatz über Afghanistan besteht der Auftrag der Störflugzeuge darin, elektromagnetische Energie abzustrahlen, um damit Kommunikationsverbindungen und -netze am Boden zu stören und lahmzulegen, damit in der Folge die den ausländischen Besatzungstruppen der ISAF zur Verfügung stehenden Bomber und Jagdbomber möglichst effektiv ihre Luftangriffe gegen die solchermaßen »stummgeschalteten« afghanischen Guerillakämpfer fliegen können. Von entscheidender Bedeutung in diesem Kontext ist der Umstand, daß diese »Air Strikes« nicht allein auf der Grundlage und innerhalb der Grenzen des vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen erteilten Mandats für die ISAF stattfinden, sondern auch im Rahmen des sogenannten »Krieges gegen den Terror«, vulgo OEF. Letzteres wurde Oberleutnant Klever im persönlichen Gespräch durch mehrere Kameraden, die in Afghanistan eingesetzt waren, bestätigt, zum Beispiel durch einen anderen Oberleutnant, der in einem exemplarischen Fall die Unterstützung einer Operation des SAS (Special Air Service), einer Kommandotruppe der britischen Streitkräfte, die an der Grenze zu Tadschikistan und auch teilweise auf dessen Territorium stattfinden sollte, zu veranlassen hatte. Auf Klevers Frage hin, ob diese Mission sich denn innerhalb des ISAF-Mandats bewegt hatte, erhielt er ein klares Nein zur Antwort, während ein bei diesem Gespräch zugegener Leutnant ergänzte: »Dies geschah wahrscheinlich unter gar keinem Mandat.« Aufgrund derartiger Erfahrungsberichte zog Oberleutnant Klever »eindeutig den Schluß, daß [er sich] auf diesem Posten als Mittäter an unrechtmäßigen Kampfhandlungen beteiligen würde«. Angesichts dessen ist es nachvollziehbar, daß er nach weiteren Gesprächen mit Eltern, Freunden, einem Pfarrer und der Lektüre einschlägiger Literatur schlußendlich auf Grundlage einer sorgfältigen Lagebeurteilung zu der Entscheidung gelangte, die Ausführung des ihm befohlenen Auftrages abzulehnen, weil er sich durch ihn in eine unzumutbare Gewissensnot gebracht sah. Anfang Februar 2013 erörterte Klever mit seinem Disziplinarvorgesetzten zunächst mündlich seine Gewissensentscheidung, bevor er sie anschließend in schriftlicher Form hinreichend begründet und nachvollziehbar darlegte – ganz korrekt so, wie es das Bundesverwaltungsgericht 2005 in seinem einschlägigen Urteil zur Gewissensfreiheit von Soldaten gefordert hatte (Urteil des 2. Wehrdienstsenats vom 21. Juni 2005 – BVerwG 2 WD 12.04). Wörtlich gab der Luftwaffenoffizier zu Protokoll: »Ich bin ... zu der Überzeugung gekommen, daß mein Aufgabengebiet im Bereich der mandatierten Mission ISAF zu einem bestimmten Teil in den Bereich der nicht mandatierten Mission Operation Enduring Freedom (OEF) fällt. Somit ist es mir nicht möglich, die Erledigung meiner Aufgaben vor Ort mit meinem Gewissen zu vereinbaren. Dort würde ich mich – so wie ich es in Gesprächen mit Kameraden erfahren habe – an strafbaren Handlungen beteiligen. Ich erkläre hiermit, daß ich keinen Beitrag zu einer nicht mandatierten und völkerrechtlich bedenklichen Mission wie OEF leisten werde. Ebenso werde ich an keinen Ausbildungsvorhaben teilnehmen, welche ausschließlich im klaren Zusammenhang mit der Vorbereitung auf diesen Auslandseinsatz stehen ... Aus diesen Gründen verweigere ich die Beteiligung an ISAF sowie allen Einsätzen, die nicht unmittelbar der Verteidigung dienen, und bitte darum, mich von sämtlichen Aufgaben, die in der Verbindung mit ISAF und somit auch möglicherweise mit OEF stehen, zu entbinden.« Die Reaktion der vorgesetzten Bundeswehrinstanzen war symptomatisch für einen eiskalten Militärapparat, der sich schon in der Vergangenheit bei gleichgelagerten Fällen voll und ganz als jenes »stahlharte Gehäuse der Hörigkeit« erwiesen hatte, als welches der deutsche Soziologe Max Weber die bürokratische Organisation dereinst bezeichnet hatte. Wenige Tage nachdem Klever seine Verweigerung schriftlich bei seinem Disziplinarvorgesetzten abgegeben hatte, wurde er während einer medizinischen Tauglichkeitsuntersuchung zu seiner Auslandsverwendungsfähigkeit in die Psychiatrie des Bundeswehrkrankenhauses Ulms überwiesen. Die Begründung hierfür lautete, daß man »eine fundierte zweite Meinung brauche«. Eine Woche später stand das Ergebnis der psychiatrischen Examination in der FU6 fest: »Soldat gesund, da er ein Gewissen hat. Ein Gewissen ist keine Krankheit.« Ausgesprochen positiv ist zu dieser Diagnose zu vermerken, daß wenigstens beim Sanitätsdienst der Bundeswehr die Tassen unverkennbar noch alle wohlgeordnet im Schrank stehen. Knapp zwei Monate später wurde Klever dann eröffnet, daß er endgültig aus der in Afghanistan geplanten Einsatzverwendung ausgeplant wäre – was gleichbedeutend mit der offiziellen Anerkennung seiner Verweigerung war. So weit, so gut. Doch nun begannen die dienstlichen Schikanen gegen den Gehorsamsverweigerer aus Gewissensgründen. Zuallererst wurde dem Offizier mitgeteilt, daß er umgehend aus seiner bisherigen Tätigkeit herausgelöst und seine Versetzung auf einen anderen Dienstposten bei einer anderen Dienststelle an einem anderen Dienstort beantragt würde – nichts anderes als eine »Strafversetzung«, wie sie üblicherweise in solchen Fällen dienstlicher Unbotmäßigkeit und Aufbegehrens gegen den Kadavergehorsam die Folge ist. Zugleich wurde der renitente Offizier unverzüglich von seinen Kameraden isoliert, indem ihm befohlen wurde, aus dem gemeinschaftlichen Großraumbüro in ein gefängniszellenartiges Einzelbüro, das zuvor als Lagerraum gedient hatte, umzuziehen »damit er sich konzentrieren könne und nicht von den anderen von der Arbeit abgehalten würde«. Darin befand sich ein Telefon, welches per Rufumleitung so eingestellt war, daß er keine Anrufe empfangen konnte. Parallel dazu wurden Klevers PC-Rechte eingeschränkt und ihm als Ersatz für seinen bisher genutzten Computer ein weder internet- noch intranetfähiger Laptop mit der Aufschrift »HUMBUG« übergeben. Mit den Worten: »Beschreiben Sie wie die Dampfmaschine funktioniert«, erteilte sein Vorgesetzter ihm den Auftrag, ein Konzept zu erarbeiten, welches den Dienstablauf in der Einheit darstellt – nichts weiter als sinnfreie Beschäftigungstherapie. Am 30. Mai berichtete dann das ARD-Politmagazin »Panorama« über den Fall des Terrorkriegsverweigerers Philip Klever. Kaum verwunderlich, daß die Schikanen danach intensiviert wurden. So untersagte ihm sein Disziplinarvorgesetzter, sein altes Büro zu betreten und mit seinen Kameraden zu sprechen; die offizielle Begründung hierfür: »Man müsse präventiv verhindern, daß er mit seiner Meinung andere Kameraden beeinflussen könne.« Reziprok wurden Klevers Kameraden dazu vergattert, den Kontakt zu ihm auf ein Minimum zu beschränken. Dennoch ließ ihn einer wissen, daß der ursprünglich für Klever vorgesehene Dienstposten in Afghanistan mittlerweile ersatzlos gestrichen worden war – ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Daß er diese Information im Verlaufe eines Interviews an den Redakteur des Internet-Mediums Neue Rheinische Zeitung weitergegeben hatte, bildete kurz darauf den Anlaß für die Einleitung disziplinarer Ermittlungen gegen den Offizier wegen »Verstoßes gegen die Pflicht zur Verschwiegenheit«. Zudem warf man ihm vor, dem Fotografierverbot in der Kaserne zuwidergehandelt zu haben, weil er für »Panorama« ein Foto von seinem »HUMBUG«-Laptop angefertigt hatte – was tatsächlich allerdings außerhalb der Kaserne erfolgt war. Wenig später wurde dem Geheimnisträger Klever seine Sicherheitsermächtigung entzogen – offenbar, weil ein Offizier mit Gewissen in den Augen der Bundeswehr ein unkalkulierbares Sicherheitsrisiko darstellt. Da er nun die der militärischen Geheimhaltung unterliegenden Arbeitsbereiche nicht mehr betreten darf, verrichtet Philip Klever seinen militärischen Dienst bis auf weiteres im »Mutter-Kind-Arbeitszimmer« der Kaserne. Gespannt wartet Offizier Klever dort – »gewissensschonend« eingesetzt – auf weitere kreative Einfälle seitens vorgesetzter Autoritäten. Der Autor Jürgen Rose hat sich als Oberstleutnant der Bundeswehr im Frühjahr 2007 selbst mit einer analogen Begründung erfolgreich geweigert, den Einsatz von Tornado-Waffensystemen der Bundesluftwaffe in Afghanistan logistisch zu unterstützen. Der Artikel »Gewissen ist keine Krankheit« wird im kommenden Ossietzky-Heft fortgesetzt.
Erschienen in Ossietzky 16/2013 |
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