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In den ARD-Tagesthemen sagten Sie erfrischend deutlich: »Es ist eine traditionelle Übung dieser Republik, vor den Wahlen Wahlversprechen zu machen, die dann anschließend in Regierungskoalitionsverhandlungen wieder wegrationalisiert werden.« Christdemokratische Wahlversprechen »sozialer Wohltaten« könne man »mit Gelassenheit betrachten«, sie seien ja keine Vorlagen für die künftige Regierungspolitik. Da stimmen wir Ihnen zu, fügen allerdings an: Das gilt nicht nur für wahlwerbende Papiere Ihrer Partei. Robert Zollitsch, Erzbischof, Freiburg. – Im Namen der katholischen Bischöfe Deutschlands sagten Sie anläßlich eines Besuchs des damaligen Papstes Benedikt XVI. in Deutschland, diese Visite sei »nicht nur wahrhaft historisch«, sondern gebe »auch zahlreiche wertvolle Impulse für die neue Zeit«. Inzwischen begrüßten Sie die Wahl von Franziskus I.: »Nun ist es wieder interessant, katholisch zu sein.« Wie sollen wir das zusammenbringen? Offenbar haben Sie bemerkt, daß Ihr Unternehmen für viele Menschen uninteressant geworden ist. Aber das muß Sie nicht irritieren, solange immer noch Hunderte von Millionen Ihre Aktien namens Taufe kaufen und ihr Leben lang brav und bieder die Gehälter der leitenden Angestellten zahlen. Peer Steinbrück, immer noch Kanzlerkandidat. – Vom »Kraft-Land« aus wollen Sie nun die »Aufholjagd« im Wahlkampf betreiben und stellten als Grund für den bisherigen Vorsprung der CDU/CSU heraus: Das »schlechte Kurzzeitgedächtnis« vieler MitbürgerInnen, die schon vergessen hätten, was alles die Partei der Kanzlerin in der Vergangenheit vermasselt habe. Sie sagten das auf einer Kundgebung in Bochum; wohl in der Annahme, die Malaise mit Ihrem Vortragshonorar von den Stadtwerken dieses Ortes sei auch nicht mehr in Erinnerung. Aber wenn nun Gedächtnisstärke sich ausbreitet – da könnte doch auch der Gedanke an Sozialdemokraten in früheren Regierungen aufkommen, an Gerhard Schröders Agendapolitik und an Ihre Mitwirkung dabei; oder – um ein gerade aktuelles Thema aufzugreifen – auch daran, daß Frank-Walter Steinmeier als Kanzleramtschef für die geheimen Dienste zuständig war, die damals schon schnüffelten. Ihren Appell, das Erinnerungsvermögen aufzufrischen, müßten Sie also präzisieren: Den Blick dabei fest auf die CDU/CSU richten! Nobelpreis-Komitee, Oslo. – Im Gedenken an Carl von Ossietzky, der 1936 mit dem Friedensnobelpreis geehrt wurde, schlagen wir Edward Snowden für den Friedensnobelpreis 2013 vor. Ossietzky war in der Endzeit der Weimarer Republik in einem Geheimprozeß wegen angeblichen Landesverrats verurteilt worden, nachdem die von ihm geleitete Weltbühne einen Artikel über die verfassungs- und völkerrechtswidrige Aufrüstung Deutschlands gebracht hatte. Die Nazis nahmen ihn dann unmittelbar nach dem Reichstagsbrand in sogenannte Schutzhaft, seine Publikationen wurden verbrannt, er starb 1938 an den Folgen der erlittenen Mißhandlungen. Ganz ähnliche Vorwürfe wie die, denen einst Ossietzky ausgesetzt war, erhebt nun die US-Regierung gegen Snowden; ihm droht ähnlich schwere Verfolgung wie seinem Landsmann Bradley Manning, der Dokumente über US-Kriegsverbrechen im Irak publik gemacht hatte. Der Nobelpreis, am besten für beide, könnte ihr Leben retten. Und er könnte weltweit den mutigen Menschen helfen, die es wagen, schwerste Regierungskriminalität aufzuklären. Hans-Peter Friedrich, Frohbotschafter. – Eigentlich wollten Sie bei Ihrer Pflichtvisite in den USA doch nur Aufklärung verlangen, warum der US-Spionagedienst NSA die deutschen Bürger, Firmen und Institutionen umfassend ausspionierte. Aber dann brachten Sie sogar die beruhigende Information nach Hause, der Große Bruder habe in Deutschland fünf terroristische Anschläge verhindert. Für diese schöne Nachricht haben Sie – welch hochherzige Selbstaufopferung – den Herren in Washington beflissen die Stiefel poliert. Angesichts Ihrer allertiefsten Verbeugungen ging uns durch den Sinn, wie sich vergleichsweise ein Charles de Gaulle verhalten hätte: Der wäre nicht nach Washington gepilgert, sondern hätte bloß den US-Botschafter zu sich einbestellt und stellvertretend für die US-Regierung gebührend heruntergeputzt. Deutscher Bundestag, . – Die Initiative Transparency International hat Ihre Mitglieder um Klarstellung gebeten, »ob sie für oder gegen die Bekämpfung von Abgeordnetenkorruption auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene sind«. Sozialdemokraten und Grüne forderten Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren. Doch regierungsmehrheitlich sahen Sie keinen Bedarf für eine gesetzliche Klarstellung. Infolgedessen kann Deutschland die UN-Konvention gegen Korruption nicht ratifizieren – was nach Angaben des Deutschen Gewerkschaftsbundes auch führende Unternehmen wie Siemens und BASF beklagen: Die fehlende Ratifizierung schade ihren Auslandsgeschäften. Welches Interesse setzt sich da durch?
Erschienen in Ossietzky 15/2013 |
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