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Im Unteren Schloß von Greiz, ein wenig über dem überschwemmten Sommerpalais gelegen, wurde, mit trotziger Kraft der Notsituation wehrend, im Juni die Ausstellung Horst Sakulowski eröffnet, damit dem Flutschaden kein weiterer Kulturschaden zugefügt wird. Ganz anders als in Halle, wo bei steigendem Pegel des Flusses mit der totalen Absage der Händel-Festspiele der Pegelstand der Kultur sank, im Vergessen, daß Kunst zum Leben aufmuntert und mit einer Kollekte, wie in Greiz, dem Betroffenen helfen kann. Die Stadtkirche bot allen Gästen Platz, selbst den weit angereisten der Pirckheimer-Gesellschaft, die in Gera und Greiz ihre Jahrestagung trotz allem abhielten. Zur Eröffnung ging ein Gewitter nieder, und als der Museumsdirektor Rainer Koch leicht übermütig die sechs Ausstellungen des Künstlers in Töppeln, Greiz, Saalfeld, Weida, Auerbach und Gera ankündigte, zu Sakulowskis 70. Geburtstag, den wir im August feiern, kommentierte das ein dröhnender Blitzschlag. »Non Finito«, so ist die Exposition von Horst Sakulowski benannt, die auf den farbigen Wänden der historischen Schloßräume mit Gemälden, Grafiken, doch vor allem Bleistiftzeichnungen der jüngsten Zeit wunderbar zur Geltung kommt. Ihr altmeisterlicher und dennoch moderner Stil eines expressiven Verismus läßt die Abkunft aus der »Leipziger Schule« erkennen. Auf selbst getöntem farbigen Karton, mit körniger Oberfläche mit Graphit- und Farbstiften, Weißhöhungen und Verwischungen entfaltet Sakulowski eine subtile, magische Zeichenkunst. Im menschlichen Mienenspiel begegnen uns tragischer Schmerz, Grölen und Schreien, das erschreckt und verstört. Mit den Affekten fahren Haarsträhnen wie stachlige Gewächse in die Höhe. Manche nicht zu Ende geführten Zeichnungen von Antlitzen sind »Figur n. f. (non finito)« benannt, manche Gesichtsstellen, wie ein schreiender Mund, verdeutlichen genaue Ausarbeitung; im Kontrast dazu sind andere, wie Stirn und zugekniffene Augen, nur angedeutet, wecken aber so sie die Phantasie des Betrachters. »Non finito«-Zeichnungen von »Aktstudien« betonen den Lebensursprung und die Porta zur Wollust. Neuere führen scheinbar über das Ende hinaus getriebene Strichlagen zu einem anderen Non finito, so beim »Apostel Paulus«, 2013, wo Augen und Mund mit ineinander übergreifenden Strukturen beschattet und unerklärlich bleiben. Diese Mienen und Blicke der Köpfe Horst Sakulowskis erschrecken mit ihrem Wissen vom Leben. Christus- also Menschenbilder, darunter auch Kruzifix-Zeichnungen nach Tilman Riemenschneider, bringen Lebensgefühl und Problemsituationen mit Zweifel und Hoffnung zum Ausdruck, wer nach Thomas Müntzer die Auserwählten seien für die Veränderung der Welt. Der aus Saalfeld stammende Horst Sakulowski erlebte in der DDR als religiöser Mensch und Sohn eines Uhrmachermeisters zwar eine Stigmatisierung, aber als begabter Künstler die Förderung. An der Hochschule für Grafik und Buchkunst studierte er in der Fachklasse Bernhard Heisigs und im Umfeld der Lehrer Werner Tübke und Karl Krug. Zur Armee eingezogen, bekannte er dort seine pazifistische Haltung ausdrücklich und wurde ohne Schikanen als »grenzuntauglich« eingestuft. Sein »Christophorus« von 1987, mit anderen Bildern im Oberen Schloß zu betrachten, geht auf gemeinsame christliche und kommunistische Wurzeln zurück. Zeitlich beginnt die Malerei mit »Porträt nach Dienst«, 1976, Öl auf Hartfaser, aus dem Stadtmuseum Jena. In der erschöpften Ärztin unter schrillenden Telefonen sah damals mancher tätige »Sisyphos« das Sinnbild eigener Mühe und machte das Bildwerk zu einem der meistdiskutierten Werke der VIII. Kunstausstellung der DDR. Jüngere Gemälde sind die allegorischen Ölbilder »Stilleben mit Äpfeln«, 1997/98, aus Verfaultem gewonnene Perlen, oder von 2008 »Intrige« und »Das Gerücht«, gestaltet aus einem gerissenen und durchlöcherten Hohlkörper, ein Caput mit verbundenen Augen und Maul, daraus der erstarrte Ausfluß. Leider sind diese Gemälde nicht im Katalog (24,90 €) abgebildet, denn es folgt als viertes Buch Sakulowskis der Bildentstehung in der Zeit. Damit wird der Blick auf die Weiterführung seiner Kunst gelenkt, aber ein Retrospektivteil mit früheren bedeutsamen Bildern fehlt. In die ausgestellten Gesichts-Gleichnisse ist auch die zerbröselte »Kranke Muse 1«, 2011, einbezogen, ein sarkastischer Reflex auf Kunstförderung und Kunstleben, da der Muse »Brust dunstiger Enge (atmet)« und »Apollon süffige Lieder (pfeift)«, Verse von Mona Krassu zur Zeichnung. Zwischen den Schrecknissen leuchten von der Wand hin und wieder freundlich zarte Blüten vom »Kürbis« und die Blumen »Obublu« und »Haschublu«, keine japanischen Teeblüten, sondern in der Osterburg und am Haus Schulenburg gezeichnete Blumen. Alle aus sinnlicher, direkter Nähe gewonnenen Motive, ob Gesicht, Fuß, Baum, Fisch, Mumie, Lappen, fügen sich allegorisch in Vanitas und Non finito zusammen, übereinstimmend in allen Werken bis hin zu den komplexen, bewegten Bildern in beeindruckenden Filmen. Der vielseitige Künstler entwickelte mit technischer Finesse und malerisch poetischer Filmsprache unter anderem »Die versteinerte Legende«. Im jüngsten Video »Zeitbilder« taucht der Blick durch das vom Eis umfaßte Wasser, im Raum der Feengrotten spiegeln die Seen geologisch geschichtete Wände in ihrem farbigen Spiel; das Bild eines Fossils schiebt sich herein, darüber der Abdruck eines Fahrzeugreifens, ein Notenbild technischer Partitur, Vergangenes und Gegenwärtiges vereint. Wie ein skulpturales Felsstück erscheint ein Kruzifix und weckt in den Vertiefungen und Wölbungen der Grottenwände die Vorstellung mächtiger Figuren. Die Traufe verbreitert sich in schwingenden Ringwellen zu heiterer, pulsierender Bewegung. Darüber das Leben mit dem grünen Feuer der Blätter. Bis 8. September im Unteren und Oberen Schloß Greiz
Erschienen in Ossietzky 15/2013 |
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