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Der Verleger Peter Suhrkamp war ein Aufrechter und Verfolgter, der es schaffte, Bundesrepublik und Lesekultur in eins zu bringen. Wir hören den Namen Barlach, Hans. Wir schrecken auf. Da macht sich einer öffentlich. Er ist weder Autor noch Verleger, noch ist er durch künstlerische Leistung legitimiert. Erstens kann er vom Namen des Großvaters Ernst Barlach zehren. Zweitens tut er sich damit hervor, daß er in Geldangelegenheiten tätig ist. Man sagt, er hält 39 Prozent bei Suhrkamp. Offenbar mischt er also im Verlagsgeschäft mit. Er ficht an, er zieht in Zweifel und zu Felde. Was und wogegen? Unzumutbar schlechte Literatur? Nein. Geschäftspraktiken. Offenbar wenig sauber. Doch ist ausgerechnet er der Saubermann? Seine Äußerungen klingen eiskalt. Wir verstehen kein Wort von den von ihm bevorzugten starr tiefgefrorenen juristischen Vokabeln. Diese bewegen sich weit jenseits belletristischer Prosa von nennenswertem literarischen Wert. Sein scharfgeschnitten alert-jugendfrisch wirken sollendes Gesicht ist gezeichnet von jenen verräterischen Schnittkanten, welche Gelddenken in die Gesichtszüge furcht. Seiner selbst ganz gewiß, meint er, wir bemerken das nicht. Wir haben Ernst Barlach vor Augen. Ein forschend gütiges Gesicht, geprägt von einem schöpferischen Tun voller Mitgefühl. Eine Seele von Mensch – sagte man einst. Mindestens eine oder zwei Generationen kunstempfänglicher Menschen sind ihm gewogen, was sage ich, sie sind ihm verfallen: dem Bildhauer, Zeichner und Graphiker, obendrein Stückeschreiber. Er suchte Gott und fand den Menschen. Das Erlebnis zur Form bilden, wer kann das schon. Er war ein Ausbund künstlerischer Emotion von einer begnadeten Integrität. Er berührte, und wurde dadurch unberührbar. Er litt schwer darunter, böswillig denunziert zu werden. Aber er war wohlgelitten bei denen, auf die es in der Kunst ankam. Welchen allgemeinen Aufschrei der Befremdung und Empörung konnte Bertolt Brecht 1952 noch in kluge Worte fassen, als neue Ignoranz das gerade erst wieder hergestellte Ansehen des Meisters bedrohte. Da gewann Ernst Barlach seinen gesicherten Platz in der Kunstszene zurück, und da fand er, der nie eigene Schüler gehabt hatte, Nachwirkende und Fortsetzer für seine Intentionen menschgemäßen Gestaltens. Die von modernem Formwillen inspirierte realistische deutsche Bildhauerschule erwies sich in ihren besten Leistungen seiner würdig. Sie motivierte nicht Marktspekulation, sondern die überwältigende geistige Ausstrahlung des Meisters. Wer kümmerte sich Jahrzehnte darum, welchen materiellen Wert der Kunstmarkt den Barlachschen Schöpfungen beimaß? Als der Hamburger Hans Barlach und sein Bruder Ernst als Erben die Region des Wirkens ihres Großvaters in und um Güstrow herum 1991 entdeckten, bezifferten sie als erstes den Geldwert des vorhandenen Kunstbestandes. Gemeinsam mit dem Erben der Barlachgefährtin Marga Böhmer, Odo Bruhns aus Bad Lippspringe, fingen sie an zu handeln. Die Verfügungsgewalt war westwärts gewandert. Der Bund, das Land Mecklenburg-Vorpommern und die Stadt Güstrow fügten sich. Gemeinsam mit privaten Spendern konnte mit über 30 Millionen Mark der Verbleib vor Ort gesichert werden. Eine Stiftung wirkt seitdem damit halbwegs segensreich. Gertrudenkapelle und Atelierhaus samt Anbau beherbergen das Lebenswerk – still und zurückgezogen. Ein Geheimtip jenseits der aktuellen Kunstprozesse. Das offizielle Mecklenburg-Vorpommern setzt ganz andere Schwerpunkte. 2006 feierte es so beziehungslos wie schockierend, von publikumswirksam schüchternen Einsprüchen begleitet, Hitlers bestbezahlten Lieblingsbildhauer Arno Breker in Schwerin – und hatte damit sein Event. Der wirklich hierher gehörende Ernst Barlach erfreute sich wenigstens der Wertschätzung des Münchner (einstmals Schweriner) Flugpioniers und Rüstungsindustriellen Bölkow und kam durch dessen Protektion wenigstens mit kleinen Abgüssen ins Staatliche Museum Schwerin. Enkel Hans Barlach hatte mittlerweile anderes zu tun – siehe oben. Er sei Galerist, hört man. Falls in seiner Galerie einmal etwas von Großvater Ernst ausgestellt wäre, so schriebe ich dort gern eine Bemerkung von Adolf Muschg zu diesem ins Gästebuch: »Seine Kunst folgte nie jener Rechenschieberlogik, welche die Teilnahme an einem Projekt durch Gewinnanteile ersetzt ...«
Erschienen in Ossietzky 14/2013 |
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