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Manchen ihrer Eltern wurde von Richtern aus der NS-Vorzeit vorgeworfen, nichts aus den »Vorstrafen« in den Jahren 1933 bis 1945 gelernt zu haben. Nicht wenige wurden als Kommunisten unter Adenauer wieder eingesperrt. Ihre Eltern erhielten bisweilen keine Entschädigungen für gesundheitliche Einbußen – weil sie ja freiwillig Widerstand geleistet hatten. Die Berichte, die da zusammengetragen werden, wühlen auf. Die »Kinder des Widerstandes« konnten sich nie an eine Gestapounterlagenbehörde wenden. In regelmäßigen Abständen hat zwar Jan Korte für die Linkspartei im Bundestag Anträge gestellt, die politischen Opfer des Kalten Krieges zu entschädigen und damit zu rehabilitieren oder den Widerstandskampf der kommunistischen Linken endlich anzuerkennen. Die Antworten von Bundestagsmitgliedern aus der Union, der FDP, auch der SPD lesen sich jedoch gruselig – wie von Springer-Journalisten der 1950er Jahre verfaßt. »Mein Vater war kein Verbrecher«, schrieb daher Klara, die Tochter von Karl Schabrod, schon vor einiger Zeit unter www.nrw.vvn-bda.de. Zusammen mit Inge, Traute und Alice, Töchter von Willi Kutz (Düsseldorf), Artur Burmester (Hamburg) und Ettie und Peter Gingold (Frankfurt am Main) hat sie wiederholt zu Seminarwochenenden in Solingen aufgerufen und sie sagt: »Wir wollen nicht nur zurückblicken, sondern als Zeitzeuginnen und Zeitzeugen – zum Beispiel in Schulen – wirken.« Rund 70 andere »Kinder« haben sich ihnen angeschlossen. Nach Abschluß eines der Seminare kritisierten die TeilnehmerInnen öffentlich die Veränderungen in Gedenkstätten, beispielsweise in der Oberhausener Gedenkhalle, wo der Arbeiterwiderstand in der Ausstellung erheblich reduziert wurde und die verbrecherischen NS-Eliten der Ruhrgebietswirtschaft gar nicht mehr thematisiert werden (s. Ossietzky 13/11). Sie sind sich einig: Die Kinder des Widerstandes, alle Antifaschisten, sollten sich aus der Gedenkarbeit nicht verdrängen lassen. Nach den Zeitzeugen der Häftlingsgeneration kommen nun die neuen Zeitzeugen. Die alte Zeitzeugengeneration hatte einst in Oberhausen dafür gesorgt – über alle Parteigrenzen hinweg –, daß die erste Gedenkstätte in der Bundesrepublik zum örtlichen Widerstand geschaffen wurde. In den sechziger bis achtziger Jahren trugen die Zeitzeugen Exponate und Dokumente zusammen und bauten die Gedenkstätte mit auf. Sie waren ehrenamtliche Erinnerungsarbeiter, auch wenn es das Wort noch nicht gab. Inzwischen sind sie gestorben, und ihre Arbeiten sind aus der Gedenkhalle entfernt, so wie Walter Kurowskis Wandgemälde mit Darstellungen der Täter und Opfer. Jetzt beschloß der Oberhausener Rat die Einführung der Ehrenamtskarte, so wie bereits 173 Städte und Kreise in Nordrhein-Westfalen. Doch anders als dort hat sich der Oberhausener Rat etwas ausgedacht, das an die Umwidmung der Gedenkhalle, ja sogar an den Kalten Krieg erinnert. Mit der sogenannten Ehrenamtskarte will die Stadt Menschen belohnen und mit Vergünstigungen versehen, die sich in überdurchschnittlichem Maße ehrenamtlich für das Gemeinwohl engagieren. Versehen aber wurde der Beschluß mit einem Passus, wonach Mitglieder von Organisationen, die im Verfassungsschutzbericht erwähnt beziehungsweise vom Verfassungsschutz beobachtet werden, keine Ehrenamtskarte erhalten sollen (lt. Westdeutsche Allgemeine). »Das schließt die Mitglieder der Linken Liste, der DKP, der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, der Anti-Atomkraft-Bewegung oder der Antifa aus«, kritisiert die stellvertretende linke Stadtratsfraktionsvorsitzende Petra Marx scharf. Und legte noch drauf: »Aber der Faschist, der sich im Sportverein engagiert, wird belohnt.« Die Stadtverwaltung widersprach auf Anfrage: Man halte sich an das Vorbild anderer Städte, »zum Beispiel in Bayern«, so der Stadtsprecher Uwe Spee. »Wenn wir den Eindruck haben, daß es sich um Links- oder Rechtsextremisten oder Mitglieder einer terroristischen Vereinigung handelt, wird von Fall zu Fall geprüft.«. Das Stadtparlament sprach sich denn auch einhellig – gegen die Linkspartei-Stimmen – für die Einführung der antiextremistischen Ehrenamtskarte aus. Die umstrittene Passage blieb Teil des Beschlusses. Die Stadt Oberhausen, einst Vorreiterin der antifaschistischen demokratischen Kultur, ist in vielerlei Hinsicht stur und unnachgiebig, wenn es gegen Links geht. Nicht nur, daß sie auf die Kritik der »Kinder des Widerstandes« an den Änderungen in der Gedenkhalle wütend reagierte und sogar in einem Brief an die Zeitschrift Glocke vom Ettersberg und an den Generalsekretär der Internationalen Föderation des Widerstandes, Dr. Ulrich Schneider, von möglichen rechtlichen Schritten sprach, die man einleiten könnte. Sie hielt auch daran fest, daß Kurowskis Wandgemälde verborgen bleibt. Wer auch nur ein Foto davon haben möchte, bekommt im Auftrag des Oberbürgermeisters Briefe wie diesen: »...bitte ich Sie zuvor um die Auskunft, in welchen Kontext der Bilderzyklus gestellt werden soll, was die Kernaussagen dazu sein werden und welche Autoren sich mit dem Zyklus auseinandersetzen wollen.« Diese unverblümte Aufforderung, sich einer Zensur zu unterwerfen, war an die Fotografengruppe »R-mediabase« gerichtet. Sie will in einer virtuellen Gedenk- und Aufklärungsgalerie Verbrechen der Wirtschaft in der Zeit zwischen 1933 und 1945 dokumentieren. Beabsichtigt ist auch, »vorhandene Stätten der Erinnerung abzulichten und zu dokumentieren, um der Tendenz entgegenzuwirken, das Andenken an den Widerstand, besonders des Arbeiterwiderstandes zu reduzieren, und das Erinnern an die Täter aus den ökonomischen Eliten aus den Gedenkstätten und Erinnerungsorten zu entfernen« (www.r-mediabase.eu). Warum widersetzt sich einem solchen Projekt die Stadt Oberhausen?
Erschienen in Ossietzky 14/2013 |
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