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Von der Gewerkschaft ganz links, der Citu, bis hin zu bisher weniger kämpferisch agierenden Vertretungen und sogar nicht sonderlich konsequenten Gruppierungen, die eher den Charakter von Berufsverbänden haben, war alles vertreten. Eine Vereinbarung regelte, daß sich die Parteien in den Arbeitskampf nicht einmischen und zurückhalten. Einige staatliche Institutionen hingegen mischten sich ein und versuchten, auf ihre Beschäftigten Druck auszuüben, den Streikaufruf nicht zu befolgen. Ein weiteres Abkommen sorgte dafür, daß der Tourismus nicht direkt unter den Streikaktionen leiden sollte. Es wurde weitgehend berücksichtigt, auch wenn es durch Bus- und Bahnstreiks Beeinträchtigungen gab. In einigen Fällen übernahmen Polizeifahrzeuge den Transport gestrandeter Touristen. Insgesamt kann von einem Erfolg des zweitägigen Generalstreiks in allen indischen Staaten berichtet werden. Nicht nur der öffentliche Sektor beteiligte sich am Streik, sondern er erfaßte auch weite Teile des gewerkschaftlich kaum oder nicht organisierten privaten Bereiches bis hin zu kleinen Handwerksbetrieben und Geschäften. Das ist für Indien mit seinem anarchischen Charakter des Kleingewerbes schon etwas Besonderes und deutet darauf hin, daß alle Schichten der Bevölkerung inzwischen die Notwendigkeit erkennen, sich gegen eine Verschlechterung der Arbeits- und Lebenssituation zur Wehr zu setzen. Die steigenden Preise, die Inflation und die Korruption – das alles spielt eine Rolle. Aus dem breiten Streikspektrum möchte ich einige symptomatische Ereignisse herausheben: Im Staat Westbengalen wurde Mamata Banerjee 2012 durch Intrigen und Manipulationen Ministerpräsidentin (s. auch Ossietzky 6/13). Sie ist Vorsitzende der Trinamool-Kongreßpartei, einer Abspaltung der Kongreßpartei, die zur Zeit die führende Kraft in der indischen Zentralregierung unter Premierminister Mohan Singh und der Gandhidynastie unter Sonja Gandhi und ihrem Sohn Rahul darstellt. Mamata Banerjee unternahm alles in ihrer Macht stehende, damit in »ihrem Westbengalen«, wie sie sich inzwischen aufbläht, der Generalstreik nicht befolgt würde. Das hatte – unterstützt durch ihre Gefolgsleute – entsprechende Auswirkungen. In der Stadt Debipur wurde der Beamte Hazrat Omar, der es gewagt hatte, am ersten Streiktag nicht an seinem Arbeitsplatz zu erscheinen, am zweiten Streiktag aber wohl aus Sorge und Angst vor möglichen Repressalien wieder ins Büro ging, von zwölf »Abgesandten« der Trinamoolpartei zur Rechenschaft gezogen. Sie wollten wissen, warum er am ersten Streiktag nicht zur Arbeit erschienen war. Sein Argument, sein Streikrecht ausgeübt zu haben, beantworteten die Trinamoolleute mit lebensgefährlichen Angriffen. Omar versuchte auszuweichen, zu entkommen, konnte aber nicht verhindern, daß ihm dabei ein Ohr abgeschnitten wurde. Er mußte ins Krankenhaus eingeliefert werden. Die Leute verwüsteten sein Büro und zerstörten Computer und Mobiliar. In der westbengalischen Stadt Hariharpava wurde der Direktor einer Schule dafür verantwortlich gemacht und bestraft, daß seine Schule dem Streikaufruf nachgekommen war. Als er es am zweiten Streiktag doch vorzog, zum Dienst zu gehen, hinderten ihn Trinamoolmitglieder daran, die Schule zu betreten. Manindranath Biswas, so der Name des Direktors, wurde gezwungen, auf einem speziell dafür errichteten Podest Platz zu nehmen, um sich vor den zusammengerufenen Schülern für seinen Aufruf und seine Streikteilnahme in demütigender Weise zu entschuldigen. Erst als ihm nach geraumer Zeit, die er gezwungenermaßen auf dem Podest verharren mußte, schlecht wurde, brachte man ihn zur Behandlung in ein nahegelegenes Krankenhaus – vorbei an Plakaten, die auf dem Schulgelände, aufgehängt worden waren und dazu aufriefen, ihn zu ermorden. Ministerpräsidentin Mamata Banerjee, die alles getan hatte, um den ausgerufenen Streik zu verhindern, forderte am 21. Februar, politische Parteien, die sich am Streikaufruf der Gewerkschaften beteiligen, zu verbieten. Die indische Zeitung The Hindu veröffentlichte Fotos aus Patna, der Hauptstadt von Bihar, auf denen Polizisten einen Streikführer mit Schlagstöcken mißhandelten. Laut einem Bericht aus der Hauptstadt Delhi wurde bei Auseinandersetzungen ein Streikführer von Streikbrechern überfahren und getötet. Im Industriegebiet Okhla wurde eine friedliche Demonstration von mehr als 300 Arbeitern mit Lathis – das sind die langen, eisenbeschlagenen Knüppel, die in Indien von der Polizei verwendet werden – brutal traktiert und in die Flucht geschlagen. Eine abgespaltene Demonstrantengruppe ließ ihren Unmut darüber in Nebenstraßen freien Lauf, und es kam zu Steinwürfen gegen Polizisten, aber auch zur Zerstörung von Autos und Geschäften. Es wurde jedoch glücklicherweise niemand ernstlich verletzt. Der indische Gewerkschaftsbund (Indian Federation of Trade Unions) bezeichnete den Generalstreik als »die größte Aktion der Arbeiterklasse seit der Unabhängigkeit« und als großen Erfolg. Von Aufruhr kann man sicher nicht sprechen, trotz des alle indischen Staaten umfassenden Generalstreiks. Der Streik war aber ein entschiedenes Signal gegen unsoziale Maßnahmen, gegen die ständig steigenden Preise, gegen die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen und gegen drohende Entlassungen in den Unternehmen aufgrund veränderter gesetzlicher Rahmenbedingungen. Die Gewerkschaften machten mit ihren Aktionen deutlich, daß sie sich nicht mehr alles bieten lassen und für ihre Mitglieder kämpfen. Die Parteien der Linken – in einigen Staaten zur Linksfront verbündet – unterstützen die Forderungen, auch wenn es bei dem Generalstreik eine abgesprochene Zurückhaltung gab. Sollten die Forderungen des Generalstreiks nicht erfüllt werden, haben die Gewerkschaften und die Linksfront, vor allem die KPI (marxistisch), weitere Aktionen angekündigt.
Erschienen in Ossietzky 9/2013 |
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