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Es gilt, Schaden vom deutschen Vaterland, verkörpert vor allem durch die CDU im Lande Brandenburg und hier wiederum zuvörderst von deren Potsdamer Kreisverband, abzuwenden. »Bei etlichen Mitgliedern herrscht helle Empörung« alarmierte die Märkische Allgemeine Zeitung unter der Schlagzeile: »Wirbel um Ex-NVA-Offizier: Streit um SED-Vergangenheit des neuen Vorstandsmitglieds Rüdiger Otto/Stasi-Überprüfung gefordert«. Otto, 1989 flugs aus der SED aus- und in die CDU eingetreten und nach dem Tausch der Uniform eines Hauptmanns der Nationalen Volksarmee der einverleibten DDR mit der der nun gesamtdeutschen Bundeswehr, hatte sich doch tatsächlich, als habe er nicht der »zweiten deutschen Diktatur« gedient, als Kandidat für den Beisitzerposten im CDU-Kreisvorstand Potsdam beworben und war auch gewählt worden! Es ist diese »fragwürdige Vergangenheit« des Mannes, die »fragwürdige Personalie«, die im Jahre 2013, knapp ein Vierteljahrhundert, nachdem begonnen hat »zusammenzuwachsen, was zusammengehört« (Willy Brandt 1989), das Blut etlicher CDU-Kämpfer in Wallung versetzt. Ex-Artillerie-Hauptmann Otto, Zugführer und damit zuständig für 30 (!) Leute, sei »freiwillig in die SED eingetreten« und habe »sogar einen Ehrendolch als Auszeichnung« erhalten. Den »kriegt man nicht so einfach«, wußte einer derjenigen, die sich im ersten Wahlgang zum Beisitzer nicht hatten durchsetzen können und sich (darum?) »auf das Schärfste von der Personalie Otto distanzieren«. Nun soll die Allzweckwaffe, »Stasi-Akten-Verwalter« Roland Jahn, sich der »Causa Otto« annehmen und Otto derweil sein Wahlamt ruhen lassen. Eine Provinzposse? Just an dem Tag, an dem auch die sozialistische Tageszeitung neues deutschland völlig wertfrei unter der Überschrift »Streit um NVA-Offizier im CDU-Kreisvorstand« über die Jagdszene aus Brandenburg berichtete, erschien auf der selben Seite ein umfangreicher Beitrag »DDR-Aufarbeitungsindustrie – Nie zuvor gab es eine intensivere Auseinandersetzung mit der jüngsten Vergangenheit« (nd, 25. März). In einer Art Rezension wurde eine »Antwort der märkischen SPD auf den Streit um die DDR und die Nachwendezeit« vorgestellt. Der Titel, der vom SPD-Landes-Generalsekretär Klaus Ness herausgegeben Schrift: »Geschichte, die nie vergeht«. Das bemerkenswerte an diesem Beitrag ist die Überschrift. Sie ist eine Leihgabe aus dem Beitrag des heute in Jena lehrenden Historikers Norbert Frei zu dieser ansonsten recht schmalbrüstigen Replik der Landes-SPD auf die permanenten Vorwürfe der CDU, in der »kleinen DDR« werde die »Abrechnung mit der DDR-Vergangenheit« nicht im erforderlichen Umfang betrieben. Frei, der zu den Historikern gehört, die sich in umfangreichen Untersuchungen kritisch mit dem skandalösen Umgang der BRD-Regierungen nach 1945 mit den Vollstreckern der faschistischen Diktatur im »demokratischen Rechtsstaat« beschäftigt haben, sieht in den Vorwürfen eine »alarmistische Note«. Niemals zuvor habe es in der Weltgeschichte eine intensivere und längere Auseinandersetzung um die jüngste Vergangenheit gegeben. Nie sei sie institutionell, personell und finanziell besser ausgestattet gewesen als die »Aufarbeitungsindustrie«, die sich mit der DDR befasse. Zögerlich und kläglich nehme sich dagegen die Faschismusforschung der alten BRD aus. Die Bundesregierung hat in einem Entlastungsversuch Ende 2012 diesen, nicht nur von Frei erhobenen Vorwurf in der Antwort auf die Große Anfrage der Fraktion Die Linke »Umgang mit der NS-Vergangenheit« zurückgewiesen. Dabei verwies sie auf die Fülle von Publikationen, die sich mit diesem Thema beschäftigen (37.000 Titel laut »Bibliographie zum Nationalsozialismus« von Michael Ruck). Das aber geschah sozusagen außerhalb staatlicher Politik. Die setzte wesentlich auf baldige »Versöhnung« und die dann folgende Wiederverwendung. So konnten, laut Regierungsantwort, immerhin 26 ehemalige Mitglieder der faschistischen NSDAP Minister, auch Bundespräsident oder Bundeskanzler werden. Hinzu kommen noch außer Konkurrenz Altbundespräsident Richard von Weizsäcker, Ex-Wehrmachtsoberleutnant, dekoriert mit dem Eisernen Kreuz 2 und 1 und Altbundeskanzler, Ex-Oberleutnant Helmut Schmidt (EK 2). Die sind in der Antwort nicht aufgeführt, wohl aber das nach fast 60 Jahren Bundesrepublik Deutschland aufschlußreiche Eingeständnis: »Eine belastbare quantitative Angabe über den Anteil von NS-belasteten Personen im Sinne der Fragestellung, die in Institutionen des Bundes seit 1949 tätig waren, ist nicht möglich. Schon um sich ihr anzunähern, wären intensive mehrjährige Forschungen erforderlich, so weit die Quellenlage dies überhaupt zuläßt.« (Drucksache 17/8134, mit Datum vom 14.12.2011) Dazu der Historiker Ulrich Herbert: »Daß angesichts der Millionen Opfer der nationalsozialistischen Politik die Mehrzahl der Täter in der Bundesrepublik beinahe ungeschoren davonkommen sollten, war ein bei allen Vorstellungen von Moral so grundlegend widersprechender Vorgang, da dies unmöglich ohne schwerwiegende Folgen für die Gesellschaft bleiben könnte.« Da wären dann doch die wachsamen Kämpfer der Potsdamer CDU zu loben, die mit ihrer Empörung über die Wahl des Ex-Hauptmanns Otto unser Land vor neuerlichen »schwerwiegenden Folgen« bewahren wollen.
Erschienen in Ossietzky 9/2013 |
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