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Der internationale Nürnberger Prozeß 1945/1946 beurteilte die Rolle der angeklagten Großindustriellen: »Die Diktatur, hinter der sich diese Menschen zu verschanzen suchten, war ihre eigene Schöpfung.« Derzeit wird mittels offizieller Geschichtspolitik von dieser Feststellung abgelenkt, nicht zuletzt durch Änderungen in Gedenkausstellungen. So geschehen in der Gedenkhalle Oberhausen, in der Essener Gedenkstätte Synagoge und so geplant von einigen Kommunalpolitikern in Dortmund, wo man sich auf den amerikanischen Historiker H. A. Turner jr. beruft, der in den 80er Jahren schrieb, es dürfe nicht behauptet werden, daß der Faschismus ein Produkt des modernen Kapitalismus sei, denn dann könne man diesen nicht mehr verteidigen. Konzerne und Banken versprachen sich von Hitler und seiner Nazipartei die Verwirklichung ihrer Pläne für eine Neuordnung Europas und lukrative Rüstungsgeschäfte. Allerdings hielten die Industriellen sich verschiedene Varianten offen. Gustav Krupp von Bohlen und Halbach zum Beispiel war Monarchist und zweifelte zunächst an Hitlers Kompetenz, und er war verunsichert wegen der antikapitalistischen Demagogie der NSDAP. Als aber die Richtung klar war, ergriff Krupp mit der »Adolf-Hitler-Spende der deutschen Wirtschaft« sofort die Initiative für die Hitler-Finanzierung. Krupp von Bohlen und Halbach bestätigte 1944 in einer Rede, die heimliche »Wehrhaftmachung« bereits unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg betrieben zu haben, die ab 1933 richtig in Fahrt kam: »Es ist das große Verdienst der gesamten deutschen Wehrwirtschaft, daß sie in diesen schlimmen Jahren nicht untätig gewesen ist, mochte auch aus einleuchtenden Gründen ihre Tätigkeit dem Lichte der Öffentlichkeit entzogen sein. In jahrelanger stiller Arbeit wurden die wissenschaftlichen und sachlichen Voraussetzungen geschaffen, um zu gegebener Stunde ohne Zeit- und Erfahrungsverlust wieder zur Arbeit für die deutsche Wehrmacht bereitzustehen ... Nur durch diese verschwiegene Tätigkeit deutschen Unternehmertums ... konnte nach 1933 unmittelbar der Anschluß an die neuen Aufgaben der Wiederwehrhaftmachung erreicht, konnten dann auch die ganz neuen vielfältigen Probleme gemeistert werden.« Am 20. Februar 1933 kam es in Berlin zu einem geheimen Treffen Hitlers und Görings mit der Spitze des Reichsverbandes der Deutschen Industrie (RDI). RDI-Vorsitzender war Krupp von Bohlen und Halbach. »Wir stehen jetzt vor der letzten Wahl. Sie mag ausgehen wie sie will ... Wenn die Wahl nicht entscheidet, muß die Entscheidung eben auf einem anderen Wege fallen ..., oder es wird ein Kampf mit anderen Waffen geführt werden, der vielleicht größere Opfer fordert ...«, so legte Hitler seine Putschpläne für den Fall einer Wahlniederlage offen dar, und die 20 geladenen Industriellen spendeten für dessen Wahlkampf drei Millionen Reichsmark. Gustav Krupp von Bohlen und Halbach notierte abends über die Begegnung: »Ruhe in der inneren Politik: keine weiteren Wahlen ... Ermöglichung der Kapitalbildung ... Dementsprechend Entlastung von Steuern und öffentlichen Lasten.« Die Naziideologie enthielt so gut wie keine konzeptionellen Gedanken, die nicht schon vorher im konservativen und deutschnationalen Gedankengut der bürgerlichen Rechtsparteien enthalten gewesen wären. Rassismus, Antisemitismus, Antikommunismus, Kolonialismus und aggressiven Militarismus gab es bereits. Mit Rosenbergs »Neuordnung des Ostraumes« und Hitlers »Lebensraum im Osten« sollte ein uralter Traum der Herrschenden in Deutschland verwirklicht werden. Unter dem Motto »Germanisierung« gehörte dazu die Vernichtung von Millionen »Untermenschen« durch die »Herrenrasse«. Der britische Historiker Adam Tooze widmete sich in seinem von Yvonne Badal übersetzten Buch »Ökonomie der Zerstörung. Geschichte der Wirtschaft im Nationalsozialismus« der engen Kooperation der deutschen Industrie mit Hitler. Tooze führt darin über das »Spenden-Rendezvous« Hitlers mit der Schwerindustrie aus: »Einmal ganz abgesehen von den Folgen, zählt dieses Treffen vom 20. Februar zu den berüchtigtsten Beispielen für die Bereitschaft des deutschen Großunternehmertums, Hitler bei der Aufstellung seines diktatorischen Regimes beizustehen ... Krupp und Konsorten [wurden] von Hitler nie gezwungen, sich seinem gewalttätigen Antisemitismus oder sich seinen Eroberungsplänen anzuschließen.« Entscheidend war das, was Hitler den Industriellen versprochen und schließlich auch durchgesetzt hatte: »Das Ende der parlamentarischen Demokratie und die Vernichtung der deutschen Linken.« Tooze weiter: »Krupp und Konsorten waren willige Partner bei der Vernichtung des politischen Pluralismus in Deutschland ... Faktisch aber waren es die Spenden vom Februar und März 1933 gewesen, die einen wirklich entscheidenden Beitrag leisteten.« Am Ende seines Buches stellt der Historiker die Frage, warum die Lobby der deutschen »Privatwirtschaft« den »drastischen Eingriff der Staatsmacht nach 1933« überhaupt tolerierte, immerhin habe doch das Großunternehmertum zuvor das »Reformstreben« der Weimarer Republik noch massiv behindert. Laut Tooze widersprach die »autokratische nationalsozialistische Wende« zwar deutlich der »internationalen Agenda« – den Exportinteressen –, die die deutsche Privatwirtschaft bevorzugte, doch der »autoritäre Stil«, den Hitlers Koalition in der Innenpolitik pflegte, »gefiel ihr dafür ausnehmend gut, nicht weniger gut als die gesunden Profite, die seit Mitte der dreißiger Jahre auf sie zurollten«. Wer an das Dogma glaubt, daß die Unterstützung der Großindustrie für Hitler ein »Mythos« sei, dem macht Tooze deutlich, daß sie sich 1933 »dem politischen Wandel nicht entgegen[stellte]«, wie noch »1918/19, sondern sich Hitlers ›Nationaler Revolution‹ in vielen entscheidenden Punkten als willfähriger Partner« anbot. Noch im gesamten Jahr 1933 hätten die Konservativen die Möglichkeit und die Macht gehabt, den Hitlerspuk wieder zu beenden, wenn sie denn gewollt hätten.
Erschienen in Ossietzky 9/2013 |
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