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Zeigte ein Schaubild darin doch ein Ringmodell, nämlich vier konzentrische Kreise, im Zentrum der Superreichtum, also das Vermögen von weltweit rund zweitausend Personen oder Familien – Dollar-Milliardäre, deren Habe nie gefährdet war, weil sie (anders als die all der Millionäre) so riesig und breit gestreut, dazu oft auch gut versteckt ist. Welch ein Goldkern, sagenhaft und doch real! Ein fataler Magnetismus geht von ihm aus: jene Kraft, der in unserer Gesellschaft die Vorstandschefs, Politiker, Publizisten und Professoren in der Regel glatt erliegen, sogar ohne es zu merken. Folglich ein Quell enormer, gravitationsähnlicher Anziehung, imstande, die Wirtschaft eines Landes ebenso wie dessen Gemeinwesen zwanglos zu lenken; schon durch pure Faszination. Zum Beispiel Nelson Rockefeller. Dessen Stärke war, laut Krysmanski, »sein Vertrauen in die Fähigkeit, jedermann kooptieren zu können«, zumal er ja »implizit an die marxistische Klassenkampf-Analyse glaubt – er steht nur auf der anderen Seite ... Die Rockefellers sind mächtig, weil sie sich durch klugen Gebrauch ihres Reichtums zum Schiedsrichter unseres politischen Grundkonsenses machen konnten.« Wahrhaft ein first contact winner à la Julius Caesar – er kommt, sieht und siegt. Der Autor zeigt uns Big Money, den Goldkern des Klans der Milliardäre, als omnipotent und souverän. Schützend umhüllen ihn drei Ringe von Experten und sichern die Herrschaft der Geldmacht: die Konzernchefs, die Politiker sowie das Fachpersonal – hoch motivierte Leute aus Wissenschaft, Rechtswesen und Medienbetrieb – als Dienstleister, fähig und gut bezahlt. Den ersten Ring um das Machtzentrum bilden die Wirtschaftsführer, den zweiten unsere gewählten Politiker: »Sie halten das ganze System einigermaßen stabil und mehren nicht nur den Wohlstand der Superreichen, sondern kümmern sich, trotz ständiger Umverteilung von unten nach oben, auch um ein Minimum an Verteilungsgerechtigkeit; dies ist die ureigenste Aufgabe der politischen Klasse.« Das schrieb der Autor, noch ehe die Agenda 2010 in Kraft trat. Mit ihr schuf Rot-Grün damals durch Lohnstopp satte Profite, Wachstum und Arbeitsplätze – freilich zu Lasten der Konkurrenz im Ausland, das so in die Schuldenfalle lief. Aber wie ging das denn zu? In unserer Demokratie herrscht doch das Volk, dank freier Wahlen bestimmt einzig die Mehrheit den Kurs? Das glaubt selbst Cordt Schnibben vom Spiegel, der jetzt schreibt: »Die meisten Staaten sind heute so verschuldet, daß ihre Politik mehr von den Gläubigern als von den Bürgern bestimmt wird«, und ratlos fragt: »Warum können Demokratien nicht mit Geld umgehen?« Wie schon Frank Schirrmacher von der FAZ quälen ihn Zweifel: »Kann es sein, wir warten darauf, daß sich die Welt wieder unserer Weltanschauung fügt – es aber schlauer wäre, wir würden unsere Weltanschauung der Welt anpassen?« Hans-Jürgen Krysmanski kann ihm dabei helfen, denn der hat jüngst nachgelegt. Vor kurzem erschien sein Werk »0,1 Prozent – das Imperium der Milliardäre« Und es beginnt: »Vieles deutet darauf hin, daß die Epoche des Kapitals zu Ende geht.« Mit viel Gespür für verdeckte Zusammenhänge wird dort gezeigt, wie routiniert eine Minderheit ihren Willen durchsetzen kann; auch gegen die Regeln der Marktwirtschaft. Der Autor, 77, legt seine Erkenntnisse so schlüssig wie spannend dar. Gleich eingangs steht der Satz: »Eliten sind diejenigen, deren Soziologie niemand zu schreiben wagt.« Genau das aber tut er, flankiert von ein paar anderen Koryphäen, dann eben doch! Und es gelingt ihm in den 46 Kapiteln des erstaunlichen Buchs unter vielem anderen sehr bald, die verworrenen Fäden von öffentlicher Meinung und monopolistischer Marktmacht bloßzulegen. Da werden Herrschaftsstrukturen Stück für Stück enttarnt. Unmöglich, das facettenreiche Werk hier tatsächlich umfassend zu würdigen. Mir genügt es, Neugier zu wecken. Man lese doch nur, was Krysmanski auf den Seiten 160 bis 163 zu der perfekt durchgeplanten Volkswirtschaft Chinas sagt – derzeit, da noch immer auf Erfolgskurs, ein vielzitiertes Gegenbild zum westlichen Modell, dem es allerdings auch schon an sozialer Gerechtigkeit zu mangeln beginnt. Übrigens liegt auf der Hand: Richtungskämpfe fallen dort härter aus, wo die Leute an der Spitze wirklich Machthaber sind, nicht nur als gewichtige Sachwalter der wahren Herren – und legitimiert vom Wahlvolk – versehen mit begrenzter Macht. Und das erinnert mich an einen US-Botschafter, der einst in der Karibik den befreundeten Staatschef warnt: »Regierung ohne Opposition, Exzellenz, ist ein sehr hartgefedertes Auto – liegt wie ein Brett in den Kurven, doch jeder Stoß geht hoch bis zum Kopf, mangels Dämpfung.« Gewiß, das sorgsam Ausgewogene unseres Politikbetriebs, perfekt vermittelt durch die Medien, mag maßvoll wirken, sogar unterhaltsam, gescheit und elegant. Dank der Gewaltenteilung und relativer Rechtssicherheit erscheint uns dies, Teilhabe versprechend, womöglich als hohe Schule demokratischer Kultur. Krysmanskis eindringlicher Blick hinter die Kulissen der Bühne aber zeigt: Gegen das, was sich seit fünf Jahren ökonomisch über unserem Kopf zusammenbraut, hilft zunächst allenfalls mehr Transparenz, mehr Kontrolle der Machteliten und die Bereitschaft zu Reformen; darunter eine Reichensteuer, die den Prozeß permanenter Umverteilung von unten nach oben wirksam bremst. Hans-Jürgen Krysmanski: »0,1 Prozent – das Imperium der Milliardäre«, West-end Verlag, 288 Seiten, 19,99 €
Erschienen in Ossietzky 9/2013 |
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