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Durch die Eventualität einer iranischen Atombombe? Oder durch eine israelische Politik, die mit Siedlungsbau in den besetzten Gebieten, mit Drangsalierung und Demütigung der palästinensischen Bevölkerung, mit Mauerbau und Häuserzerstörungen dafür sorgt, daß der Haß gegen Israel immer wieder neu geschürt wird, die Bedrohung also nicht aufhört? Während des Kalten Krieges war sich die NATO-Spitze völlig im klaren darüber, daß die Sowjetunion keinerlei Aggressionsabsichten gegenüber dem Westen hegte, sondern nur im Falle des Angegriffenwerdens zu resoluter Vorwärtsverteidigung entschlossen war, um nicht erneut den Krieg im eigenen Land zu haben. Dieses Wissen war eines der am strengsten gehüteten Geheimnisse im NATO-Hauptquartier in Brüssel, wie vor wenigen Jahren der DDR-Topspion Rainer Rupp alias »Topas« enthüllt hat: das Gefühl der Bedrohung durch Rußland mußte zur Durchsetzung politischer Ziele aufrechterhalten werden. Eine ähnliche Strategie scheinen die in Israel Regierenden zu verfolgen. Offenbar haben sie Ziele, die ihnen wichtiger sind als Frieden mit den Palästinensern, und meinen, diese Ziele am besten erreichen zu können, wenn Israel als das permanent in seiner Existenz bedrohte tapfere kleine Volk dasteht, das sich seiner Haut wehren muß und darum Anspruch nicht nur auf Solidarität hat, sondern auch auf Nachsicht mit seinen Völkerrechtsverstößen, die dann eben nicht aggressive Akte sind, sondern allenfalls Überschreitung der Notwehr. Aus Ben Gurions Tagebüchern geht hervor, daß er zur Zeit der Staatsgründung keinen Augenblick an eine ernsthafte arabische Bedrohung glaubte, es aber nützlich fand, die Angst vor dieser Bedrohung zu schüren, um jüdischen Kampfgeist zu wecken. Denn ernstgemeint war sein Satz: »Unser Ziel ist nicht ein jüdischer Staat in Palästina, sondern Palästina als jüdischer Staat.« Und schon vor der Staatsgründung war auf sein Geheiß damit begonnen worden, aus dem als israelisches Stammland vorgesehenen Landesteil eine Dreiviertelmillion Palästinenser mit Gewalt zu vertreiben und ihre Dörfer dem Erdboden gleich zu machen (die »Nakbah«, die Katastrophe, von der bis heute israelische Schulkinder nichts erfahren dürfen). Zwei Wege gab es für die immigrierten Juden in Palästina, das Problem zu lösen, daß das »Volk ohne Land« kein »Land ohne Volk« vorgefunden hatte: einen Verhandlungsfrieden zur gemeinsamen Nutzung des Landes und seiner Ressourcen oder militärische Gewalt zur Vertreibung ansässiger Palästinenser. Die Entscheidung für den Weg der Gewalt fiel in den innerzionistischen Debatten schon in den 1920er Jahren. Entsetzt schrieb Albert Einstein 1929 an Chaim Weizmann: »Sollten wir unfähig sein, einen Weg der ehrlichen Zusammenarbeit und der ehrlichen Vereinbarungen mit den Arabern zu finden, so haben wir absolut nichts gelernt aus unserem zweitausendjährigen Leiden und verdienen alles, was da auf uns zukommt.« Nach dem siegreichen israelischen Präventivkrieg von 1967, in dem sich Israel als unbesiegbar erwies, hätte es aus einer Position der Stärke Friedensverhandlungen führen können: Rückgabe der eroberten Gebiete gegen Sicherheitsgarantien. Der Abgeordnete Uri Avnery forderte das in der Knesseth, blieb aber damit allein; kein zweiter Abgeordneter schloß sich seinem Vorschlag an. Frieden mit Arabern war nicht vordringlich; vordringlich war der zionistische Traum von Erez Israel: ganz Palästina. Und alsbald begann der Siedlungsbau. Warum baut man Siedlungen in besetztem Land – »Siedlungen«, die zum Teil mittelgroße Städte sind, mit Universität und allem Drum und Dran? Um sie irgendwann wieder aufzugeben? Wer baut, will bleiben. Gerade während der Zeit des sogenannten Oslo-Prozesses wurde besonders intensiv gebaut. Heute leben gut 300.000 Siedler im Westjordanland und weitere 200.000 in Ostjerusalem und seinem Umland. Sie sind die Vorhut der Schritt für Schritt vorangetriebenen Annexion. Netanjahu knüpft nahtlos an die Politik seiner Vorgänger an. Und jeder neue Landraub wird damit begründet, daß er die Sicherheit Israels erhöhe. Wenn der Iran, was ungewiß ist, in absehbarer Zeit Atomwaffen haben sollte, nachdem Israel längst über solche Massenvernichtungsmittel verfügt, würde er sie wohl nicht gegen Israel einsetzen, weil sie auch Palästinenser töten und ihr Land unbewohnbar machen würden; das kann sich kein iranischer Machthaber, ob islamistisch oder nicht, erlauben. Das weiß auch Netanjahu. Und der nicht gerade als schlafmützig bekannte israelische Geheimdienst weiß selbstverständlich, daß die angeblichen antijüdischen Vernichtungsaufrufe des iranischen Präsidenten gezielte Fehlübersetzungen waren: Achmadinedschad hat nicht gesagt, der Staat Israel müsse von der Landkarte verschwinden, sondern das Besatzungsregime werde aus dem Buch der Geschichte verschwinden. Das stand inzwischen sogar schon in deutschen Mainstream-Zeitungen. Pures Theater sind darum auch Netanjahus Kriegsdrohungen gegen den Iran. Er erpreßt die Welt und empfiehlt sich innenpolitisch als starker Mann, wird aber seine unangefochtene Machtstellung nicht für ein unkalkulierbares Abenteuer mit verheerenden Folgen für sein Land riskieren. Und zählt darauf, daß die Erleichterung über den noch vermiedenen Krieg für Milde gegenüber weiterem Siedlungsbau sorgt. Nicht der Iran ist das Problem, sondern eine israelische Politik, die in den Abgrund führt. Denn auch wenn Israel seinem Ziel nahekommt, wenn es Ostjerusalem endgültig vereinnahmt und den größeren Teil des Westjordanlandes mit Siedlungen zugepflastert hat, wird es nicht mehr Sicherheit haben, sondern erst recht von Haß und von Ängsten der islamischen Welt bedroht sein. Und es wird sich endgültig in Militarisierung, Realitätsverleugnung und Entdemokratisierung verrannt haben. Es wäre deutsche Staatsräson im Sinne Merkels, Israel vor diesem Weg in die moralische und physische Selbstzerstörung zu bewahren. Deutschland muß in europäischer Kooperation alle politischen und wirtschaftlichen Druckmittel einsetzen, um Israel zu echter Friedensbereitschaft, also auch zum Verzicht auf seine territorialen Ambitionen zu drängen. Das deutsche Ja im Sicherheitsrat zur Verurteilung neuer Siedlungsprojekte war ein erster Schritt in die richtige Richtung.
Erschienen in Ossietzky 8/2013 |
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