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Wir sind ARD und ZDF dank Ihres Rundfunkbeitrages.« Sie alle, Claus Kleber, Tom Buhrow, Günther Jauch, Maybrit Illner, Petra Gerster und andere, wirken sympathisch, seriös, vertrauenerweckend. Was sie sagen, kann nur die reine Wahrheit sein. Selbstverständlich gehört auch Bettina Schausten zu diesem illustren Kreis. Erst kürzlich hat sie das in der Sendung »Berlin direkt« höchst überzeugend unter Beweis gestellt. Ihr Hauptthema war »Der Mindestlohn und die Wahlaussichten von Peer Steinbrück«. Nach ihren Worten entwickelt sich das Thema Mindestlohn zum Wahlkampfschlager. Zum Beweis ließ sie den Kovorsitzenden der Bundestagsfraktion der Grünen, Jürgen Trittin, die Kanzlerin Angela Merkel, den SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel und den Chef der FDP-Fraktion Rainer Brüderle ihre Standpunkte vortragen, um zu schlußfolgern: »Alle reden irgendwie von einem Mindestlohn ... Die Kanzlerin setzt auf [ein] bewährtes Rezept, den Gegner lähmen durch Themenklau. Der Mindestlohn ist solch ein Thema ... Die Sozialdemokraten sind alarmiert.« Wie sehr, zeigt daraufhin Steinbrück, der nachdrücklich erklärt, daß seine Partei es nicht zulassen werde, sie »so auszusteuern«. Sodann darf der frischgebackene sozialdemokratische Ministerpräsident von Niedersachsen, Stephan Weil, in einem ausführlichen Interview die SPD-Position darlegen, denn »jeder Arbeiter muß von seiner Arbeit leben können«. Insgesamt ein sehr informativer Beitrag mit einem kleinen Schönheitsfehler: Die Linke kommt mit keiner Silbe zu Wort, obwohl sie es war, die sich vor Jahren schon erdreistete, gemeinsam mit Gewerkschaften das Thema flächendeckender Mindestlohn gegen den Widerstand auch der SPD auf die politische Tagesordnung zu setzen, und nicht müde wurde, dafür zu streiten. Nun hat sie auch den Kanzlerkandidaten Steinbrück, dem jeder »Themenklau« selbstredend fern liegt, so sehr überzeugt, daß dieser ein Halbstündchen nach der Schausten-Sendung in der »ARD-Tagesschau« voller Stolz erklären konnte: »Wir sind das Original, wir sind das Original mit einem flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn, und die anderen werden fummelig und eifern uns nach, weil sie merken, da passiert was.« Er muß es wissen, schließlich hat er in den letzten Jahren mit seinen Vortragskünsten gezeigt, wie ein solcher Lohn auszusehen hat. Wenn es um die gewöhnlichen Arbeitnehmer ging, vertrat der für eigene »Beinfreiheit« Streitende eine ganz andere Position. Als Bundesfinanzminister hatte er bereits 2005 in seinem Ministerium ein Positionspapier erarbeiten lassen, in dem die Argumente gegen den Mindestlohn zusammengefaßt sind. Der Spiegel, der das in Erfahrung gebracht hatte, konstatierte: »In der Öffentlichkeit hält er sich noch bedeckt. Hinter den Kulissen jedoch kämpft Bundesfinanzminister Peer Steinbrück mit großer Energie gegen die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns.« Folgerichtig stellte er im Jahr darauf fest: »Im übrigen bin ich skeptisch, was die Einführung eines gesetzlichen, flächendeckenden Mindestlohns angeht. Ich sehe einfach nicht, wie der funktionieren soll.« Mit seiner Position stand Steinbrück in seiner Partei keineswegs allein. Bereits 2004 hatte Gerhard Schröder, damals noch Bundeskanzler, durch seinen Regierungssprecher Bela Anda erklären lassen, daß die Regierung keinen Anlaß zur Einführung gesetzlicher Mindestlöhne in Deutschland sehe, und der SPD-Wirtschaftsminister Wolfgang Clement bezeichnete einen generellen Mindestlohn als nicht nötig, denn für die Höhe der Löhne seien die Tarifparteien verantwortlich. Lange Zeit hatte die SPD, für die ihr jetziger Spitzenkandidat das »Original«-Patent reklamiert, die Forderung der PDS/der Linken nach Einführung eines Mindestlohnes zurückgewiesen. Als die linke Partei im April 2002 erstmals im Bundestag einen Antrag zur »Einführung eines existenzsichernden gesetzlichen Mindestlohns« einbrachte, lehnte ihn die SPD gemeinsam mit den anderen Fraktionen strikt ab. Das Gleiche wiederholte sich im Januar 2006. Dann geschah das Wunder. Als der DGB auf seinem Bundeskongreß einen gesetzlichen Mindestlohn in Höhe von 7,50 Euro pro Stunde fordert, startete die SPD kurz danach im März 2007 eine Unterschriften-Aktion für einen gesetzlichen Mindestlohn. Als jedoch die Linke einen Antrag in den Bundestag einbrachte, der wortwörtlich die Forderung aus der SPD-Aktion aufgriff, stimmte die SPD selbst ihrem eigenen Text nicht zu. Nun allerdings stehen wieder einmal Bundestagswahlen bevor, und plötzlich entdecken alle Parteien ihre Liebe zu einem Mindestlohn, er wird zum »Wahlkampfschlager«, also wie die US-Amerikaner sagen, zum »campaign song«, den, urteilt man nach der »Berlin direkt«-Sendung, offenbar die Linke nicht mitsingt. In Wahrheit tritt die Partei weiterhin beharrlich für diese Lohnuntergrenze, mittlerweile für zehn Euro pro Stunde, ein, weil anderenfalls Altersarmut unausbleiblich würde. Das zu verschweigen war eine journalistische Glanzleistung. Aber gehen wir mit der Frau Schausten nicht zu hart ins Gericht, sie ist ja nur die Chefin des Hauptstadtstudios des ZDF, eines Senders, in dessen Nachrichten die Linke 15 mal weniger als zum Beispiel die Grünen vorkommen. Und außerdem ist die ein wenig unterschiedliche Behandlung der Haltung der SPD und der Linken zum Mindestlohn nur ein kleines Beispiel für die objektive Inland-Berichterstattung unserer öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten. Es ist auch immer wieder eine Freude, zu hören und zu sehen, wie ausgewogen die Moderatoren und die Auslandskorrespondenten zum Beispiel über die Menschenrechtslage in Rußland, China und in Saudi-Arabien berichten, wie beharrlich sie Unrecht und Willkür anprangern, denen die Tibeter und der Dalai Lama, die Kurden und Abdullah Öcalan ausgesetzt sind, wie konsequent sie sich für die Freiheit von Michail Chodorkowski, Julia Timoschenko und der Cuban Five einsetzen. Nein, alles, was recht ist, Claus Kleber, Tom Buhrow und die anderen eingangs genannten Medienkoryphäen sorgen gemeinsam mit ihren Intendanten dafür, daß wir »verläßlich«, »präzise« und »umfassend« informiert werden. Dafür gebühren ihnen großer Dank und die GEZ-Gebühr (neuerdings »Rundfunkbeitrag« genannt).
Erschienen in Ossietzky 7/2013 |
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