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Als längst nicht genügend gewürdigte wissenschaftliche Krönung der Feministischen Theologie im deutschsprachigen Raum darf sich die von einem großen, nicht nur aus Frauen bestehenden Kollektiv erarbeitete »Bibel in gerechter Sprache« (erschienen 2006) betrachten, die die kanonisch gewordene Übersetzung des Dr. Martin Luther einer gründlichen philologischen Überprüfung unterwarf. Sie konnte nicht nur frauenfeindliche und antisemitische Passagen korrigieren, sondern hob auch die von Luther vorgenommene Vereinheitlichung der Gottesbezeichnung auf. Die Kommentare zur »Bibel in gerechter Sprache« machten sichtbar, wo die Gottesbezeichnung in den älteren jüdischen Textteilen wegen des Verbots, den Namen des Welterschaffers zu nennen, ganz fehlte und auch, wo er in weiblichen Metaphern verborgen war wie zum Beispiel Henne oder Amme. Daß sich friedenspolitische Positionen als organische Konsequenz aus der Feministischen Theologie ergeben, zeigte sich spätestens in den neunziger Jahren, als im Ergebnis der Popularisierung der Feministischen Theologie viele Basisinitiativen in Erscheinung traten, in denen Frauen mit christlichem, jüdischem und islamischem Hintergrund gemeinsame Kolloquien veranstalteten. In Opposition zum sich schnell zur Kriegsatmosphäre aufputschenden Clash of Civilizations traten diese Frauen in der Kritik ihrer jeweiligen religiösen Traditionen gemeinsam gegenüber einem Patriarchat auf, das seinerseits gemeinsame Wurzeln im abrahamitischen Erbe des alten Testaments hat. Es war kein Zufall, daß diesen Aktivitäten nach dem 11. September die öffentliche Unterstützung entzogen wurde. Da auch die Kirchen, denen die Frauen intern durchaus größere Mitwirkungsrechte abgetrotzt hatten, an solcherart nach außen wirkenden feministischen Friedensinitiativen nicht sonderlich interessiert waren, konnte man sie im öffentlichen Raum immer weniger wahrnehmen. Ist diese Tendenz umzukehren? Kann die Feministische Theologie wieder an Einfluß gewinnen? Diese Aufgabe stellt sich jedenfalls eine von Stefanie Schäfer-Bossert und Elisabeth Hartlieb herausgegebene Anthologie, in der neuere, noch wenig bekannte Theologinnen zu Worte kommen, die das klassische feministisch-theologische Forschungsgebiet aktualisieren und damit auch erweitern. Das geht nicht, ohne erneute entschiedene Infragestellung des kirchlichen Establishments. Sabine Plonz analysiert die Widersprüchlichkeit der Behauptung, daß Religion Privatsache sei, Staat und Kirchen aber dennoch nicht nur gemeinsame soziale Werke unterhalten, sondern auch oft zusammen an der politischen Konsensbildung arbeiten. Das wird unter anderem dann fatal, wenn sich staatliche und kirchliche Islamfeindlichkeit gegenseitig potenzieren. Im Ergebnis kann das die Fremdenfeindlichkeit erhöhen und beispielsweise zur Diskriminierung islamischer Frauen führen, denen man angeblich eigentlich helfen wollte. Plonz erinnert daran, daß das von der Bibel projizierte Reich Gottes konkret gegen Pharaonen- und Cäsarenherrschaft gerichtet gewesen war. Deshalb müsse es eine »zentrale Aufgabe der Theologie, einschließlich der feministischen« sein, »kontextsensibel gegen ihre herrschaftsstabilisierende Privatisierung und gegen ihre ohnmachtsstabilisierende Politisierung anzudenken.« Eske Wollrad arbeitete den auch in der biblischen und der Kirchengeschichte erkennbaren Zusammenhang der Herabstufung weiblicher, kolonisierter und behinderter Körper heraus, die einem normativen Menschenbild (weiß, männlich, nicht behindert) entgegengesetzt wurden. Das widerspricht, wie Ulrike Aura ausführt, einem modernen, humanistischen Menschenbild ebenso wie die sowohl in der Bibel als auch in heutigen Kirchenkreisen noch weit verbreitete Ablehnung queerer Lebensformen. Von hier führt der Beitrag der beiden Herausgeberinnen in ein ökologisch-holistisches Denken, das seinen religiösen Bezugspunkt in dem Bund sieht, den Gott in der Welterrettung durch die Arche Noah nicht nur mit den Menschen, sondern auch mit den Tieren und den Elementen schloß. Besonders bemerkenswert sind auch die Beiträge, die die Verweiblichung des Kirchenpersonals kritisch begutachten. Rajah Scheepers schließt sich der Meinung der Altbischöfin Bärbel Wartenberg-Potter an, daß ein Mann in der Situation Margot Käßmanns sicher nicht von seinen Funktionen zurückgetreten wäre, denn »was bei einem Mann als Kavaliersdelikt gewertet worden wäre, wurde zum öffentlichen Tribunal«. Scheepers Frage, ob sich der unbestreitbare »binnenkirchliche Strukturwandel für Frauen als Durchsetzung frauenbezogener Inhalte in der Theologie oder als Siegeszug der Feministischen Theologie niedergeschlagen« habe, beantwortet Annette Mehlhorn mit ihrem Beitrag zur Pfarrhausdebatte eher skeptisch. Die teilweise Verweiblichung des Pfarramts habe unter den zunehmenden Sparbemühungen vor allem dazu geführt, die traditionelle weibliche Fähigkeit des Sorgens auszunutzen, indem das Amt mit immer mehr Verwaltungs- und sogar Hausmeisteraufgaben belastet wurde. Pfarrerinnen sollen »als geistliche Allround-Mamas und -managerinnen den kirchlichen Auftrag erfüllen UND den notwendigen kirchlichen Umbruch geistlich verantwortet gestalten. Ein ›Esel‹, der derart beladen wird, hat in der Tat – egal welchen Geschlechts – höchstens in Nacht- und Urlaubszeiten noch Zeit, theologisches und geistliches Profil zu pflegen.« Stefanie Schäfer-Bossart, Elisabeth Hartlieb (Hg.): »Feministische Theologie. Politische Theologie. Entwicklungen und Perspektiven«, Ulrike Helmer Verlag, 251 Seiten, 29,95 €
Erschienen in Ossietzky 6/2013 |
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