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Mir scheint es angebracht, der triefenden Mitleidsmache entgegenzutreten, dem Geschwätz zahlreicher prominenter Schleimbeutel. Frau Schavan hat ein Mandat als Bundestagsabgeordnete. Daher fließt ihr nun bis zur Parlamentsneuwahl wieder die volle Diät zu: monatlich 7.668 Euro (plus steuerfreie Aufwandsentschädigung 4.029 Euro sowie 250 Euro Krankenversicherungszuschuß, die wir hier aber mal unbeachtet lassen wollen). Mutmaßlich wird sie diese Regalien auch in den vier Jahren nach der Wahl im September haben, da bereits von der CDU ihres Wahlkreises Alb-Donau/Ulm als Direktkandidatin nominiert und auf der Landesliste abgesichert. Von März 2013 an streicht sie trotz ihres unehrenvollen Rücktritts vom Ministeramt noch ein schönes Übergangsgeld ein. Seine Höhe orientiert sich am Ministergehalt, denn im § 14 des Gesetzes über die »Rechtsverhältnisse der Mitglieder der Bundesregierung (Bundesministergesetz)« heißt es ohne Rücksicht auf eventuell anrüchige Gründe eines Amtsverzichts: »... (1) Ein ehemaliges Mitglied der Bundesregierung erhält von dem Zeitpunkt an, in dem seine Amtsbezüge aufhören, Übergangsgeld. (2) Das Übergangsgeld wird für die gleiche Anzahl von Monaten gezahlt, für die der Berechtigte ohne Unterbrechung Amtsbezüge als Mitglied der Bundesregierung erhalten hat, jedoch mindestens für sechs Monate und höchstens für zwei Jahre ... (3) Als Übergangsgeld werden gewährt 1. für die ersten drei Monate das Amtsgehalt ... in voller Höhe, 2. für den Rest der Bezugsdauer die Hälfte dieser Bezüge ...« Schavan war 89 Monate Bundesministerin (September 2005 bis Februar 2013). Das macht wieviel? Dazu lesen wir in § 11 des Bundesministergesetzes: »... (1) Die Mitglieder der Bundesregierung erhalten vom Beginn des Kalendermonats an, in dem das Amtsverhältnis beginnt, bis zum Schluß des Kalendermonats, in dem das Amtsverhältnis endet, folgende Amtsbezüge: a) ein Amtsgehalt, und zwar ... die Minister in Höhe von eineindrittel des Grundgehalts der Besoldungsgruppe B 11 einschließlich zum Grundgehalt allgemein gewährter Zulagen ...« – die wir im weiteren ebenfalls großzügig außer Betracht lassen wollen. Es kommt auch so genug zusammen: Besoldungsgruppe B 11 bedeutet derzeit monatlich 12.360,14 Euro. Eineindrittel davon sind 16.480,18 Euro. Zusammen mit der Abgeordnetendiät macht das in den ersten drei Monaten nach dem Rücktritt für Schavan jeweils 24.148,18 Euro an Basisbezügen. Hinzu kommt eine erkleckliche Aufwandsentschädigung, aber auch die bedenken wir hier nicht weiter. In den Folgemonaten verringert sich das Übergangsgeld dann zwar um 8.240,09 Euro. Aber zusammen mit der Diät bleiben der Frau immer noch 15.908,09 Euro. Satter Dank aus der Staatskasse. Monat für Monat, bis einschließlich Februar 2015 – rein hypothetisch. Annette Schavan wird volle zwei Jahre Übergangsgeld einstreichen. Es sei denn, sie würde nach der Septemberwahl von Kanzlerin Merkel erneut ins Kabinett berufen. Auszuschließen ist das nicht. Gewiß ist nur, daß »die angesehenste Bildungspolitikerin Deutschlands« nicht vor Hunger den Kitt aus dem Fenster fressen muß. Nicht einmal, wenn sie nach Februar 2015 als einfache Bundestagsabgeordnete weitermacht: 7.668 plus steuerfreie Aufwandsentschädigung sind ja kein Pappenstiel. Und falls Schavan in Rente geht, winken ihr die Abgeordneten-Versorgung und eine saftige Ministerpension von insgesamt rund 15.000 Euro monatlich. Nach dem Blick auf die beruhigende Finanzlage der Frau noch ein zweiter, und zwar unter den Blumenteppich, den ihr die Sprecher des bürgerlichen Lagers webten. Als Ministerin hat Schavan eine bildungspolitische Pleite nach der anderen eingefahren, Stichworte: Turbo-Abitur, Ausbildungsplatzmisere, BAföG-Elend. Unvergessen auch ihr borniertes Eintreten für Studiengebühren und ihre wirtschaftsfreundliche Fürsprache für Grüne Gentechnologie. Es ging ihr eben um die generelle Unterordnung des Bildungssystems unter Unternehmerinteressen nach dem neoliberalen US-amerikanischen Vorbild. Nachzulesen ist die Strecke ihrer Minusleistungen auf Albrecht Müllers Website NachDenkSeiten. Jens Blecker, Betreiber des Blogs Infokrieger-News.de, geht seit Monaten – und bisher vergeblich – den Gründen nach, weshalb der Kölner »FrauenMediaTurm«, eine von Alice Schwarzer initiierte und geführte Spezialbibliothek für Frauenliteratur, Steuergelder in Millionenhöhe aus Berlin bekam und wie diese Fördermittel eigentlich verwendet wurden. Blecker berichtet, er habe glaubhafte Hinweise darauf, daß Ministerin Schavan Beziehungen zu Alice Schwarzers Netzwerk unterhielt, in dem nach deren Aussage »Spitzenpolitikerinnen aller Parteien« kungelten, darunter auch Ministerinnen. Blecker: »Im Zuge unserer Recherchen ... konfrontierten wir das Büro der Ministerin. Einmal mit schweren Vorwürfen gegen das Ministerium und dann gegen die Ministerin selbst ... Bis heute ist man uns die Antworten schuldig geblieben.« Alice Schwarzer, anläßlich ihres 70. Geburtstags interviewt, plauderte immerhin aus, in dem besagten Netzwerk habe man »so manches ausgekocht«. Mit demokratischen Normen und Ansprüchen an finanzielle Transparenz ist derlei freilich unvereinbar. Mir ist Frau Schavan jedoch aus gänzlich anderem Grunde in übler Erinnerung. In Ossietzky 7/09 schrieb ich unter dem Titel »Gegen das Volk gerüstet«: »Auch Forschungsministerin Annette Schavan denkt offenbar an Bürgerkrieg. Statt die Ursachen sozialer Unruhen untersuchen und fundierte Konzepte zur Abhilfe entwickeln zu lassen, setzt sie auf das staatliche Gewaltmonopol. Es riecht penetrant nach pseudowissenschaftlichen, vorsorglichen Begründungsversuchen für Einsätze mit ›finalem Rettungsschuß‹: Schavan vereinbarte im März mit US-Heimatschutzministerin Janet Napolitano ›wissenschaftliche und technologische Zusammenarbeit‹. Vertragsgegenstände sind Methoden zum ›Aufspüren von Bedrohungen der zivilen Sicherheit‹, der ›Schutz von kritischen Infrastrukturen und Schlüsselressourcen‹ sowie ›Krisenreaktion, Folgenmanagement und Schadensbegrenzung bei folgenschweren Ereignissen‹.« Ähnliche Verträge schloß Schavan mit Frankreichs Sarkozy und mit Israels Netanyahu. Wozu Wissenschaftspolitik eben so pervertiert wird. Trotzdem will ihr die Universität Lübeck nun einen Ehren-Doktorhut aufsetzen, in »Anerkennung besonderer Verdienste um die Wissenschaft« und unter Applaus der SPD. Schavan hatte sich 2010 – politisch – für den Erhalt der Medizinerausbildung in Lübeck eingesetzt. Dafür bekommt sie nun das Prachtstück aus dem akademischen Devotionalien-Laden. Einen Widerruf darf und kann sich die kleine Universität Lübeck wohl nicht erlauben. Erlaubt aber hat sie sich einen Schlag ins Gesicht derjenigen, denen an wissenschaftlicher Unabhängigkeit und ehrlicher Forschung gelegen ist. Schavan wurde wegen erwiesenen geistigen Diebstahls der Doktortitel entzogen. Vergleichen wir mit der Lebensmittelverkäuferin »Emmely«: Der wurde fristlos gekündigt, weil sie angeblich einen achtlos weggeworfenen Kassenbon im Wert von 1,30 Euro eingelöst hatte. Vergleichen wir mit der fristlosen Entlassung des Müllwerkers Mehmet, der ein eisernes Kinderbettchen aus dem Sperrmüll zog und es vor aller Augen – er hielt sein Handeln für zulässig – einpackte, um es für sein Kind mit nach Hause zunehmen. Hierzulande verlieren Arbeiter wegen Diebstahls selbst geringwertiger Güter ihre Existenzgrundlage. Eine nach aufgedecktem Gedankenklau abtretende Ministerin jedoch hofiert man und vergoldet ihr den Hintern. De mortuis nil nisi bene, über Tote soll man nur in guter Weise reden. Frau Schavan ist aber noch sehr lebendig und politisch nicht mal scheintot. Sie bleibt uns als Volksvertreterin erhalten. Das kommt uns teuer zu stehen, noch teurer aber ihre ministeriellen Fehlleistungen. Der Wunsch nach sauberen politischen Verhältnissen ist eben schwerer zu befriedigen als das Bedürfnis, sich nach dem Fall Schavan gründlich die Hände zu waschen.
Erschienen in Ossietzky 5/2013 |
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