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Es gibt einen Campact-Newsletter, der fast achthunderttausend politisch interessierte Menschen miteinander verbindet. Die Kommunikation läuft über Twitter, Facebook, E-Mail, und es kann online zu den einzelnen Debatten abgestimmt werden. Sämtliche virtuellen Möglichkeiten werden, so scheint es, grenzenlos genutzt, um politische Themen zu transportieren und ein daraus folgendes Protestbedürfnis zu kanalisieren und zu steuern. Protestverhalten in den 1970er bis 1990er Jahren in Westdeutschland: Der Eiserne Vorhang teilt Ost und West in Gut und Böse, und die Gesellschaft ist von großen politischen Themen berührt und bewegt: Vietnamkrieg, Reaktorkatastrophen in Three Mile Island und Tschernobyl, Stationierung von Atomwaffen, Volkszählung, faktische Abschaffung des Asylrechts, Kampfeinsatz von Bundeswehrsoldaten im Kosovo-Krieg. Daraus folgend entwickelt sich ein bunt-lebendiges Protestverhalten, und es werden vielfältige Formen gewaltfreier und zivil ungehorsamer Aktionen praktiziert: Demonstrationen, Sit-ins, Besetzungen, Entzäunungsaktionen und Sitzblockaden. Um für die Protestaktionen zu mobilisieren, gibt es entsprechende Aufrufe, über die als sogenannte Aufrufe zum Ungehorsam jahrelang leidenschaftlich vor Gericht gestritten wird. Jene Aufrufe spiegelten gesellschaftspolitische Konfliktszenarien wider, in denen Vertreter außerparlamentarischer Gruppen wie auch einzelne Bürger im Protest gegen umstrittene staatliche Vorhaben zu demonstrativem Widerstand und zu Verweigerungsverhalten aufgerufen haben. So gab es Aufrufe zur Teilnahme an Sitzblockaden gegen Atomwaffen, Aufrufe zum Volkszählungsboykott, Aufrufe zur Entzäunung eines Abschiebegefängnisses und zur Entzäunung des US-Kommandozentrale in Stuttgart, Aufrufe zur Fahnenflucht der US-Soldaten in Vietnam und der Bundeswehrsoldaten im Kosovo, um nur einige Konfliktfelder zu nennen. Die Aufrufe wurden als Flugblätter verteilt, und sie wurden in szeneinternen Publikationen veröffentlicht. Aus heutiger Sicht muß ein solches Protestverhalten unweigerlich als antiquiert wahrgenommen werden, aber in handylosen und offlinen Zeiten ohne Twitter und Facebook war eine Mobilisierung für Proteste anders kaum möglich. Juli 2011 in Hamburg: Das Nachrichtenmagazin Der Spiegel meldet, daß der Bundessicherheitsrat am 27. Juni 2011 die Ausfuhr von mehr als 200 Leopard-2-Panzern nach Saudi-Arabien grundsätzlich gebilligt habe. Bereits wenige Tage später beschäftigt sich der Bundestag in einer Fragestunde mit dem Thema, und es folgen Anträge der Oppositionsparteien, um den Waffendeal zu verhindern. Diese Anträge scheitern an der Mehrheit der Regierungsparteien, die immer wieder die besondere Bedeutung von Saudi-Arabien als strategischem Partner betont. Zudem wird stereotyp darauf verwiesen, daß allein der Bundessicherheitsrat über solche Waffenexporte zu entscheiden habe, daß dieser geheim tage und es strafbar sei, entsprechende Informationen zu veröffentlichen. Die Regierungsparteien wollen das Thema offenbar aussitzen und hüllen einen sprichwörtlichen Mantel des Schweigens über das in Rede stehende Panzer-Geschäft mit Saudi-Arabien. Juli 2012 in Düsseldorf und München: Vor den Werkstoren von Rheinmetall (Düsseldorf) und Krauss-Maffei Wegmann (München) – beide Rüstungsfirmen bilden die Waffenschmiede für den Leopard-2-Kampfpanzer – werden Flugblätter an die Mitarbeiter verteilt, um sie zu Boykott- und Sabotagehandlungen gegen Leopard-2-Lieferungen an Saudi-Arabien aufzufordern. Der Aufruf informiert über die Hintergründe des geplanten Waffendeals und über einen damit unweigerlich einhergehenden Verstoß gegen das Außenwirtschaftsgesetz, das Kriegswaffenkontrollgesetz sowie die Parlamentarischen Grundsätze zum Waffenexport, zu deren Einhaltung sich die Bundesregierung selbst verpflichtet hat. Abschließend werden die Mitarbeiter beider Rüstungsfirmen aufgefordert, ihren informationellen Einblick in die betrieblichen Prozeßabläufe jenes Waffendeals zu nutzen, um ihn für die Öffentlichkeit durchschaubar zu machen. Die Reaktion der Justizbehörden bleibt nicht lange aus: Die Staatsanwaltschaft München läßt die Flugblätter beschlagnahmen und am 10. Dezember 2012, dem Tag der Menschenrechte, erläßt das Amtsgericht München einen Strafbefehl wegen des Verdachts der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten (§ 111 StGB), in dem es heißt: »Sie beabsichtigten hierdurch, die Mitarbeiter der Firma Krauss-Maffei Wegmann dazu zu bringen, zur Durchsetzung Ihrer politischen Ziele Straftaten zum Nachteil ihres Arbeitgebers zu begehen, insbesondere durch die von Ihnen intendierten Handlungen die Straftatbestände des Ausspähens von Daten (§ 202 StGB), der Datenveränderung (§ 303 StGB) und des Verstoßes gegen das Urhebergesetz (§ 17 I UWG) zu erfüllen. Sie werden daher beschuldigt, öffentlich durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) zu einer rechtswidrigen Tat aufgefordert zu haben, strafbar als öffentliche Aufforderung zu Straftaten nach § 111 StGB.« 14. Februar 2013 in München: Vor dem Amtsgericht München wird eine Gerichtsverhandlung um ein provozierend-ungehorsames Flugblatt stattfinden, das so gar nicht in das heutige Protestverhalten zu passen scheint. Dabei wird es um die Frage gehen, ob der Export von Leopard-2-Panzern an Saudi-Arabien legal wäre und ob es einen rechtlichen Schutz für illegale Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse geben kann. Der Schweizer Bundesrat hat sich aus Menschenrechtsgründen gerade gegen einen Waffenexport an Saudi-Arabien ausgesprochen! Informationen hierzu: Hermann.Theisen@t-online.de
Erschienen in Ossietzky 4/2013 |
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