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Er weiß, wovon er spricht: Als Jugendlicher entkam er – als Flüchtling vor den deutschen Nazis in Ungarn lebend – 1943 dem Holocaust, indem er sich mit 50 weiteren Angehörigen des sozialistisch-zionistischen Jugendverbandes Haschomer Hazair ins damalige britische Mandatsgebiet durchschlug. Pfeifer zeichnete ein anschauliches Bild der gegenwärtigen politischen Verhältnisse in Ungarn. Die Orban-Regierung kann mit ihrer Politik eines entschlossenen Abbaus innergesellschaftlicher Liberalität und ihrem Flirt mit Antisemitismus und Zigeunerfeindlichkeit auf historischen Kontinuitäten aufbauen und sich der Zustimmung eines erheblichen Teils der Bevölkerung sicher sein. Rechts neben dieser Regierung existiert die militante Oppositionspartei »Jobbik« die offen an die »Pfeilkreuzler«, eine nationalsozialistische ungarische Bewegung der 1930er und 40er Jahre anknüpft. Ihr zur Seite steht die neue »Ungarische Garde«, eine Schlägertruppe, die besonders die ungarischen Roma auch physisch bedroht. Obwohl sie als Parteimiliz 2009 offiziell verboten wurde, treibt sie bis heute weitgehend unangefochten ihr Unwesen. Angesichts der massiven Verschlechterung der Lebensbedingungen breiter Teile der ungarischen Bevölkerung müsse man die Politik Orbans als »Klassenkampf von oben« bezeichnen, so Pfeifer. Zu den Verlusten an Demokratie kommen massive soziale und ökonomische Rückschritte. Dennoch sei aufgrund der Zerstrittenheit der ungarischen demokratischen Opposition nicht mit einer Abwahl der Regierung zu rechnen. Ein zentrales Projekt der Regierung Orban ist die Rehabilitierung des Horthy-Regimes der Zwischenkriegszeit, auf dessen autoritäre, ungarisch-völkische und judenfeindliche Politik lange vor der Besetzung Ungarns durch Nazideutschland Pfeifer hinwies. Miklós Horthy habe bereits vor dem Einmarsch der Deutschen seine Zustimmung zur Deportation von Juden aus der ungarischen Provinz in das Vernichtungssystem der Nazis gegeben. Horthy aber werden im heutigen Ungarn Monumente und Ehrentafeln auf Dorfplätzen und in Schulen gewidmet. Pfeifer zitierte aus den jüngsten Reden Viktor Orbans. So sprach Orban am 27. September in Ópusztaszer anläßlich der Einweihung eines Monumentes, das einen Turul darstellt. Dieses raubvogelartige Fabelwesen steht für den mythischen Ursprung des Ungarntums und wird oft mit einem Schwert in den Klauen in der Heraldik ungarischer völkischer Gruppen und Faschisten wie den Pfeilkreuzlern und heute Jobbik verwendet. Orban dazu: »Der Turul ist ein Urbild, das Urbild der Ungarn. Wir werden in es hineingeboren, so wie wir in unsere Sprache und Geschichte hineingeboren werden. Von dem Augenblick an, wo wir als Ungarn auf die Welt kommen, schließen unsere sieben Stämme den Blutbund, gründet unser heiliger Stephan den Staat ..., der Turul aber ist das Symbol der nationalen Identität der jetzt lebenden, der schon gestorbenen und der erst noch auf die Welt kommenden Ungarn ... Wer die Zeichen der Zeit zu lesen vermag, der kann sie lesen. Eine Welt neuer Gesetze kommt auf den europäischen Kontinent zu. Das erste Gebot dieser im Entstehen begriffenen neuen Welt lautet: Die Starken vereinigen sich, die Schwachen zerfallen, das heißt, die Angehörigen starker Nationen halten zusammen, die der schwachen Nationen laufen auseinander. Ich wünsche jedem Ungarn, daß er Ohren haben möge zu hören und daß er die Zeichen lesen möge.« In diesem Kontext steht auch die Unterdrückung der Roma. Deren formale Gleichberechtigung ist seit 1945 auf dem Papier garantiert, doch keine Obrigkeit versuchte ernsthaft, die Probleme dieser Bevölkerungsgruppe wirklich zu lösen – das gilt auch für alle ungarischen Regierungen seit der Wendezeit. Die gegenwärtige rechte Hetze unter dem Schlagwort »Zigeuner-Kriminalität« hat dazu geführt, daß sich nur rund 120.000 Roma bei der letzten Volkszählung als solche bekannt haben, tatsächlich sind es EU-Schätzungen zur Folge jedoch zwischen 600.000 und 800.000 Menschen, sechs bis acht Prozent der gesamten ungarischen Bevölkerung. Pfeifer informierte über die aktuelle Bedeutung der ungarischen politischen Szene für deutsche und österreichische Neonazis, die in Ungarn zum Beispiel ungehindert Wehrsportübungen abhalten können. Rassistische »Garden« sind europäisch vernetzt.
Erschienen in Ossietzky 25/2012 |
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