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Die Fachgruppe war erst kurz zuvor gegründet worden und mit ihren 30 Mitgliedern damals eine winzige Minderheit unter den geschätzten 6000 kirchlichen MitarbeiterInnen im Großraum Hannover. Dennoch: Ihr bloßes Dasein beunruhigte die Kirchenleitung, und ihre Forderung, gewerkschaftliche Rechte, zum Beispiel Tarifabschüsse und das Streikrecht, auch in den Bereich der Kirchen und in ihre sozialen Einrichtungen Diakonie und Caritas einzuführen, erschien den hohen Herren als ein Angriff auf den höchsten Wert des Luthertums, Luthers Gehorsams-ethik. Im »Kleinen Katechismus« wird sie in seiner Erklärung zum vierten Gebot mit einfachen Worten festgelegt, die jeder Konfirmand und jede Konfirmandin bis zum heutigen Tage lernen muß: »Wir sollen Gott fürchten und lieben, daß wir unsere Eltern und Herren nicht verachten noch erzürnen, sondern sie in Ehren halten, ihnen dienen, gehorchen, sie lieb und wert haben.« Ausführlicher entwickelt Luther im »Großen Katechismus«, der für Lehrer und »Pfarrherrn« geschrieben ist, letztere darauf bis heute amtsverpflichtet, wie der Gehorsam gegen »Oberpersonen« zu vermitteln ist: Man müsse ihn, so befiehlt er, »dem jungen Volk einbläuen«; wenn es sich dann immer noch nicht daran hält, so solle man es dem »Henker und Streckebein«, gemeint: dem Folterer, überantworten. In dieser mittelalterlichen »Ständeordnung« mit ihrer schwarzen Pädagogik hat eine Gewerkschaft, haben demokratische Rechte, auch das Grundgesetz (GG), keinen Platz, auch wenn wir in jenem Verhör die Kirchenjuristen auf Artikel 9, Absatz 3 GG hinwiesen: »Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig.« Dazu die Rechtsgelehrten der Kirche: »Die Gewerkschaft hat in unserer Kirche nichts verloren. Das sehen unsere Mitarbeiter auch so. Sie fühlen sich in unserer Dienstgemeinschaft sehr wohl.« Und zu der Möglichkeit eines Streiks in der Kirche belehrten sie uns: »Wenn Sie der wartenden Gottesdienstgemeinde das Abendmahl als Ausdruck Ihres Streikes verweigern, dann ist das ein Fall für ein ›Amtszuchtverfahren‹«, wie damals im Jargon kaiserlicher Konsistorialjuristen das Disziplinarverfahren gegen kirchliche Amtsträger noch genannt wurde. »Wir empfangen unsere Aufträge direkt von oben; wir können dabei keinen Streik dulden« – das war die göttliche Botschaft vor 40 Jahren, die die Amtskirchen in langen Rechtsauseinandersetzungen bis in die jüngsten Tage hinein verteidigten – genaugenommen 18 der derzeitig 20 Landeskirchen innerhalb der EKD. Nun hat das Bundesarbeitsgericht diese Botschaft außer Kraft gesetzt, teilweise jedenfalls. Am 20. November hat es verkündet: Auch den 1,3 Millionen Kirchenbediensteten steht das Recht auf Arbeitskämpfe zu. Nach dem klaren Wortlaut des Art. 9, Abs. 3 GG konnte es auch gar nicht anders entscheiden. Allerdings: Gleichzeitig wurde auch die »kirchliche Dienstgemeinschaft« (»Dritter Weg«) bestätigt, in der die Gewerkschaft nun mitarbeiten kann, dann allerdings das Streikrecht verliert. So wie die eindeutige Aussage im GG Art. 140 (aus Art. 137 Weimarer Verfassung, »Es besteht keine Staatskirche«) durch die folgenden Artikel mit erheblichen Privilegien für die Großkirchen – fast – wieder verschwindet, so daß von einer »hinkenden Trennung von Staat und Kirche« gesprochen wird, so muß man nun wohl bis auf weiteres auch von einem »hinkenden Streikrecht« für kirchliche MitarbeiterInnen sprechen. Doch das wird nicht so bleiben. Sie können und werden es in Auseinandersetzungen mit ihren Arbeitgebern nutzen, um deren Herrschaft nach Patronatsherrenart zu erschüttern. Sie werden es nutzen, wenn sie weiterhin in ihrer privaten Lebensführung bevormundet werden, zum Beispiel im Fall einer Scheidung, oder wenn sie aufbegehren gegen ungerechte Entlohnung, etwa durch Lohndumping, oder die längst überfällige Bildung von Betriebsräten verlangen und so weiter. Das »hinkende Streikrecht« muß zum Laufen gebracht werden! Dieser »Kirchenkampf« wäre zugleich ein Beitrag zur Demokratisierung der Gesellschaft, in der es schließlich auch zu einer vollständigen Trennung von Staat und Kirche kommt, und das wird in unserer »schnellebigen Zeit« sicherlich keine weiteren 40 Jahre dauern.
Erschienen in Ossietzky 25/2012 |
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