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Stolz sollen die Frachtschiffe – nicht ohne Glasperlen sowie Waffen geliefert zu haben, damit sich die überflüssigen Menschen da unten gegenseitig wegräumen – dort alles wegholen, was sich irgendwie gewinnbringend verkaufen läßt. Navigare necesse est, wie schon die alten Römer sagten. In den vergangenen 200 Jahren haben sich vor allem die USA darauf verstanden. Wenn sich jemand widersetzt und sich etwa erkühnt, in eigenem Interesse die terms of trade mitbestimmen zu wollen, muß er wegen dieses Frevels gegen das Evangelium – oder wegen Verstoßes gegen die Menschenrechte, das ist gewöhnlich nur ein anderes Wort für die gleiche Sache – mit Sanktionen rechnen. Kuba zum Beispiel wird seit Jahrzehnten boykottiert, obwohl die Vollversammlung der Vereinten Nationen regelmäßig fast einstimmig die USA auffordert, diesen Wirtschaftskrieg gegen den Inselstaat zu beenden. Jeder militärische regime change begann mit einem Embargo. Jahrelang verhinderten die USA Lieferungen nach Jugoslawien, Irak, Libyen, Syrien, Myanmar und anderen Staaten – mit zumeist schrecklichen Folgen für die Zivilbevölkerung. Ähnlich treibt es die Europäische Union mit Weißrußland. Da aber über die Folgen nicht öffentlich gesprochen wird, nehmen wir sie hin. Vor allem die Grünen hierzulande verbreiten die Lehre, zur Durchsetzung von Menschenrechten seien Handelsblockaden ein gutes, friedliches Mittel, dem gerade auch Gegner sogenannter militärischer Konfliktlösungen zustimmen müßten. Früher oder später folgen dem wirtschaftlichen Druck, weil er allein den Sieg noch nicht gebracht hat, dann doch die Bomben. Das ist im wesentlichen schon alles, was man zum Thema Freihandel wissen sollte. Eckart Spoo The same procedure as last year? – Mit der gleichen Regelmäßigkeit, mit der bundesdeutsche Fernsehanstalten am Silvesterabend »Dinner for one« ausstrahlen, verurteilen die Staaten der Welt einige Wochen zuvor in der Generalversammlung der Vereinten Nationen die US-Blockade gegen Kuba. Am 13. November steht in New York die Resolution »Notwendigkeit der Beendigung der von den Vereinigten Staaten von Amerika gegen Kuba verhängten Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade« erneut zur Abstimmung. Das Ergebnis wird sich vermutlich nicht von dem der Vorjahre unterscheiden. Im vergangenen Jahr hatten 186 Länder für die Forderung gestimmt. Die von US-Hilfen wirtschaftlich abhängigen Zwergstaaten Marshallinseln, Mikronesien und Palau enthielten sich. Nur die USA und Israel stellten sich gegen den Rest der Welt. Nirgendwo sonst demonstrieren die Vereinigten Staaten von Amerika ihr imperiales Selbstverständnis und ihre Verachtung der übrigen Welt so deutlich wie am Beispiel der seit 50 Jahren aufrechterhaltenen Blockade gegen das kleine Entwicklungsland Kuba, dessen Bevölkerung unter den umfassendsten, schwerwiegendsten und am längsten anhaltenden Sanktionen leidet, die je gegen ein Land angewandt wurden. Erste Handelsbeschränkungen hatte Präsident Dwight D. Eisenhower schon 1960 – zwei Jahre vor Beginn der totalen Blockade – verhängt, als Kuba die Enteignung aller US-Konzerne auf der Insel ankündigte. Nach der mißglückten Invasion in der Schweinebucht im April 1961 untersagte Präsident John F. Kennedy dann am 7. Februar 1962 sämtliche Handelsbeziehungen zwischen den USA und Kuba. Zwei Wochen später wurde die Einfuhr von Produkten auch aus Drittländern verboten, wenn ein Rohstoff dafür aus Kuba kam. Seit Oktober 1962 dürfen Schiffe, die die sozialistische Insel anlaufen, für mindestens sechs Monate nicht in einem US-Hafen festmachen. Auch ist es den »freien Bürgern« der USA seit Februar 1963 bei Strafe verboten, nach Kuba zu reisen. In den letzten 20 Jahren wurden die Bestimmungen weiter verschärft. Seit 1992 sind die Blockadebeschlüsse als »Cuban Democracy Act« in einem Bundesgesetz festgeschrieben. Mit dem »Helms-Burton-Gesetz«, das Präsident Bill Clinton 1996 unterzeichnete, werden unter anderem ausländischen Bürgern und Firmen Sanktionen angedroht, wenn sie in Wirtschaftsgüter investieren, auf die US-Bürger Besitzansprüche erheben. Nach diesem Gesetz kann die Blockade außerdem nur ausgesetzt oder aufgehoben werden, wenn in Kuba ein Systemwechsel stattfindet. Als Ziel aller Maßnahmen war in einem Memorandum der US-Regierung vom 6. April 1960 »das Provozieren von Enttäuschung und Entmutigung durch wirtschaftliche Not« vorgegeben worden. Konkret soll das »Verbot von Lieferungen und Geldzahlungen die Ökonomie schwächen, zu sinkenden Einkommen führen, Hunger, Elend und Verzweiflung erzeugen und so zum Sturz der Regierung beitragen«. Diese Ziele bestimmen bis heute die Kuba-Politik der USA. Barack Obama, der im Wahlkampf 2008 noch seine Bereitschaft zum Dialog mit Kuba signalisiert hatte, brach auch dieses Versprechen. Weder das offensichtliche Scheitern der Blockade noch Appelle wie von dem ehemaligen US- Präsidenten Jimmy Carter, von Papst Benedikt XVI. oder UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon veranlaßten den mit dem Motto »Change« angetretenen einstigen Hoffnungsträger zur Änderung der restriktiven Politik. Im Gegenteil: Seit Obama Präsident ist, wurde die Blockade nochmals verschärft und ihre Umsetzung auch in Drittländern massiv vorangetrieben. Der Friedensnobelpreisträger läßt zur Durchsetzung von US-Interessen nicht nur in Afghanistan, Pakistan, Libyen, Syrien oder im Irak unbeteiligte Bürger töten. In Kuba sollen verstärkte Sanktionen und der gleichzeitige massive Aufbau einer inneren »Opposition« das System schwächen. Angesichts der immer wichtiger werdenden Rolle Kubas im Bündnis der sich emanzipierenden Staaten Lateinamerikas und der Karibik hat die Destabilisierung des Landes für Washington einen hohen Stellenwert. Wie im Nahen und Mittleren Osten leidet auch hier vor allem die Zivilbevölkerung. Der Wirtschaftskrieg der USA gegen Kuba trifft besonders Alte, Kranke und Kinder, wie einige aktuelle Beispiele aus dem Gesundheitswesen zeigen. Am 10. Oktober informierte José M. Ballester, der Generaldirektor des Instituts für Hämatologie und Immunologie, in der Zeitung Granma darüber, daß die Verschärfung der Blockade den Import von Medikamenten für Kinder mit akuter Leukämie erheblich einschränke. Die US-Regierung habe darüber hinaus Arzneimittelspenden US-amerikanischer Hilfsorganisationen so stark erschwert, daß eine angemessene Behandlung der Kranken immer schwieriger werde. Die Kranken haben Gesichter und Namen: Guillermo Domínguez Díaz (16 Jahre), Ivis Palacio Terry (18), Randy Barroso Torres (17) und Adrian Izquirdo Cabrera (12) zum Beispiel sind nach komplizierten Amputationen an ihre Betten gefesselt, weil spezielle Prothesen aus den USA nicht geliefert werden dürfen. Die krebskranken Kinder Mariá Amelia Alonso Valdés (2), Damián Hernández Valdés (4) und Dayán Romayena Lorente (12) müßten mit dem Medikament Temodal therapiert werden. Da es US-Patenten unterliegt und nicht nach Kuba exportiert werden darf, sind ihre Überlebenschancen gering. Das sind nur einige Beispiele dafür, wie die Blockade Menschenrechte auf Kuba verletzt und Menschen tötet. Im Namen der Patienten und aller Landsleute, die unter den Folgen der US-Politik leiden, hatte Kubas Außenminister Bruno Rodríguez Parrilla vor einem Jahr in der UN-Generalversammlung mit Erfolg um Unterstützung für den Antrag zur Beendigung der Blockade gebeten. Es besteht kein Zweifel daran, daß die in den Vereinten Nationen repräsentierten Völker der Welt auch in diesem Jahr dem Antrag Kubas zustimmen werden. Es besteht allerdings leider auch kein Grund zu der Hoffnung, daß die USA und ihr Vasall Israel den Willen der Völker respektieren werden. Wahrscheinlicher ist, daß sie sich am 13. November erneut gegen den Rest der Welt stellen. – The same procedure as every year.
Erschienen in Ossietzky 22/2012 |
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