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Mitgeliefert wurde eine Statistik weltweiter »Krisen« (unschwer hier als Umschreibung für Kriege erkennbar), deren Grafikkurve zu Beginn der »Krise« Kurseinbrüche und im weiteren Verlauf steile Aufschwünge verzeichnete. Herr Maschmeyer und ein weiterer »Experte« stützten die Anlageempfehlung in dem Beitrag. Selten hört man es so klar aus der sauberen Industrie-Etage unserer Klassengesellschaft: Krisen sind gut, wir brauchen sie, um die »Wirtschaft« anzukurbeln. Und wortwörtlich: »Bei Schwäche zugreifen. Wenn sich dann die ersten Lichtblicke am Horizont zeigen, werden europäische Aktien wie eine Rakete abgehen.« (Der Aktionär, Börsenpflichtblatt 32/12, S. 14) Wer in Krisenzeiten investiert, gewinnt! Ich hatte schon 1998, auf dem Kriegsparteitag der Grünen Brechts »Mutter Courage« zitiert: »Kriege führen die Leute wegen dem Gewinn!« Doch eine Mehrheit der Bevölkerung geht noch immer jedem angeführten »humanitären« Kriegsgrund auf den Leim, wo die Medien einen Bösewicht nach dem anderen aus dem Hut zaubern. Dabei bedeutet die Börsenblattempfehlung doch nichts anderes als: Kriege bringen den Aufschwung, denn nach der Zerbombung muß das Land wieder aufgebaut werden, und auch eine um 50 Prozent verringerte Bevölkerung wird wieder kaufen müssen, wenn sie alles verloren hat. An anderer Stelle resümiert der illustre Professor, daß europäische Aktien im Süden »extrem heruntergeprügelt« worden seien, daß das für ihn aber unter den Begriff »Einkaufsmöglichkeit« falle, und ergänzt: »wenn Griechenland abbröckeln würde, wäre mir das ganz recht, denn letztlich gehört dieses Land nicht in die Eurozone« (ebenda, S. 15). Ich weiß nicht warum, aber wenn man von Interessen spricht und wie die Klassen sie jeweils durchsetzen und wen sie dafür angestellt haben, stößt man häufig auf Unverständnis, besonders wenn man von den Interessen der herrschenden Finanzmonopolmagnaten spricht. Die Parlamentarier sind nun mal von ihnen abhängig, sie können nichts ohne sie. Sartre hat das in seinem Roman »Räderwerk« meisterhaft beschrieben: Kaum hatte sich der nach einer Revolution neugewählte Präsident auf dem halb verrußten Stuhl seines Vorgängers niedergelassen, trat schon ein Ölmagnat durch eine Seitentür ein und stellte seine Bedingungen, ohne deren Erfüllung der arme Mann keinen weiteren Tag regieren kann. Wenn also eine Volksmeinung erzwingt, daß man Energie sparen sollte, um das Polkappenschmelzen aufzuhalten, so erhöhen die Energiegesellschaften eben ihre Preise und der Staat vergibt hochenergieverschwenderische Aufträge. Das Wachstum muß erhalten, muß beschleunigt werden, egal ob es die Pole abschmelzt, Kriege entfesselt, Krebs über Land und Leute bringt. Das ist das Chaos des Kapitalismus, einer sich selbst immer wieder zerstörenden Wirtschaftsform, die man auch als staatlich gefördertes Verbrechertum betrachten könnte und die momentan sogar schon dabei ist, Teile ihrer bürgerlichen Schichten und die ihrer Unterstützer zu verringern. Das sind gefährliche Zeiten, dann drohen Kriege nicht nur in den Absatz- und Rohstoffländern, dann drohen sie unter den kapitalistischen Staaten selbst und gefährden unser bequemes Drohnendasein. Konkurrenz belebt das Geschäft – sagt man, in diesem Fall facht sie Kriege an. Wo werden demnächst »Kanonen donnern«? Die Börsenblattabonnenten reiben sich schon die Hände. Momentan wird der Süden Europas vom Norden ausgepreßt und erwürgt, in den Zeitungen verbreitet man, es werde Geld verschenkt. Das kommt einer systematischen Aufreizung zum Kriege gleich, denn was wird diesen Ländern schließlich anderes übrig bleiben? Den Deutschen, versteht sich, wird dann wieder erfolgreich eingeredet werden, sie seien angegriffen worden, und selbstverständlich müssen sie sich dann wieder wehren mit großem Trara. Wenn daraus dereinst der Dritte Weltkrieg entstanden sein wird, will es wieder niemand vorausgesehen haben. Die Ruhe hierzulande gleicht einem Lähmungszustand, der dumm und kalt macht, weil man dumm und kalt sein muß, um das alles nicht wahrnehmen zu müssen. Die einzigen, die offen nach Kanonen rufen, sind die Max Ottes, die Parlamentsberater der Börsenszene. Da gibt es nur eins: Entmachtung der Börse, Entflechtung der Konzerne, Banken in die Hände des Volkes!
Erschienen in Ossietzky 22/2012 |
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