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Dabei ist es einfach nur konsequent, nach Barack Obama den Preis auch einem europäischen Kriegsherren oder gleich der gesamten Europäischen Union (EU) zu verleihen. Der US-Präsident hat unmittelbar nach der Preisverleihung den Krieg in Afghanistan durch Verdreifachung des Truppenkontingents intensiviert, in den folgenden Jahren den Drohnenkrieg im pakistanischen Grenzgebiet eskaliert und im Verein mit Frankreich, Großbritannien und anderen Verbündeten Libyen angegriffen. Und stets war der neue Friedensnobelpreisträger direkt oder indirekt, durch Mitgliedsstaaten, beteiligt. In drei, vier Jahren könnten die Vereinigten Staaten von Amerika als Preisträger folgen. Das wäre nur fair. Schließlich haben die 50 US-Staaten seit 1865 keinen Krieg mehr gegeneinander geführt, und letztlich kopieren die tonangebenden europäischen Mächte nur das Erfolgsrezept, das den Nordamerikanern den Weg zur weltweiten Vormachtstellung ebnete: Kriege nur noch auswärts zu führen und das eigene Territorium vor Hungerleidern und sonstigen unliebsamen Störenfrieden abzuriegeln. Über den Militärpakt NATO eng verwoben marschieren EU und USA dabei meist im Gleichschritt. Die diesjährige Preisvergabe steht auch noch in einer weiteren Tradition: Schon oft war der Friedensnobelpreises allein dafür verliehen worden, daß Staaten langjähriges Morden, Quälen und Zerstören einstellten – so 1973 an Henry Kissinger und 1993 an den Apartheidspolitiker Frederik Willem de Klerk – oder zumindest versprachen, es zu tun, wie 1978 Menachem Begin oder 1994 Schimon Peres und Jitzchak Rabin. SprengstoffAuszeichnung von Wissenschaftlern und ein Friedenspreis – das ist die eine Nobelgeschichte. Es gibt die andere: Mit der Erfindung des Dynamits schuf Alfred Nobel die Grundlage für einen international verzweigten Unternehmenskomplex in der Rüstungsbranche. Im Deutschen Kaiserreich gehörte dazu die Dynamit Nobel Aktiengesellschaft, 1865 in Geesthacht bei Hamburg angesiedelt. Die Firma machte rasch Karriere im Militärgeschäft, der Erste Weltkrieg wurde vorbereitet. Nach 1918 mußte sie sich zeitweilig zivilen Produkten zuwenden, nach 1933 ging es wieder aufwärts im Waffenmarkt. Im Zweiten Weltkrieg war die deutsche Dynamit Nobel AG die größte Rüstungsfabrik in Europa, zigtausende von Kriegsgefangenen und KZ-Häftlingen wurden hier als billige Arbeitskräfte eingesetzt. Einer Zwangspause nach 1945 folgte erneut der Einstieg in die Rüstungsproduktion, die westdeutsche Remilitarisierung machte ihn möglich. Nun übernahm dieses Nobelgeschäft der Flick-Konzern. Nach dessen Zerfall sorgte die Deutsche Bank für Kontinuität, ausländische Investoren kamen ins Spiel, und weiter ging es bei Dynamit-Nobel – unter anderem mit der Produktion von Landminen. Eine Unternehmensgeschichte, die noch nicht zu Ende ist – Sprengstoffe sind nach wie vor begehrt, und der rüstungstechnologische Fortschritt ist gewinnträchtig. Peter Söhren Das Nobelkomitee, geführt vom früheren norwegischen Regierungschef und jetzigen Generalsekretär des Europarates, Thorbjørn Jagland, setzt dem nun mit dem neuen Preisträger nur noch die Krone auf. Im Kern nach wie vor eine Wirtschafts-, Industrie- und Handelsgemeinschaft, dient der Zusammenschluß der Europäischen Union nicht zuletzt auch dazu, die inneren Widersprüche der europäischen Mächte beherrschbar zu machen – jedoch, um nun zusammen und umso mächtiger die gemeinsamen Interessen der herrschenden Kreise im Innern und im Rest der Welt durchzusetzen. Schon die Gründung der Europäischen Union 1992 ging einher mit der Intervention in einen Nachbarstaat. Sie endete mit der Zerschlagung Jugoslawiens. Die – auf deutschen Druck durchgepeitschte – vorschnelle Anerkennung der Unabhängigkeit von Kroatien und Bosnien-Herzegowina führte vorhersehbar in verheerende Bürgerkriege und kulminierte 1999 im 78tägigen Bombardement Serbiens. Der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder bezeichnete diesen von EU- und NATO geführten Krieg im April 1999 – den albanischen Schriftsteller Ismail Kadaré zitierend – als »Gründungsakt« der von ihm durchweg »Europa« genannten Europäischen Union. Seither zählt der Ausbau eigener militärischer Kapazitäten zu den vorrangigen Zielen der Gemeinschaft. Dazu dienen unter anderem der Aufbau einer Interventionstruppe von 60.000 Soldaten, die Aufstellung schneller Kampfverbände (»Battle Groups«) und die Schaffung von Transportkapazitäten, um sie mitsamt Kriegsgerät innerhalb kurzer Zeit auch weit entfernt zum Einsatz bringen zu können. Die Rüstungsexporte der Union übersteigen inzwischen die der USA. Ihr Anteil am weltweiten Geschäft mit dem Tod lag, wie das Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI anläßlich der Preisverleihung meldete, zwischen 2007 und 2011 mit 32 Prozent zwei Prozent über dem der militärischen Vormacht. Sechs der zehn Top-Exporteure – Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Spanien, die Niederlande und Italien – sind Mitgliedstaaten der EU. Im Verein mit den USA und der NATO will man gegen Rußlands und Chinas Atomwaffenarsenale einen »Raketenabwehrschirm« schaffen – einen Schild, der die eigenen atomaren Schwerter wieder besser nutzbar machen soll. Die Befehlshaber der EU schließen dabei den Ersteinsatz von Atomwaffen so wenig aus wie Friedensnobelpreisvorgänger Barack Obama. Der Vertrag von Lissabon verpflichtet alle Mitgliedstaaten zur ständigen »Verbesserung der militärischen Fähigkeiten«. Folgerichtig hat die Europäische Union auch die Außen- und Militärpolitik in einem Amt vereint. Damit soll sichergestellt werden, so die Regierungschefs auf ihrer Ratssitzung im September 2010 in Brüssel, daß »alle einschlägigen Instrumente und Politiken der EU und der Mitgliedstaaten vollständig und auf kohärente Weise […] im Dienste der strategischen Interessen der Europäischen Union eingesetzt werden«. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel drückte die Zielsetzung der EU in ihrer Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2004 – ein knappes Jahr nach dem Beginn des Irakkrieges – noch deutlicher aus: »Die zentrale außenpolitische Zielsetzung lautet, Politik und Handeln anderer Nationen so zu beeinflussen, daß damit den Interessen und Werten der eigenen Nation gedient ist. Die zur Verfügung stehenden Mittel reichen von freundlichen Worten bis zu Marschflugkörpern.« Der kurioser Weise immer noch recht angesehene »Friedensnobelpreis« ist schon lange eine Karikatur – wir sollten ihn auch als solche behandeln.
Erschienen in Ossietzky 22/2012 |
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