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Bisher mußten ihre öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten im Jahr mit 7,7 Milliarden Euro, Werbeeinnahmen nicht gerechnet, auskommen. Davon haben sie, um nur Beispiele zu nennen, Tagesschau und Tagesthemen, die politischen Magazine Monitor und Panorama, die nahezu täglichen Talkshows, die Konfektionskrimis wie »Ein Fall für zwei« und die »Rosenheim Cops«, die bezaubernden Unterhaltungssendungen wie »Der Musikantenstadel« und »Das Traumschiff« zu finanzieren. Schwer zu Buche schlagen auch die 2,35 Milliarden Euro Pensionszahlungen für ehemalige Chefs und Mitarbeiter. Nicht zu vergessen sind die jährlichen Zahlungen an sich selbst, die aufgrund der angespannten Kassenlage höchst spärlich ausfallen. So müssen sich zum Beispiel die verdienstvollen Intendanten des Bayerischen Rundfunks mit 310.000 Euro, des Westdeutschen Rundfunks mit 308.000 Euro und des ZDF mit 290.000 Euro begnügen. Die ob ihrer politischen Neutralität hochgeschätzte Intendantin des Rundfunk Berlin-Brandenburg erhält gar nur 220.000 Euro. Kein Wunder also, daß allein die ARD für die Periode von 2013 bis 2016 einen Mehrbedarf von 900 Millionen und ZDF von 429 Millionen errechnet und bei der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs angemeldet haben. Nachdem diese Forderungen bisher abgelehnt wurden, sieht es nun ganz so aus, daß zwar nicht die gewünschten Maximalbeträge, aber immerhin beträchtliche Zuschläge bewilligt werden. Wenn das kein Grund zur Freude ist! Auch die Polit-Talker können sich Hoffnung machen, für ihre kurzweiligen Sendungen vielleicht doch mehr einstreichen zu können. Das gilt auch für den höchstbezahlten Günther Jauch. Er hat für seine Sonntagabend-Talkshow einen festen Vertrag, für den jährlich 10,5 Millionen Euro hingeblättert werden müssen. Das bringt ihm und seiner Firma pro Sendeminute 4.487 Euro ein, womit er Anne Will, die pro Minute 3.164 Euro einspielt, nicht nur vom besten Sendeplatz verdrängt, sondern auch finanziell um Längen geschlagen hat. Auch wenn Jauchs Vertrag bis 2014 gilt, so können er und seine Talkmaster-Kollegen sich doch Hoffnung machen, daß diese jämmerlichen Summen wenigstens mit einem Inflationsausgleich aufgebessert werden. Grund für Hoffnung und Vorfreude ist ein Staatsvertrag, ein »Rundfunkänderungsstaatsvertrag«, nun schon der fünfzehnte, der auf Antrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks von den 16 Ministerpräsidenten und Parlamenten der Länder ausgehandelt und beschlossen wurde. Danach wird die Rundfunk- und Fernsehgebühr ab dem 1. Januar 2013 nicht mehr pro Gerät sondern pro Haushalt, ungeachtet davon, ob dieser über einen Rundfunk- oder Fernsehempfänger verfügt oder nicht, in Höhe von monatlich 17,98 Euro erhoben. Erarbeitet wurde das neue geniale Modell von dem bekannten Steuer-Bierdeckel-Spezialisten, dem Heidelberger Professor Paul Kirchhof. Es gefiel den Parteien so gut, daß sie ihm, mit Ausnahme der uneinsichtigen, dem Gerechtigkeitswahn verfallenen Linkspartei, einhellig zustimmten. Pflicht und Ehre, die GEZ-Reform, mit der aus der Gebühr eine Haushaltsabgabe, de facto eine Steuer wird, zu verkünden, fielen dem Vorsitzenden der Rundfunkkommission und rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck (SPD) zu. Über die finanziellen Auswirkungen machte er keine präzisen Angaben. Das überließ er ausnahmsweise dem medienpolitischen Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Burkhardt Müller-Sönksen, der ARD und ZDF ein sattes Plus von 1,2 bis 1,6 Milliarden Euro pro Jahr voraussagte. Nun endlich kann die finanzielle Not gemildert und der Aufschwung beider Sendeanstalten eingeleitet werden. Neben den normalen Gebührenzahlern trägt dazu ein Teil der Bürger und Bürgerinnen in einem besonderen Maße bei. Das sind zum einen die sogenannten Funk- und Fernsehmuffel, die partout auf solche Geräte verzichten, und nun, da sie wohl oder übel in einem Haushalt leben, zur Kasse gebeten werden. Zum anderen ist es die Gilde der GEZ-Sheriffs, die nach nichtangemeldeten Radios oder Fernsehern spähten, aber nun nicht mehr benötigt und ihren Arbeitsplatz verlieren werden. Zukünftig bezieht die Gebühreneinzugszentrale ihre Angaben aus den Melderegistern und hat neben den beträchtlichen Personaleinsparungen so ganz nebenbei den Zugriff auf Vor- und Familiennamen, Doktorgrad, gegenwärtige und frühere Anschrift, Tag der Geburt, Haupt- und Nebenwohnung, Tag des Ein- oder Auszugs, Familienstand sowie Sterbetag. Nicht nur Datenschützern läßt das die Haare zu Berge stehen. Den mit Abstand größten Beitrag zur finanziellen Frischzellenkur aber leisten die Besitzer von Wochenendhäusern, im russifizierten Osten zumeist Datschen genannt, und Lauben, die größer als 24 Quadratmeter sind und in Kleingartenanlagen liegen. Unabhängig davon, ob sie mit Rundfunk- oder Fernsehgeräten ausgestattet sind oder nicht, ob sie nur an Wochenenden oder wie meist nur in den Sommermonaten genutzt werden, gelten ihre Unterkünfte wie bereits ihre Wohnungen neuerdings als »Haushalte«, für die ebenfalls die volle Jahresgebühr in Höhe von 215,76 Euro zu entrichten ist. Damit dürfen die Inhaber von Datschen und größeren Lauben die doppelte GEZ-Gebühr, also jährlich insgesamt 431,52 Euro, zahlen. Während der 15. »Rundfunkänderungsstaatsvertrag« von den Chefs der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten und den Parteien, den rosaroten, den schwarzen, den gelben und den grünen, mit Erleichterung und Zustimmung aufgenommen wurde, melden sich wie stets bei Neuerungen auch einige Nörgler und Miesmacher. Zu ihnen zählt der Verband der Deutschen Grundstücksnutzer (VDGN). Nach heftigen Protesten hat dieser gar eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingereicht, in der er die »Doppelbelastung der saisonalen Nutzer von Wochenendbungalows und Lauben [...] »nicht nur als ungerecht, sondern auch in höchstem Maß als unsozial und unrealistisch« bezeichnet. Schließlich könnten auch Wochenendler nur einmal fernsehen, entweder in der Wohnung oder im Wochenendbungalow beziehungsweise der Laube. Viele Betroffene haben sich der Beschwerde inzwischen angeschlossen. Auf einen bemerkenswerten Umstand gehen die VDGN-Beschwerdeführer allerdings nicht ein, nämlich darauf, daß die Doppelgebühr zumeist die Gebührenzahler in der dahingeschiedenen DDR, noch immer neue Bundesländer genannt, betrifft, denn Datschen und Lauben, die größer als 24 Quadratmeter sind, gibt es vor allem östlich von Elbe und Werra. In der Altbundesrepublik durften Lauben bekanntlich diese Größe nicht überschreiten. Aber was soll es? Endlich werden Hunderttausende Ostler einmal bevorzugt. Sie sehen in ihren Datschen und Lauben vor allem in den Sommermonaten fern, wenn ARD, ZDF und die Landessender, von Ausnahmen abgesehen, bereits früher gesendete Filme, Krimis und Serien, die beliebten »Best of«-Sendungen nicht zu vergessen, bis zum Erbrechen zum wiederholten Maße ausstrahlen. Schon allein deshalb ist es nur allzu gerecht, daß für diese Dopplung eine doppelte Gebühr anfällt. Hinzukommt, daß sie einmal nicht, wie zum Beispiel bei Renten und Löhnen, als Bürger 2. Klasse, sondern als Bürger der Sonderklasse behandelt werden, denen das Privileg zuteil wird, eben in einem besonderen Maße zur Finanzierung von Funk und Fernsehen beizutragen. So ist es wahrlich kein Wunder, daß sie sich am heftigsten auf die neue Rundfunkgebühr freuen und von allen die schönste Vorfreude empfinden.
Erschienen in Ossietzky 19/2012 |
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