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Ihnen reitet auf einem weißen Esel ein kleiner afghanischer Junge entgegen. Über dem ersten Panzerwagen flattert die grüne Flagge der ISAF, der im Dezember 2001 hauptsächlich von den NATO-Staaten gestellten »Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe«. Auch dieser Begriff täuscht Positives vor und verdeckt die blutige Seite einer seit über zehn Jahren dauernden imperialen Kriegs- und Besatzungspolitik. Der Titel »Wave and Smile« stammt von Schildern, die zu Beginn des Krieges am Ausgang der ISAF-Feldlager standen. Sie forderten die Soldaten auf, die afghanische Bevölkerung freundlich zu behandeln, in Wirklichkeit vertuschten sie aber die immer offener zutage tretenden Kriegsverbrechen der kolonialen »Schutztruppen«. Die fiktive Geschichte handelt vorrangig von drei Personen: dem Bundeswehrhauptmann Chris Menger, dem Hauptfeldwebel Marco sowie der als »embedded journalist« tätigen Fotografin Anni. Sie hat den Beschuß und die Notlandung eines deutschen Hubschraubers mitzuverantworten, weil sie nach Fotoaufnahmen in einem Dorf zu spät zum Landeplatz kam und sich der Abflug der Maschine deshalb erheblich verzögerte. Bei dem Angriff der Taliban kam ein Mann von Mengers Zug ums Leben. Menger, Marco, Anni und weiteren Überlebenden des Zuges gewährt ein ehemaliger Milizenführer der Nordallianz mit Kontakten zur CIA Schutz und Hilfe in einem seiner Dörfer. Doch die Taliban greifen auch dieses Dorf an, wobei Anni zunächst gefangengenommen, dann freigeschossen wird. Über den Tod von Taliban-Kämpfern geht die Erzählung kommentarlos hinweg. Hauptfeldwebel Marco wird nach diesem Gefecht vermißt. Auf eigene Faust sucht Hauptmann Menger nach dem verschleppten Kameraden und tut alles, bis er ihn unversehrt im amerikanischen Gefangenenlager in Bagram wiederfindet. Diese Befreiungsaktion füllt die letzten siebzig Seiten des Buches. Ihre Botschaft lautet: Nichts ist wertvoller als das Leben eines Bundeswehrsoldaten. Die Kämpfer der Gegenseite sind dagegen »Arschlöcher«, »Schmutzfüße« und »Scheiß-Ziegenficker«. Parallelen zu Spielbergs Film »Der Soldat James Ryan« sind nicht zu übersehen. Die beiden identischen Landkarten auf den ersten und letzten Seiten zeigen hauptsächlich den Nordosten Afghanistans mit den Provinzen Kundus, Balch, Tachar, Badachschan sowie den deutschen Stützpunkten Masar-e Scharif, Kundus und Faisabad, jeweils gekennzeichnet durch einen Turm, auf dem die deutsche Flagge weht – als gehörte das ganze Gebiet zu Deutschland. Kein Hinweis auf die Gegenseite oder gar auf die Sozialstruktur des Landes. Einseitig auch das erklärende Wörterverzeichnis, das sich unter anderem auf den US-amerikanischen, den pakistanischen und den deutschen Geheimdienst bezieht, nicht aber auf das politische System des besetzten Landes. Parteiisch auch die Auswahl der benutzten Quellen: zahlreich die Berichte deutscher Soldaten nach ihrem Kriegseinsatz, kein einziger Bericht der um ihre Unabhängigkeit kämpfenden Afghanen. Das Dankwort des Autors bestätigt den Eindruck, daß er seine Informationen und Fotos vor allem vom Pressezentrum des »Einsatzführungskommandos der Bundeswehr« in Potsdam und dem »Bundesministerium der Verteidigung« bekommen hat. Die Parteilichkeit wird zudem auf zahlreichen ganzseitigen Zeichnungen deutlich: Vier deutsche Transportpanzer rollen durch eine Stadt, deren Einwohner sich davon anscheinend gar nicht beeinflussen lassen; sie sind ohnehin nur Statisten, dem Geschehen passiv ausgeliefert (S. 37). Zwei deutsche Kampfhubschrauber fliegen als Zeichen ihrer Lufthoheit über eine menschenleere Gebirgslandschaft (S. 52), einer von ihnen muß nach einem Taliban-Beschuß notlanden (S. 71, 72), ein deutsches Aufklärungsflugzeug kontrolliert aber das Geschehen am Boden (S. 98) und gibt amerikanischen Kampfjets den Befehl, die »Insurgents« auszuschalten, was dann auch geschieht (S. 122), wobei deren Opfer nicht gezeigt, geschweige denn gewürdigt werden. Fotos von drei toten Bundeswehrsoldaten hingegen hängen in großen Goldrahmen mit schwarzem Trauerflor im Dienstzimmer von Hauptmann Menger (S. 13). Bevor ihre Särge nach Deutschland geflogen werden, bekommen sie eine Militärparade (S. 24, 25). Ein sinnloses Zeremoniell in einem Land, in dem deutsche Soldaten nichts zu suchen haben, weil sie dort nicht die Sicherheit der Bundesrepublik verteidigen, wohl aber mithelfen, Afghanistan zu zerstören. Arne Jysch: »Wave and Smile«, Carlsen Verlag, 200 Seiten, 24,90 €
Erschienen in Ossietzky 18/2012 |
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