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Immer häufiger, so klagen sie angewidert, würden sie nicht nur getreten, gebissen und beleidigt, sondern auch angespuckt – von Verdächtigen, Drogenabhängigen, Betrunkenen, Festgenommenen oder Abzuschiebenden. Besonders häufig komme das bei Razzien in der Drogenszene und bei Festnahmen vor. Solches Verhalten sei früher eher die Ausnahme gewesen. Man kennt es aus der Tierwelt etwa von Lamas, die ebenfalls spucken, um sich zur Wehr zu setzen: So schlug zum Beispiel in Straubing ein Lama, das mit seinem »Herrchen« spazierenging, einen Kampfhund erfolgreich in die Flucht – mit seiner Spucke. Wer nun nicht etwa aggressive Kampfhunde, sondern Polizeibeamte bei ihrer Vollzugstätigkeit bespuckt, überschreite eine Grenze – dies sei beleidigend, ekelhaft, im Zweifel aber auch ansteckend und gesundheitsgefährdend, argumentiert die GdP. Über den Speichel würden hoch infektiöse Bakterien und Keime, beispielsweise Hepatitis-Viren transportiert. So erzählt ein Bremer Polizeibeamter aus eigener Erfahrung im Streifendienst: »Kaum am Einsatzort werden wir körperlich attackiert. Wir hatten eine Person, die hatte TBC. Der Herr erzählte es uns freudestrahlend. Als wir ihn in Gewahrsam nehmen mußten, kippte die Stimmung, und er fing sofort an zu spucken. Ein tolles Gefühl. Kein Einzelfall.« Um Polizeibeamte in solchen Situationen, die häufig auch zu Handgreiflichkeiten und Gewalteskalation führen, vor Spuck-Attacken wirksam zu schützen und das Gesundheitsrisiko zu minimieren, müsse unverzüglich eine Lösung her, fordert die GdP. Tatsächlich kein leichtes Unterfangen, denn die lieferbaren Spuck- oder Schutzhauben-Modelle sind alles andere als modisch-schick und menschenwürdig. Da gibt es etwa eine Kapuze aus antibakteriellem Kunststoff, die vorn geschlossen ist, oder ein blau-weißes Modell aus festem Stoff, das über den Kopf bis zur Schulter des mutmaßlichen Delinquenten gezogen wird. Darunter könnte der Betroffene, man kann es sich lebhaft vorstellen, durchaus Platzangst bekommen oder in Panik geraten. Schon rein optisch kommt bei Kopfhauben für Gefangene unwillkürlich die schreckliche Assoziation zu Guantanamo-Häftlingen auf – auch wenn es sich bei Spuckhauben um etwas anderes handeln soll, weil sie nicht der Desorientierung, Diskriminierung, Schikane oder gar Folter dienen, sondern einem anderen, defensiven Zweck. Allerdings mit Nebenwirkungen. Der Bremer Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) hat mittlerweile die Polizeiführung beauftragt, möglichst rasch nach einer angemessenen Lösung bei verschiedenen Anbietern zu suchen. Es sei zu einfach, »das Problem wegen der Optik und der negativen Assoziationen reflexartig abzulehnen«, betonte er gegenüber dem Weser-Kurier. Die Bilder, die beim Anblick von Festgenommenen entstünden, dürften aber auch nicht dazu führen, daß die Polizei mit Foltervorwürfen oder Ähnlichem in der Öffentlichkeit diskreditiert würde. Auch ein Arbeitskreis der Innenministerkonferenz beschäftigt sich mit diesem Thema. Trotzdem fühlen sich die in der GdP organisierten Polizisten im Stich gelassen: »Die verantwortlichen Politiker verweigern den Kolleginnen und Kollegen ihr berechtigtes Interesse«, beklagen sie sich, »und lassen uns Betroffene mal wieder im Regen stehen« – schlimmer noch: »in der Spucke«, um im Bild zu bleiben. Selbstverständlich ist das Bespucken von Menschen abstoßend, ja ekelerregend und manchmal auch krankmachend. Insofern kann man den Ekel und die Angst vor Ansteckung durchaus nachempfinden. Aber man möchte Polizisten immerhin zutrauen, daß sie sich dagegen durch eigenes Defensivverhalten einigermaßen schützen können. Im Übrigen: Menschen gegen ihren Willen festzunehmen oder abzuschieben ist ohnehin gefahrengeneigte Arbeit, die immer gewisse Risiken birgt – in der Regel für alle Beteiligten, aber für Festgenommene und Abzuschiebende oft in ganz besonderem Maße. Um sich gegen den Entzug ihrer Freiheit zu wehren, beißen Festzunehmende vermehrt auch um sich, wie Polizeibeamte beklagen; doch niemand forderte bislang ernsthaft, ihnen zur Vermeidung von Bißwunden Maulkörbe zu verpassen. Das Präventionsmittel in Gestalt einer Kopf- oder Spuckhaube ist unter Bürgerrechtsaspekten problematisch, zumal, wenn den Betroffenen damit Sicht und Orientierung genommen und die Atmung erschwert wird, selbst dann, wenn die Haube weit geschneidert ist und Licht hindurchscheint. Es stellen sich in dieser ganzen Debatte mehrere Fragen: Spucken festgenommene Menschen heute tatsächlich mehr oder zielorientierter als früher – oder warum kommt gerade jetzt diese hitzige Diskussion um Spuckhauben hoch? Kann nicht im Einzelfall schon viel Spucke geflogen sein, bis eine solche Haube – zumeist gewaltsam – einer sich sträubenden Person über den Kopf gestülpt worden ist, so daß die Maßnahme in vielen Fällen viel zu spät kommt? Wer entscheidet eigentlich nach welchen Kriterien, in welchen Fällen wem eine Spuckhaube im Zweifel vorsorglich verpaßt wird? Es besteht jedenfalls die Gefahr, daß dieses angeblich »milde« Einsatzmittel, wenn es denn mal zugelassen würde, zum alltäglichen Präventionsmittel wird; und das wäre unverhältnismäßig. So warnt auch Björn Fecker von den mitregierenden Bremer Grünen vor dem Routinegebrauch eines wie auch immer gearteten Speichelschutzes. »Nur, weil jemand vermeintlich drogenabhängig ist oder offensichtlich erbost«, dürfe er nicht so etwas übergestülpt bekommen. Prompt beschwichtigt der Vorsitzende der GdP Horst Göbel: Nein, »nicht jeder Ladendieb darf so ein Ding übergestülpt bekommen«. Nicht jeder Ladendieb, aber andere Verdächtige und Straftäter? Solche Sätze können nicht wirklich beruhigen. Denn es besteht, wie übrigens so häufig im Bereich der sogenannten Inneren Sicherheit, tatsächlich die Gefahr, daß diese demütigende Prozedur routinemäßig oder willkürlich oder auch nach rassistischen Kriterien durchgeführt wird – von Bediensteten eines Apparates, der bundesweit bekanntlich keineswegs immun ist gegen individuellen und institutionellen Rassismus. Der weitgehend routinemäßige Einsatz von Spuckhauben für Festgenommene, Gefangene oder Abzuschiebende wäre jedenfalls eine tendenziell unverhältnismäßige und daher auch verfassungswidrige Maßnahme, die allenfalls im konkreten Einzelfall unter bestimmten Bedingungen als Ultima-ratio-Maßnahme zum Schutz vor Krankheitserregern gerechtfertigt sein kann. Rolf Gössner, Rechtsanwalt und Vizepräsident der Internationalen Liga für Menschenrechte sowie Ossietzky-Mitherausgeber, ist als Parteiloser Mitglied der Deputation für Inneres der Bremischen Bürgerschaft.
Erschienen in Ossietzky 18/2012 |
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