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Sie verbinden auf transparente Weise Elemente des Kubismus mit realistischer Malweise. Zu Beginn aber zunächst: »Mondnacht in der usbekischen Wüste«. Das Bild zeigt einen kleinen Familienkarren, der vor einem Bergmassiv durch eine Wüstenlandschaft unter einem blassen Mond in die endlose Weite zieht. Ein einfaches Bild, beeindruckend komponiert; in seiner Tiefenwirkung erinnert es an van Gogh. Der schwarze Karren, der sich mühevoll schleppt, scheint die ewige Anstrengung der Kleinen, geleitet von einer unbestimmten Sehnsucht nach nirgendwo, darzustellen, und der sie schwach bescheinende Mond steht über ihrem, sich noch lang hinziehenden Weg. Die »Mittagspause der Drescher« zeigt Menschen an einer reich mit Früchten gedeckten Tafel unter einer dunkelgrünen Zeltplane mit einem Bild von Karl Marx. Schaut man sich die Menschen an, staunt man: helle Frauengesichter, unverschleiert, die Frauen kurzärmelig, gleichberechtigt, bunt angezogen, eine Bäuerin mit rotem Kopftuch, zwei feinere Damen mit Hüten, vielleicht Studentinnen, und weitere Bäuerinnen zusammen mit den Männern an einem Tisch voller Üppigkeit: riesige Melonen, aufgeschnitten, Erdbeeren, einzelne Kirschen und weitere Früchte. Undenkbar wäre solch eine Tafel heute in den Ländern, in denen eine frauen- und menschenfeindliche, aus der Not geborene, die islamische Religion mißbrauchende Gewalttätigkeit und Segregationspolitik vorherrscht, nach der schon das gemeinsame Zusammensitzen mit Frauen, selbst wenn sie bis zur Unbeweglichkeit ihrer Glieder und bis zur Blindheit von oben bis unten verhüllt und verborgen werden, ein ungeheures Verbrechen darstellt. Die Ausstellung präsentiert wie gesagt eine lange Reihe von Komplexbildern, hier sind die ausgestellt, die Vogeler genutzt hat, um nach 1923 seine ersten Reiseeindrücke aus der Sowjetunion zusammenzufassen. Das Besondere hier: die kubistisch durchscheinende Anordnung der Einzelbilder, die sich überschneidend und ineinander verschachtelt die einzelnen Eindrücke so bis nach Deutschland transportieren. Verfremdet und komprimiert dienten die Bilder Vogeler später dazu, seine Dia-Vorträge zu illustrieren, die er bei der Roten Hilfe und in anderen Bildungseinrichtungen hielt. Die Bilder beschäftigen sich mit dem Marxismus als Aufbruch in eine neue Welt und möglichen Weg zu einem neuen Menschen, mit der Arbeit der Roten Hilfe unter dem SA-Terror, der Revolution und dem Aufbau der jungen Sowjetunion in Zentralasien, dem Rote-Hilfe-Kinderheim Barkenhoff, der MOPR (Internationale Rote Hilfe Rußland), der bargeldlosen Lebensgemeinschaft im Barkenhoff als Vorform des Kommunismus, den Werftarbeitern und vielem anderen mehr. In der Worpsweder Kunsthalle dann ein Überblick über Vogelers politisches Schaffen, dabei findet der Betrachter ganz frühe politische Werke, von 1909, in denen Vogeler die englische Kolonialgewalttätigkeit Englands illustrierend anprangert (»Wo gute Menschen unter Unmenschlichem schuldlos leiden«). An der Wand Aussprüche Vogelers: »Dem Kommunismus treu« und: »Ich mache mir viel Gedanken über den Sinn des Krieges, besser über die Sinnlosigkeit des Krieges, über die Profitsucht und die Beraubung anderer Völker.« Kleinformatigere Bilder wie »Das Elend des Krieges« und »Die Kriegsfurie« aus dem Jahr 1919 zeigen in einem düsteren, gänzlich unprätentiösen Stil graue Gesichter, jung und alt, halbverhungert, den Tod als weiße Mumie im Leichengewand. Einmal mußte Vogeler 63 Tage in einer Bremer Irrenanstalt verbringen, weil er einen satirischen Brief an den Kaiser geschrieben hatte, er verließ die Einrichtung als »staatlich geprüfter Geisteskranker«, wie er hoch erhobenen Hauptes verkündete. 1935 wurden im Gorki-Park in Moskau Vogelers Bilder in einer Ausstellung der Roten Hilfe gezeigt. Dabei auch eine sehenswerte Broschüre mit dem schlichten Titel »Das Dritte Reich«, in der er linolschnittartig im Stil eines Clement Moureaux‘ (Claus Meffert) auf rund 50 Blättern den Terror, die Lügen, die Hintermänner und den Irrsinn des Nazi-Regimes anprangert, beispielhaft bebildert und lächerlich macht. Auch an einem Film wirkte er mit: »Kämpfer«, ein deutscher Exilfilm. In Worpswede kann man den originalen Dia-Vortrag sehen, mit dem Vogeler auf Tour ging. Ein reiches politisch tätiges Leben. Zwei weitere Museen in Worpswede beschäftigen sich auch mit Vogelers Frühwerk, Jugendstil und Mädchenblüte, Märchentraum, aber daß er ein politischer Mensch, ein Kommunist, ein Freiheitskämpfer und tätiger Revolutionär war, das stellt niemand mehr in Frage. Unbedingt hingehen, sehenswert!
Erschienen in Ossietzky 17/2012 |
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