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Ein Abgesang auf die Marktwirtschaft« aus dem Jahre 1999 als »wichtigste Veröffentlichung der letzten zehn Jahre« über die Maßen lobten, warfen Alt- oder Gewerkschafts-Linke dem theoretischen Kopf der Autorengruppe um die Theoriezeitschrift Krisis (später Exit!) vor, Verrat am Klassenkampf geübt zu haben. Denn unnachgiebig kritisch zeigte sich Kurz auch gegenüber einem aus seiner Perspektive nicht mehr geschichtsmächtigen Arbeiterbewegungs-Marxismus: »Nostalgisch auf die Nachkriegsära fordistischer Massenarbeit fixiert, [hat er] nichts anderes im Sinn, als die verflossenen Zeiten der Arbeitsgesellschaft neu zu beleben«, heißt es im unter maßgeblicher Mitarbeit Kurz’ ebenfalls 1999 entstandenen »Manifest gegen die Arbeit«. Der einstmals emanzipatorische Kampf um Verbesserung der Arbeitsbedingungen bestehe heute nur noch in dem »Kampf um die letzten Plätze« in einer arbeitsgesellschaftlichen »Reise nach Jerusalem«. Für Kurz und seine Mistreiter stand das »definitive Ende« des weltumspannenden warenproduzierenden Systems mit seiner hochgradig zerstörerischen und »selbstzweckhaften Verwertungslogik«, bar jeder Orientierung an realen menschlichen Bedürfnissen, absehbar bevor. Mit der dritten »mikroelektronischen Revolution« innerhalb des Kapitalismus stoße die Arbeitsgesellschaft an ihre endgültige innere Schranke: Historisch erstmals übersteige »das Tempo der Prozeß-Innovation das Tempo der Produkt-Innovation«. Nunmehr werde »mehr Arbeit wegrationalisiert als durch Ausdehnung der Märkte reabsorbiert werden kann«. Die Kapitalakkumulation »ohne Arbeit« sei in ein fiktives, simulatives Stadium eingetreten. Politik degeneriere unter den neuen Bedingungen zum »reinen Krisenverwalter«. »Je mehr sich [der Staat] dem finanziellen Notstand nähert, desto mehr reduziert er sich auf seinen repressiven Kern.« Die Infrastrukturen würden zurückgefahren auf die Bedürfnisse des transnational agierenden (Finanz-)Kapitals. An die Stelle von produktiver Verausgabung von Arbeitskraft trete eine repressive »Arbeitssimulation durch Formen der Zwangs- und Billigarbeit«. Mit dem sich abzeichnenden Ende der Arbeitsgesellschaft sei auch der Klassenkampf an sein Ende geraten. Im Angesicht des katastrophalen Zusammenbruchs müsse die einzig noch vernünftigerweise verbliebene Parole lauten: »Proletarier aller Länder, macht Schluß!« Aber was sollte folgen? Könnte ein neuer gesellschaftlicher Entwurf, basierend etwa auf einem föderalistisch organisierten Rätesystem, gelingen? Das blieb für Robert Kurz eine offene Frage. Kurz distanzierte sich Anfang der achtziger Jahre von Ideen der »Neuen Linken« in Deutschland, deren Kampagnen er zunehmend »manisch-depressive« Züge attestierte. Seine als »wertkritisch« bezeichnete Neuaneignung Marxscher Theorie bezog sich auf die »Wertform der Ware als Vergesellschaftungsform der Moderne. […] Nation, Staat und Politik sind nicht unmittelbar der empirischen Ökonomie subsumiert, aber sie gehören derselben vom Wert gesetzten fetischistischen Totalität an. […] Arbeit, Nation und Politik stellen einzig Kategorien des warenproduzierenden Systems dar und verfallen als gesellschaftliche Kategorien zusammen mit diesem.« (aus: »Blutige Vernunft«, 2004). Seine theoretischen, jedem Optimismus fernen Einschätzungen, brachten Kurz nicht dahin, sich in einen linken Elfenbeinturm zurückzuziehen. Mit Beiträgen unter anderem in der Zeitung neues deutschland, mit Vorträgen oder mit Fernsehauftritten mischte er sich beständig in die aktuelle politische Auseinandersetzung ein. Empirische Forschung war die Sache Kurz’ – wie auch die Adornos – nicht. In der Vorstellungswelt universaler Fetischverhältnisse konnte es nur noch die Handlungsalternative zwischen blindem Sich-Einfügen in das grundfalsche Bestehende oder totalem Bruch mit diesem geben. Jedes Aufbegehren, jeder Bürgerprotest mußte sich aus dieser Perspektive sogleich dem Verdacht aussetzen, bloß »systemstabilisierend« zu wirken. Auch wer, wie der Autor dieses Beitrags, solche Kritik nicht mitvollziehen mag, wird Kurz’ aspektreiche Texte weiterhin mit Gewinn lesen können, verfaßt von einem, der sich bis zuletzt als gänzlich unbeugsam und unbestechlich erwies. Wieviele vormals Linke der »68er«-Generation sahen später ihre Hauptaufgabe darin, sich möglichst reibungslos in das herrschende System zu integrieren, große Karriere zu machen, von denen ganz zu schweigen, die zu Wortführern einer strammen Rechten mutierten? Kurz gehörte zu den kompromißlosen Neinsagern, von denen Tucholsky sagte, sie verfügten über einen selten anzutreffenden Charakter und seien bereit, das Schwerste auf sich zu nehmen. Ich meine: Wir werden Charaktere vom Schlage eines Robert Kurz weiterhin nötig haben.
Erschienen in Ossietzky 17/2012 |
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