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Erreicht ist eine Absichtserklärung der CDU (die CSU mußte nicht erst überzeugt werden, sie ist ohnehin dafür), man werde Wege zur Einführung einer solchen Steuer suchen, andere Staaten der EU müßten für dieses Ziel gewonnen werden, Details seien zu prüfen, die Freidemokraten noch zu bearbeiten. Mit anderen Worten: Die Finanzmarkttransaktionssteuer ist regierungsamtlich im Gespräch, ob sie kommt, ist ungewiß. Wenn sie von einigen europäischen Ländern (von anderen kam schon eine Absage) in dem jetzt diskutierten Modus eingeführt wird, ist der von finanzmarktkritischen Initiativen erhoffte »Feldzug gegen die Armut« damit nicht eröffnet. Verglichen mit der Höhe anderer Umsatzsteuern ist der geplante Steuersatz von höchstens 0,1 Prozeß zwergenhaft. Auch ist nicht damit zu rechnen, daß diese Besteuerung den großen Zockern im Finanz-»Markt« etwa das Handwerk legen wird. Die Abwälzung von Kosten der Börsen und Banken auf Kleinsparer läßt sich leicht bewerkstelligen, und große spekulative Geschäfte lassen sich auf Standorte verlagern, die diese Steuer nicht einführen. Am Rande erwähnt: Beim SPD-Konvent zeigten Gabriel, Steinmeier und Steinbrück fiskalpaktpolitische Harmonie. Wieso Steinbrück, obwohl er weder Mitglied dieses Konvents noch per Parteiamt redeberechtigt ist? Die Troika ist auf solche Formalitäten nicht angewiesen. A.K. Demnächst erhält der europäische Fiskalpakt in der Bundesrepublik seinen parlamentarischen Segen. Er soll »leichtfertige Staaten« zu »Haushaltsdisziplin« zwingen. SPD und Grüne werden daran mitwirken; ihre hinhaltenden Einwände dienen dem Zweck, parteientaktisch die eigene Bedeutung zu betonen. Begleitet wird der Fiskalpakt von Ankündigungen, die Politiker würden sich dann um Förderung des wirtschaftliche Wachstums in den Ländern der Europäischen Union bemühen. Auf diese Deklaration legt besonders der französische Staatspräsident Wert. Außerdem wird beteuert, man werde den Weg zu einer Finanztransaktionssteuer suchen. Beides hat den Sinn, Hoffnungen zu wecken, daß die mit dem Fiskalpakt als »Schuldenbremse« einhergehenden materiellen Nachteile für die Mehrheit der Bevölkerung ein wenig gemildert werden könnten. Und gleichzeitig bekommt der europäische »Rettungsschirm« seine feste zukünftige Form als »Stabilisierungsmechanismus« (ESM), um in Finanznot geratenen Staaten mit günstigen Krediten oder Bürgschaften helfen zu können. Bei all den geplanten Maßnahmen werden die Regierungen der beteiligten Staaten, die Europäische Kommission und die Europäische Zentralbank ins Spiel kommen, in Abstimmung mit dem Internationalen Währungsfond. Eindeutig wird dann die einzelstaatliche finanz-, wirtschafts- und sozialpolitische Souveränität eingeschränkt und in »Problemfällen« außer Kraft gesetzt; extern bestimmte Kommissare werden die Regierung solcher Staaten übernehmen. In allen Ländern, die in den Fiskalpakt und die »Mechanismen« einbezogen sind, entfällt faktisch das Recht auf parlamentarische Entscheidung über den öffentlichen Haushalt. Dieser Demokratie-Verlust wird nicht etwa kompensiert durch erweiterte Rechte des Europäischen Parlaments. Fazit: In den europäischen Staaten, ausgenommen Großbritannien (und beim Fiskalpakt zögernd auch Tschechien), gibt der Parlamentarismus seine bisher »vornehmste« Funktion ab. Aber an wen? Keineswegs an eine neue demokratische Institution. Kennzeichnend für die politischen Steuerungsverhältnisse, die sich nun herausbilden, ist ein für die Bürgerinnen und Bürger der europäischen Gesellschaften und auch für die meisten ihrer gewählten Repräsentanten nicht durchschaubarer Komplex von »Entscheidungsträgern«, in dem Regierungschefs, Spitzenkräfte der Finanzinstitute, Brüsseler Chefbürokraten und »Experten« das Sagen haben, assistiert von den Rating-Agenturen. Das europäische Volk darf dann, soweit es sich für das Zustandekommen von Beschlüssen über sein Wohl und Wehe interessiert, rätselnd fragen, wer denn da jeweils und in wessen Interesse Milliardenbeträge oder -Kredite hin- und hergeschoben, den einen Gewinn und den anderen Verlust verschafft hat. Mißtrauische Fragen lassen sich beiseite räumen durch den Verweis, der »Markt« mit seiner unsichtbaren Hand habe die wirtschaftliche und soziale Entwicklung in diese oder jene Richtung gelenkt, ihm schulde die Politik Folgebereitschaft. Diese gesamteuropäische Politik der Verabschiedung demokratischer Souveränität sei, so sagen die Fiskalpaktpolitiker, alternativlos, weil einige Staaten Europas auf krasse Weise über ihre Verhältnisse gelebt hätten. Die anderen, die ihnen gutmütigerweise finanziell zur Hilfe gekommen seien, würden in den Strudel der Verschuldung hineingezogen, wenn sie nicht Remedur machten. Verlangt würden jetzt: ein strenges Sparregime unter auswärtiger Aufsicht bei den bisherigen Verschwendern, rigorose Kürzung der Ausgaben für soziale Leistungen und öffentliche Dienste, Notverkauf öffentlichen Eigentums, Senkung der Löhne, Fortfall von Kündigungsschutz. Nur unter diesen Bedingungen könnten den verschuldeten Staaten noch weitere Kredite gewährt werden. Den Gürtel eng schnallend hätten sie dann Aussichten, auf die eigenen Beine zu kommen und wettbewerbsfähig zu werden. Die Bundesrepublik, sagt die Kanzlerin an die Adresse des europäischen Südens, verhalte sich großzügig hilfsbereit, aber unbegrenzt seien »Deutschlands Kräfte nicht«. Erstaunlicherweise finden solche Erzählungen ihr gläubiges Publikum, obwohl doch unschwer herauszufinden ist: Kreditvergabe ist keine karitative Tätigkeit. Zins und Zinseszins bringen Profit, die Verschuldung auf der einen Seite erzeugt Vermögensbildung auf der anderen. Das große Geld häuft sich bei den Wenigen oben an, weil die Vielen unten stetig enteignet werden, indem ihnen ein Teil des Ertrags ihrer Arbeit vorenthalten und ein anderer durch Massensteuer wieder weggenommen wird. Selbstverständlich gibt es bei der Verwertung und Vermehrung von Kapital harte Konkurrenz auch auf der Besitzseite, Kampf um Positionen im Finanz-»Markt«, um die Höhe von Renditen, um Zinssätze. Die Politik soll dafür sorgen, daß bei diesen Turbulenzen das »Markt«-System insgesamt nicht in die Brüche geht, also müssen notfalls Banken »gerettet«, Staatsanleihen »gestützt« und »Umschuldungen« arrangiert werden. Dafür werden die SteuerbürgerInnen in Haftung genommen. Verschuldete Kreditnehmer zahlen besonders hohe Zinsen. Gerade auf Schuldnerstaaten hin lassen sich spekulative Geschäfte machen, auf spekulative Wertpapiere läßt sich spekulativ noch eins draufsetzen. Das kann schiefgehen. Dann soll der öffentliche Haushalt die privaten Verluste ausgleichen. Griechenland als Beispiel: Jetzt fließen auswärtige »Hilfsgelder« gleich zurück an ausländische Banken. An griechischen Staatsaufträgen auf Pump haben deutsche Unternehmen in den vergangenen Jahren gut verdient. Daß Griechenland kreditiert wurde, hat dem deutschen Export Zugewinn gebracht. Wünscht sich die deutsche Industrie wirklich Wettbewerbsfähigkeit der griechischen? Die internationalen Absatzmärkte sind begrenzt. Der griechische Markt ist relativ klein, aber dieselben »Mechanismen« gelten für Spanien, für Italien. Und in der verordneten »Sparpolitik« steckt noch ein weiteres Problem: Bei zunehmender Verarmung des europäischen Südens wird die Nachfrage nach ausländischen – konkret: nach deutschen – Warenangeboten schwächer ... Die Fiskalpaktpolitik wird kein Dilemma der europäischen Wirtschaft lösen, auch nicht der deutschen, der die innere Widersprüchlichkeit kapitalistischer Ökonomie zunehmend zu schaffen macht. Die Politik hat sich den Wünschen des übermächtig gewordenen Finanz-»Marktes« unterworfen und sich Demokratieverzicht geleistet; für prominente PolitikerInnen lohnt sich das ganz privat. Die Mehrheit der Bevölkerung gerät dabei ins Desaster, heute im südlichen Europa, morgen auch weiter nördlich. Die versprochene »Stabilität« wird sich nicht einstellen und »Wachstum« am ehesten in der Form weiterer Anhäufung großer Vermögen bei einer kleinen Schicht, die hektisch auf Höchstrendite in der Finanzsphäre dringt. Mit Sicherheit werden soziale Bedrängnisse anwachsen, nicht nur beim »Prekariat«, sondern in Zukunft auch bei den Mittelschichten. Zeitverzögert auch bei den deutschen. Die Kanzlerin wirkt in jüngster Zeit angestrengt. Das wird nicht allein an Röttgen, Rösler und Co. liegen. Vielleicht traut sie ihren eigenen europäischen Märchen nicht mehr.
Erschienen in Ossietzky 13/2012 |
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