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Wie läßt sich prüfen, wer von den Ostdeutschen wenigstens auf dem Wege zu politischer Reife ist? Ein Vorschlag: Regelmäßig den Zustimmungsgrad zu Ihrem Freiheitsbegriff testen. Thomas de Maizière, mißtrauischer Kunde. – Auf die Offerten der deutschen Rüstungsfirmen wollen Sie sich bei Beschaffungen für die Bundeswehr nicht mehr verlassen. In Zukunft soll gelten: »Wir bestellen, was wir brauchen, und nicht das, was uns angeboten wird. Das ist neu.« Eine wahrhaft reformerische Absicht. Aber unterschätzen Sie nicht die geschäftliche Kreativität der Waffenindustrie – deren Inhaber und Freunde sind durchaus in der Lage, die Nachfrage mitzugestalten. Auch ein Militärminister bedarf immer wieder externer gedanklicher Hilfe, damit er weiß, daß neue Rüstungsgüter gebraucht werden und welche dies sein sollen. Und vergessen Sie nicht: Gerade in Sparzeiten ist militärischer Aufwand dem Volke als unvermeidlich zu vermitteln. Die Rüstungsbranche hat darin Erfahrung, sie weiß, wie man hidden marketing betreibt. Claudia Roth, vorsitzende Grüne. – Sie nennen in einem Zeitungsinterview den weißrussischen Präsidenten Lukaschenko einen brutalen Diktator. Er habe nämlich die Hinrichtung dreier zum Tode verurteilter Terroristen nicht verhindert, die einen Anschlag auf einen Zug verübt und dabei etliche Passagiere getötet hatten. Auch wir sind gegen die Todesstrafe, müssen Ihnen aber entgegenhalten, daß wir Ihre Empörung für überzeugender hielten, wenn Sie nun auch die Gouverneure jener US-amerikanischen Bundesstaaten der Brutalität bezichtigten, die eine Begnadigung zum Tode Verurteilter ablehnen, selbst wenn sich das Urteil nur auf zweifelhafte Indizien stützt. Zu diesen Gouverneuren gehörten die späteren US-Präsidenten Ronald Reagan, George Bush sen. und George Bush jun. Allein der Letztgenannte brachte es als Gouverneur von Texas auf weit über hundert Hinrichtungen. Sicher werden Sie ihn mindestens ebenso ächten wollen wie Lukaschenko – oder? Gerhard Ludwig Müller, Bischof von Regensburg. – Sie haben wiederholt die reformwilligen Katholiken (es gibt sie wirklich) als parasitäre Existenzen am Körper Ihrer Kirche bezeichnet. Dabei sind es gerade die, die Ihre Bet-Räumlichkeiten füllen, sich aktiv an Kirchentagen und sonstigen katholischen Veranstaltungen beteiligen und treu und doof die Kirchensteuern zahlen, von denen – sowie von staatlichen Zuwendungen – Sie und Ihresgleichen sorglos leben. Die Frage, wem eigentlich das Schild »Parasitäre Existenz« umgehängt werden kann, ist damit wohl schon grundsätzlich beantwortet. Angela Merkel, Bundeskanzlerin. – Sie können es offenbar nicht lassen, anderen Völkern vorzuschreiben, was sie zu tun haben, auch wenn Sie dabei immer wieder auf die Nase fallen. Kaum haben die Franzosen anstelle des von Ihnen heftig unterstützten Sarkozy den Sozialisten Hollande zum Präsidenten der Republik gewählt, da verlangen Sie von den Griechen, die am 17. Juni über den Verbleib in der Eurozone zu entscheiden und daneben ein neues Parlament zu wählen haben, Ergebnisse in Ihrem Sinne. Die Empörung in Griechenland reicht bis hin zu dem Vorwurf, Sie sähen das Land als eine Art deutsches Protektorat an. Sie haben wohl nicht bedacht, daß Sie mit Ihrer Anmaßung Ihren konservativen Freunden schaden. Wenn das etwa Ihre Absicht wäre, bliebe nur zu wünschen, daß Sie in recht viele Länder als Wahlhelferin eingeladen werden. SängerInnen, beim PDL-Parteitag. – Ein historisches Lied haben Sie kurz angestimmt, im Trubel war nicht zu hören, welche Zeilen gesungen wurden. Die vom »letzten Gefecht«? Das findet nicht statt, nicht einmal in der Partei Die Linke. Texte aus der Geschichte lassen sich auf ihre aktuelle Aussagekraft hin prüfen. »Es rettet uns kein höh’res Wesen« – diese Zeile stimmt immer noch. Die 1871 genannten höh’ren Wesen Art sind zwar kaum noch gegenwärtig, es bieten sich aber hinreichend neue an, wenn auch nicht so leicht benennbar wie Gott, Kaiser und Tribun. Und wer vom Elend erlöst werden möchte, wird heute wie damals selbst etwas dafür tun müssen, daran ist ebenfalls nichts veraltet. »Völker, hört die Zentrale«, hat Erich Mühsam eine Zeile des Liedes ironisch-kritisch umgedichtet. Da war ein dauerhaftes Problem angedeutet.
Erschienen in Ossietzky 12/2012 |
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