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Ursprünglich sollten die Renten im Osten um 3,2 und im Westen um 2,3 Prozent steigen, nun werden es nur 2,26 beziehungsweise 2,18 Prozent sein – für das Wahljahr 2013 muß schließlich eine Reserve bleiben. Aber auch so können die Rentner ihr Glück kaum fassen. Es ist fast unbeschreiblich. Die alleinstehende Rentnerin in Düsseldorf wird im Juli auf ihrem Konto statt 672 rund 687 Euro vorfinden, und der frühere Maschinenbauingenieur in Chemnitz wird gar statt 1.115 gut 1.140 Euro erhalten. In West und Ost sind die so Beglückten nahe daran, »Freude, schöner Götterfunken« anzustimmen. Doch leider sind in das Freudenfaß ein paar Tropfen Wasser gefallen, weil einige Korinthenkacker, Miesmacher, Schwarzmaler, Gerechtigkeitsfanatiker und Neidhammel immer noch unzufrieden sind. Korinthenkacker haben pingelig ausgerechnet, daß die Rentenerhöhung nicht ausreicht, um die Kaufkraftverluste der letzten Jahre auszugleichen. Außerdem bemängeln sie einen kleinen, aber feinen Rechentrick. Der minimal unterschiedliche Prozentsatz suggeriere, daß der Ostrentner gegenüber dem im Westen bessergestellt wird. Doch das Gegenteil sei der Fall: Der Ostrentenwert liege gegenwärtig bei 24,37 Euro, dank 2,26 Prozent Erhöhung steige er um 55 Cent; der Westrentenwert von 27,47 Euro steige um 2,18 Prozent, was einen Anstieg von 60 Cent ausmache. Eine Rentenangleichung sehe anders aus. Deshalb haben sich die Korinthenkacker, zu ihnen zählen unter anderen der Sozialverband Deutschland (SoVD), die Volkssolidarität und mehrere Gewerkschaften, zum »Bündnis für die Angleichung der Renten in den neuen Bundesländern« zusammengeschlossen. Sie haben einen »Zehn-Jahres-Stufenplan« zur Angleichung der Ost- an die Westrenten beschlossen. Das ist gewiß ein hehres Ziel: 32 Jahre nach der »Wiedervereinigung« sollen die Senioren in beiden Landesteilen nach den gleichen Maßstäben berechnete Renten erhalten. Aber den einen geht das zu langsam, den anderen fehlt der Glaube, daß das so schnell geschehen könnte. Fest steht: Diejenigen, die bereits 1990 Ostrentner waren, erleben eine gerechte Angleichung in der Regel nicht. Sie werden sich als Bürger 2. Klasse von dieser Welt verabschieden. Die Miesmacher, die eine zügige Angleichung verlangen, aber bezweifeln, daß das Ziel in zehn Jahren erreicht werden wird, sind unter anderem in der Gesellschaft zum Schutz von Bürgerrecht und Menschenwürde (GBM) versammelt. In ihrer Monatszeitung akzente erinnern sie daran, daß das sogenannte Rentenüberleitungsgesetz vorsah, ein gleiches Rentenniveau für Ost und West etwa 1996 zu erreichen. Mit Blick auf die jetzige, minimal unterschiedliche Erhöhung kommen sie zu dem Schluß: »Bei diesem Tempo der Angleichung wird keiner der heutigen Rentner wirklich gleiche Renten erleben, ja selbst unsere Enkel, welche die DDR höchstens als Kleinkinder erlebt haben, würden dann immer noch bestraft.« Typische Jammerossis! Eben Miesmacher. Gegen jede Art Rentenbestrafung streiten die Gerechtigkeitsfanatiker. Zu ihnen zählt Hans Modrow, der letzte Ministerpräsident der DDR, der zu Unrecht meist der »vorletzte« genannt wird, denn sein Nachfolger Lothar de Maizière war bereits ein Übergabeprokurist, ein Statthalter von Kohls Gnaden, aber kein Premier des verramschten Staates. In einem Schreiben an die Kanzlerin hat Modrow das Rentenstrafrecht verurteilt und gleichzeitig daran erinnert, daß die Gleichheit der Rentenansprüche, die noch in den 1990er Jahren hergestellt werden sollte, bis heute zum Nachteil der einstigen Bürgerinnen und Bürger der DDR nicht verwirklicht wurde, und gefordert, das bestehende Unrecht zu beseitigen, den Verstoß gegen den Einigungsvertrag zu beenden und dem Grundgesetz zu folgen, in dem es heißt: »Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.« Auf die Antwort mußte er nicht lange warten. Kanzleramtsminister Ronald Pofalla bedeutete ihm mit der nötigen Klarheit, daß Modrows Auffassungen von der Bundesregierung nicht geteilt werden. Ähnlich wurde ein anderer Gerechtigkeitsapostel beschieden, der die Kanzlerin darauf aufmerksam gemacht hatte, daß beim gegenwärtigen Tempo die Rentenangleichung erst in 160 Jahren erfolgen würde. Ohne zu zögern, teilte ihm das Kanzleramt unmißverständlich mit: »Wegen der unterschiedlichen Erwartungen ... ist eine Regelung, die allen gerecht und von allen akzeptiert wird, bislang nicht absehbar.« Eine wahre Plage sind die Neidhammel unter den Rentnern in allen Teilen der Bundesrepublik. Sie wollen partout nicht einsehen, daß Pensionsbezieher in der Regel besser gestellt sind als sie. Voller Neid, der schon Habgier nahekommt, weisen sie darauf hin, daß die Pensionen von ehemaligen Bundesbeamten rückwirkend zum 1. März um 3,3 Prozent, also um rund 50 Prozent stärker als die Bezüge der Rentner, steigen (s. Beitrag von Heinrich Hannover in diesem Heft). Geradezu bösartig reagierten sie auf den von CDU/CSU und FDP initiierten Bundestagsbeschluß, die monatlichen Pensionen für politische Spitzenbeamte, die in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden, um bis zu 635 Euro zu erhöhen. Ja wollen die Kritiker nicht einsehen, daß für leitende Staatsdiener Vorsorge für den Fall getroffen werden muß, daß sie 2013 nach einem möglichen Regierungswechsel ihren Posten verlieren können? Bisher waren ihre Pensionen wahrlich nicht üppig. Staatssekretäre und Ministerialdirektoren, und die betrifft es vor allem, erhielten gerade einmal knappe 8.500 beziehungsweise 7.000 Euro. Ein Ehrensold, der ihnen eigentlich zustehen würde, ist das noch lange nicht. Doch all diese Miesepeter können die Freude über die bevorstehenden Rentenerhöhungen nicht trüben. Allerdings wäre es an der Zeit, ihnen einmal gehörig die Leviten zu lesen und ihnen klarzumachen, daß Freiheit ein hohes Gut ist und keinesfalls Gleichmacherei bedeutet. Unser neuer, gerade erst aus dem Pensionsempfängerstatus emporgeschleuderter Bundespräsident wäre dafür der geeignete Mann. Er hat gelernt, seine Meinung im pastoralen Ton kundzutun. Vielleicht wäre es für den vorliegenden Fall wie auch für andere Gelegenheiten überlegenswert, zur Erhöhung der Wirksamkeit seiner Worte im Schloß Bellevue eine kleine Kanzel zu errichten, von der er noch überzeugender dem Volk – in diesem Fall den Rentenkritikastern – ins Gewissen reden könnte. Wie beeindruckend wären aus seinem Mund die Worte, die in fast jedem Predigerlehrbuch zu finden sind: »Lebt der Mensch mit Gott in Frieden, so will er das Eigentum seines Nächsten nicht begehren und frei sein von allem Neid.« Noch überzeugender aber wäre es, er würde Jakobus, einen der erstberufenen Jünger des Jesus von Nazareth, zitieren: »Ihr seid begierig, und erlangt’s damit nicht; ihr hasset und neidet, und gewinnet damit nichts; ihr streitet und krieget. Ihr habt nicht, darum daß ihr nicht bittet.« Also, Ihr Korinthenkacker und Miesmacher, streitet und krieget nicht für gerechte Renten, sondern fallt auf die Knie, bittet inständig und Ihr werdet gewinnen.
Erschienen in Ossietzky 11/2012 |
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