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Die »radikalen Kräfte, die den harten Sparkurs ablehnen«, hatten, so meldete kurz nach 21 Uhr die Tagesschau, »großen Zulauf erhalten«. Harter Sparkurs, das heißt auch für Griechenland, und nicht zum erstenmal: Die Wiege der europäischen Kultur wird zum Plündern durch germanische Barbaren freigegeben. Schon 1941, als die deutsche Wehrmacht Griechenland besetzte, bedeutete dies Massenmord, Zerstörung, Inflation und Hungersnot, die Bodenschätze wurden für die deutsche Industrie geplündert. Als die Deutschen endlich abziehen mußten, wurden nach einer Aufstellung der Heeresgruppe E vom 21. Dezember 1944 – nur beispielsweise – 296 Eisenbahn- und 69 Straßenbrücken, sieben Tunnel, 75 Bahnhöfe zerstört, außerdem zahlreiche Hafenanlagen. Die Reichsbank hatte bei der griechischen Nationalbank eine Zwangsanleihe in Höhe von mindestens 476 Millionen Mark aufgenommen – das wären bis heute mit Zins und Zinseszins 3,4 Milliarden Euro. Die Griechen haben davon keinen Pfennig und keinen Cent wiedergesehen. Deutschland zahlt keine Reparationen. Am Sonntag, pünktlich um 0.00 Uhr, lange bevor die Wahllokale in Athen geöffnet hatten, kam aus Berlin die Forderung: »Wir brauchen ein Protektorat.« Thomas Straubhaar, der Führer des Hamburger Weltwirtschaftsinstituts, erschien mit dieser besitzheischenden Überschrift um Mitternacht auf Tagesspiegel-Online. Griechenland, so verkündete er, sei ein »failed state«, ein gescheiterter Staat. Daraus solle man – selbstverständlich »mit diplomatischem Fingerspitzengefühl« – die Konsequenzen ziehen: Es sei darauf »hinzuarbeiten«, Griechenland zu einem »europäischen Protektorat zu machen«. Deutschlands treuester Vasall, der Euro-Gruppenchef und luxemburgische Ministerpräsident Jean Claude Juncker hatte ein Jahr zuvor etwas Ähnliches gefordert: »Ich würde es sehr begrüßen, wenn unsere griechischen Freunde nach dem Vorbild der deutschen Treuhand-Anstalt eine regierungsunabhängige Privatisierungsagentur gründen würden.« Zwei Monate später wiederholte Juncker seine Treuhand-Forderung in focus und verlangte, die Souveränität Griechenlands deutlich einzuschränken. »Griechenland muß wissen, daß wir bei dem Thema Privatisierung nicht lockerlassen«, drohte er kürzlich wieder im Spiegel. Sie lassen nicht locker, sie haben die Beute längst im Griff. Die deutsche Treuhand für Griechenland gibt es schon. Sie heißt nur anders, denn die Bezeichnung »Treuhand« ist anrüchig geworden, seit Birgit Breuel sie als radikale Plünderungsagentur gegen Ostdeutschland einsetzte. Treuhand – das heißt heute GTAI. »Ausverkauf: Deutschland hilft Griechenland beim Privatisieren«, verkündeten am 20. April die Deutschen Mittelstands Nachrichten. Die staatliche Agentur GTAI berate eine griechische Abwicklungsagentur bei der Privatisierung. GTAI solle dabei die »Erfahrungen der alten Treuhand« nutzen. Das werde auch in »nicht unerheblichem Maß zum Abbau von Arbeitskräften« führen. GTAI, das heißt Germany Trade and Invest – Gesellschaft für Außenwirtschaft und Standortmarketing mbH. Diese Gesellschaft ist dem Bundeswirtschaftsministerium unter dem Neoliberalissimus Philipp Rösler zugeordnet. Die Deutschen Mittelstands Nachrichten: »Tatsächlich wird die Privatisierung, wenn sie dem Modell Treuhand folgt, jedoch in erster Linie dazu dienen, den griechischen Schuldendienst zu befeuern. Ein Ausverkauf des Landes wird also vor allem den Banken als den großen Gläubigern dienen und nicht zu einer Stärkung der Nachhaltigkeit der griechischen Volkswirtschaft führen.« Ein Bulletin der Bundesregierung namens Bild ordnete schon am 27. Oktober 2010 an: »Verkauft doch eure Inseln, ihr Pleite-Griechen ... und die Akropolis gleich mit!« Richtig. Das weiß auch die GTAI: Besonders interessant für die Privatisierung seien Bodenschätze und Immobilien, Teile der Infrastruktur, der Wasserversorgung. Und, immens wichtig im Land der Verelendung: der Wettanbieter OPAP. Das sei der größte Glücksspielkonzern Europas und das drittgrößte Unternehmen in ganz Griechenland. Und wer ist bei der Glücksspielprivatisierung dabei? Wie immer die Deutsche Bank. Bleibt nur die Hoffnung für die Griechen, daß die sofort nach der Stimmauszählung angesagte Katastrophe, die Wende von oben nach unten, tatsächlich eintritt. Wolfram Weimer, für den das Wahlergebnis »katastrophal« ist, drohte den uneinsichtigen Wählern auf Phoenix mit den höheren Mächten: »Die Finanzmärkte werden erzwingen, daß wir nicht zurückkommen zu einer Wachstums- und Schuldenpolitik.« Er setzt auf Griechenlands totale Plünderung und ist damit nicht allein.
Erschienen in Ossietzky 10/2012 |
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