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Nicht von den preistreiberischen Hedgefonds und Großbanken, namentlich von Citigroup, JP Morgan Chase und Goldman Sachs, dem Spitzenreiter unter den Abzockern. Erst recht nicht von deren dienstbarem Geist, der US-Regierung. Auch ging es den Verfassern der E-Mails nicht um die wahren Opfer der Teuerung: die armen Zeitgenossen, die kaum noch wissen, wie sie ihre Heizkosten aufbringen sollen. Hier schrieben stupide Autofans an Gleichgesinnte. Profitgier der Ölmultis beklagten sie in ebenso angebrachter wie simpler Analytik. Füglich war auch die angediente Gegenstrategie gedanklich schlicht: »Tanken wir doch im kommenden Monat einfach nicht mehr bei Texaco Chevron und bei Shell.« Wenn sich Millionen Autofahrer der Aktion anschlössen, dann erlitten die beiden Marktführer massive Umsatzeinbußen. Das zwinge sie zu Preissenkungen. Dies wiederum treibe die übrigen Anbieter in den Preiskampf. Ach ja? Was da als zündende Idee mit dem Appell zum Mitmachen übermittelt wurde, war das Gegenteil einer Konsumverzichtskampagne, mit der man die Profitmacherei der Ölmultis und der Spekulanten bremsen könnte. Vielmehr wurde argumentiert: »Mobilität muß sein, wir wollen ja weiterhin Auto fahren.« Ergo steckte kein politischer oder ökologischer Denkansatz in dem Projekt. »Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht naß« – das war der Vater des Gedankens. E-Mail Nr. 2 kam vom gemeinnützigen Verein Foodwatch, der sich meist mit der Qualität von Lebensmitteln beschäftigt. Neulich erstritt er nach vier Jahren Prozeß ein rechtskräftiges Urteil, das Angela Merkel zwingt, Gästeliste und Redemanuskripte zu jener Geburtstagsfeier offenzulegen, die sie seinerzeit für den 60 Jahre alt gewordenen Banker Josef Ackermann im Bundeskanzleramt hatte ausrichten lassen. Diesmal aber berichtete Foodwatch von irreführender Werbung für sogenannte »Light«-Produkte. Ich kaufe nichts mit dem Aufdruck »light«. Angebote mit dem Versprechen »kalorienarm«, »leicht«, fettreduziert« oder »Du darfst« kommen mir prinzipiell nicht in die Tüte. Doch war ich auf die Foodwatch-Botschaft neugierig. Der Verein hatte Light-Produkte der zum Edeka-Konzern gehörenden Supermarktkette Netto untersucht, zum Beispiel »Viva-Vital«: eine »Zubereitung aus Hackfleisch, gemischt mit pflanzlichem Eiweiß« und versehen mit den Hinweisen »30 Prozent weniger Fett« sowie dem Slogan »Alles, was Frauen glücklich macht«. Allerdings, so Foodwatch, sei der Fettanteil bei Viva-Vital nur im Vergleich mit abgepacktem Hackfleisch niedriger. Dessen hoher Fettgehalt wiederum werde trickreich verschleiert, beispielsweise mittels Sauerstoffzusatz in der Klarsichthülle, der das Fleisch oxidieren und damit dunkler, magerer wirken lasse (s. »Fieses aus dem Kühlregal«, Ossietzky 10/10). Böte man an der Theke unverpacktes Hackfleisch mit so hohem – weißfarbenem – Fettanteil an, würden es viele Menschen schon aus optischen Gründen nicht kaufen. Weshalb für die Auslage üblicherweise nur mageres, rotes Fleisch durch den Wolf gedreht werde. Im Vergleich zu diesem Mager-Hack aber enthalte das von Netto angebotene neue Produkt »nicht weniger, sondern sogar mehr Fett«. Der Produzent erziele nämlich in Viva-Vital nur einen relativ, nicht absolut niedrigeren Fettgehalt und zwar nicht mittels höherwertigem Magerfleisch, sondern indem er 30 Prozent Fleisch weglasse und es durch ein »texturiertes Weizenprotein« ersetze. Laut Patentschrift mit Rote-Beete-Saft und Paprikaextrakt »fleischähnlich« eingefärbt. Abscheuliches aus dem Labor, und das auch noch 30 Prozent teurer als natürliches Hackfleisch. Gestrecktes Hackfleisch ist Foodwatch zufolge nicht das einzige Erzeugnis, das mit fiesen Methoden eine werbewirksame Fettreduktion vorspiegele: So strecke beispielsweise der Lebensmittelriese Unilever seine im Vergleich zum normalen Brotaufstrich »Lätta« teurere Margarine »Lätta & luftig«, indem er sie einfach mit Luft aufschäume. Und der Nestlé-Konzern setze seiner »Thomy légère leichter als Mayonnaise« eine größere Menge Wasser zu, um den Fettanteil am Gesamtvolumen zu reduzieren. Vielleicht werden nun dank Foodwatch nicht mehr ganz so viele Frauen »glücklich«, aber ein politisch bewußtes, ökologisch und ökonomisch durchdachtes Verhalten wird der Verein damit nicht bewirken, sondern er agiert hier ähnlich wie die hoffnungsfrohen Spritkostendämpfer. Wer wirklich zu seinem und der Mitwelt Wohl handeln will, verzichtet aufs Autofahren, wo er nur kann. Und er füllt seinen Teller bedachtsam und selbstbeherrscht. Mit weniger Fettem und seltener mit Fleisch. Für die Produktion eines Kilos Fleisch werden sieben Kilo Getreide verbraucht; für Aufzucht, Transport und Schlachtung der Tiere sowie für den Vertrieb werden ungeheure Mengen Energie verschwendet. Nicht zu vergessen die »Kollateralschäden«: klimagefährdende Gase, Grundwasserbelastung, Vernichtung der Artenvielfalt infolge Gülledüngung, die vielen Hormone, Antibiotika, Pestizide, Herbizide und Kanzerogene in den Nahrungsmitteln ... ganz zu schweigen von der grenzenlosen Tierquälerei, die mit der Fleischproduktion verbunden ist. Werfen Sie doch im Internet mal selbst einen Blick auf heimlich von Tierschützern aufgenommene Filme über die Massentierhaltung. Dann dürfte es Ihnen leichter fallen, sich vom täglichen Fleischverzehrszwang zu befreien. Es gibt wohlschmeckende und gesunde Alternativen, die zurecht den Aufdruck »Bio« tragen.
Erschienen in Ossietzky 8/2012 |
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