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Claudia Roth, nach dem Vorderzimmer strebend. – Eine Personaldebatte über die Spitzenkandidaturen für die Bundestagswahl finde bei Ihren Grünen nicht statt, so Ihr Diktum, nachdem Sie Ihre Bereitschaft zu einem solchen Spitzenauftritt öffentlich erklärt hatten, mit der Begründung, die Unterhaltung darüber müsse »aus den Hinterzimmern heraus«. Und nun Schweigen im Vorderzimmer? Jürgen Trittin ist dort schon anwesend. Er muß nicht über sich reden. Das besorgen interessierte Medienmacher. Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, geistesabwesend.. – Am Tage der Wahl des neuen Bellevue-Schloßherrn brachten Sie einen Leitartikel Ihres Politikredakteurs Volker Zastrow unter dem Titel »Wiedergelesen: Gauck«. Der Beitrag handelt von den nordrhein-westfälischen Politikwirren, kein Wort darin über Gauck. Der Schlußredakteur Ihres Blattes ist offenbar seinem Herzen gefolgt: Irgendwie mußte der Mann, der – wie Claudia Roth sagt – »über allen Wassern schwebt«, doch auch hier gewürdigt werden. Albrecht Müller, NachDenkSeiten-Editor. – Zur Präsidentenwahl erschien eine Schrift von Ihnen mit dem Untertitel »Was Pfarrer Gauck noch lernen muß, damit wir glücklich mit ihm werden«. Wir weisen darauf hin: Gauck steht nicht mehr im Dienst der Kirche und zeigt keine Neigung, in diesen zurückzukehren. Aus unserem Glück wird also nichts, der Pfarrer steht nicht zur Verfügung. Hermann Gröhe, CDU-Generalsekretär. – Daß ausgerechnet Sie von Sigmar Gabriel »eine sofortige Entschuldigung« verlangen, weil er Israels Herrschaftssystem in der Westbank »ein Apartheidsystem« genannt hat, ist nicht ohne Komik. Waren führende Köpfe Ihrer Doppelpartei, allen voran Alfred Dregger und Franz Josef Strauß, nicht treue Freunde des alten Regimes in Südafrika? Oder haben Sie gar nichts gegen den Sachverhalt, sondern nur gegen seine allzu genaue Bezeichnung? Claus Kleber, Herz-Jesu-TV-Inquisitor in Teheran. – Als Ihnen Präsident Ahmadinedschad versicherte, Israels Staatlichkeit basiere auf einer Lüge, meinten Sie offenkundig, endlich mal Ihre zahmen Interviews mit deutschen Politikern kompensieren zu dürfen? Schier platzend vor Arroganz versuchten Sie, Ihren Gastgeber einzuschüchtern: »Herr Präsident – die Welt schaut auf dieses Interview!« Und was entdeckte sie, die Welt? Einen von Basiswissen über den Nahostkonflikt blanken ZDF-Missionar, abgefüllt nur mit Begeisterung über sich selbst. Hätten Sie nur zuvor das Interview mit Gershom Gorenberg in der Zeit gelesen, verstanden und berücksichtigt: »... was die Lebensfähigkeit Israels als Staat und seine demokratischen Ideale tatsächlich bedroht, ist die Herrschaft über das Westjordanland. Netanjahu und seine Minister haben weder die Absicht noch den Mut, sich diesem Problem zu stellen. Darum bringt sie die allgemeine Konzentration auf das Thema Iran in eine ungemein komfortable Lage ... In symbolischer Hinsicht gab Israel auf, was der Soziologe Max Weber als ein grundlegendes Merkmal des modernen Staates benannt hat: ein eindeutig definiertes Territorium ... Siedler aus dem Westjordanland nehmen an israelischen Wahlen teil; Palästinenser aus demselben Gebiet dürfen das nicht. Die elementaren Prinzipien der Demokratie – Gleichheit und Volkssouveränität – werden auf diese Weise untergraben ... Für Netanjahu ist es politisch nützlich, wenn sich die internationale Diskussion über Israel weiterhin fast vollständig um den Konflikt mit dem Iran dreht – in Israels Interesse ist dies nicht.« So gesehen paßte Ihr journalistischer Offenbarungseid in Teheran in den Rahmen der Kriegshetze der israelischen Regierung, derer sich ZDF, ARD und der hiesige kommerzielle Mainstream zu befleißigen haben. Die Grünen, Regierungspartei in Baden-Württemberg. – Sie streben so etwas wie Gebrauchsmusterschutz für das Wort »grün« an. In Freiburg haben Sie Klage gegen Gemeinderäte erhoben, die, weil sie sich an die Aussagen im Wahlkampf halten wollen, bei Ihnen ausgetreten sind und sich nun »Grüne Alternative« nennen. Meinen Sie, daß die Privatisierungspolitik, an der Sie sich eifrig beteiligen, Ihnen sogar die Monopolisierung einer Farbe erlaubt? Wir möchten Sie auch daran erinnern, daß vor fast 100 Jahren Reichstagsabgeordnete und andere führende linke Politiker nach dem Austritt aus der reaktionär gewordenen Ebert- und Noske-SPD ihrer Neugründung den Namen Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USPD) gegeben haben. Sie wollten zeigen, daß sie die Wahlversprechen einhalten würden. Sie blieben unbehelligt. Verwechslungsgefahr bestand nicht. In Ihrem Fall auch nicht.
Erschienen in Ossietzky 7/2012 |
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