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Hier werden bei den Fehden einzelne getötet, in Europa im Kriege Tausende.« Der Maler Emil Nolde schrieb ihn auf der Rückreise von einer Expedition nach Deutsch-Neuguinea, die im Oktober 1913 in Berlin begann und ihn über Rußland, Korea, China und Japan führte. Auf dem Rückweg besuchte er Java, Singapur, Birma, Ceylon und Ägypten. Im September 1914 war er zurück. Der Krieg hatte begonnen. Im heimischen Alsen widmete er sich Stilleben. Diese Bilder sind jetzt im Hamburger Ernst Barlach Haus bis zum 28. Mai ausgestellt. Titel: »Puppen, Masken und Idole« (Katalog 192 Seiten, 26,90 €). Das Gemälde »Trophäen der Wilden« (1914), farbenfroh und bluttriefend, zeigt abgeschnittene Köpfe, die an den Haaren an einer Stange aufgehängt sind. So drastisch sind seine anderen Figurenstilleben nicht. Nolde sammelte schon vor seiner Reise »Exotika«, kleine Figuren, auch aus Europa – in der Ausstellung sind sie zu sehen. Im Winter 1910/11, als er sich in Berlin aufhielt, besuchte Nolde das Völkerkundemuseum. Es zog ihn an, und er fertigte mehr als 120 Zeichnungen von Skulpturen. Ein ganzer Saal ist ihnen vorbehalten. Sie bilden mit seiner Sammlung die Vorlagen für Noldes in Stilleben umgesetzte Exotik fürs Vertiko. Die unterschiedlichsten Kulturen werden da auf den Bildern zusammengeführt. Nachdem Nolde 1911 James Ensor in Ostende besucht hatte, entstanden Maskenstilleben. Aber zur Nolde-Sammlung gehören auch asiatische und afrikanische Masken. Blumensträuße aus dem eigenen Garten schmücken später die Bilder. Oder Gewebtes von Ehefrau Ada: eine Geisha im blauen Kimono neben einer schwarz-weißen Milchkuh – alles aufgebaut auf einer Decke von Ada. Es sind friedliche Bilder, Stilleben gegen den Krieg gesetzt. Nolde äußerte sich gegen den Kolonialismus. Er sah den »Wilden« als edel und unverfälscht, als »eins« mit der Natur und »Teil vom ganzen All«. 1912 plante er sogar ein Buch: »Kunstäußerungen der Naturvölker« – aber daraus wurde nichts. Ein Mißverständnis gibt einem Bild den Titel, »Der Missionar« (1912). Auf gelbem Hintergrund ein schwarzgekleideter Mann mit zornrotem Gesicht, zähnefletschend, mit Bart und schwarzem Hut. In den Händen hält er eine Schriftrolle. Daneben, geduckt, eine halbnackte Afrikanerin mit Baby im blauweißen Tragetuch. An der Wand eine weiße Kultmaske. Die Ausstellung gibt Hinweise auf die Vorlagen des Völkerkundemuseums, auf Noldes Zeichnungen. Nur, was er als »Missionar« sah, war eine koreanische Wegefigur, wohl ein Wächterdämon. Also kein Vertreter westlicher Religion, der über die arme afrikanische Mutter mit ihrem Fetischglauben wettert. So entstand ein ausdrucksstarkes Bild. Nolde, der im deutsch-dänischen Grenzgebiet wohnt, wird dänischer Staatsbürger, da dieser Teil 1920 durch Volksabstimmung zu Dänemark geschlagen wird. Später zieht er nach Seebüll. Nolde schreibt seine Autobiographie. Im zweiten Teil, »Jahre der Kämpfe«, der 1934 herauskommt, scheint er alles vergessen zu haben, was er einst vom Miteinander der Kulturen schrieb und in seinen Werken ausdrücken wollte. Plötzlich steht die Reinheit – nicht nur der Farbe – im Mittelpunkt. Rassenreinheit, keine Vermischung, »auch in der Kunst gibt Rassenmischung Widrigkeiten«. Dagegen setzt er die »deutsche Kunst«. Nun entdeckt er, daß er »Zwiespältiges« nicht mag. »Ganz gleich, ob chinesisch-griechisch, exotisch-arisch, japanisch-europäisch oder französisch-deutsch. Es ist alles platte Kulturvermanschung.« Und Juden nennt er »Menschen anderer Art«, mit viel Intelligenz aber »wenig Seele«. Er sieht einen »unerträglichen Zustand entstanden«, dadurch, daß die Juden »in die Wohnstätten arischer Völker« eingesiedelt wurden. Diese Passagen hat Nolde in einer späteren Auflage gestrichen, wie der Katalog zur Ausstellung informiert. Was ist geschehen? Noldes Kunst (auch Barlachs) spaltet die Nazis. Während die einen ihn aussondern wollen, erkennen andere ihn an. Goebbels in seinem Tagebuch am 2. Juli 1933: »Ist Nolde ein Bolschewist oder ein Maler? Thema für eine Doktorarbeit ...« Noch 1937 schreibt Nolde einen Brief an den Akademiepräsidenten, daß er, als die Deutsche Nationalsozialistische Partei in Nordschleswig gegründet wurde, deren Mitglied geworden sei. Aber alle Bemühungen, ein echter deutscher Künstler zu sein, halfen ihm nicht: 1052 Werke Noldes werden aus deutschen Museen beschlagnahmt; in der Schandausstellung »Entartete Kunst« werden viele Bilder angeprangert. So auch sein berühmtes Altar-Triptychon als »gemalter Hexenspuk«. 1941 wird er aus der »Reichskunstkammer« ausgeschlossen und erhält Malverbot. In Seebüll entstehen heimlich die »Ungemalten Bilder«. Man sollte das Museum nicht verlassen, ohne in einen schmalen, dunklen Gang zu gehen, auf den nichts hinweist. Dort, um die Ecke, unterstreicht ein Film über Noldes Leben, welch ein großer Künstler er war.
Erschienen in Ossietzky 6/2012 |
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