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Das Haushaltsrecht eines freigewählten Parlaments als ein Wesensmerkmal der Demokratie? Das ist eine Idee von gestern. In Athen wird schon mal ein Beispiel vorgeführt, wie in dieser Hinsicht moderne Verhältnisse hergestellt werden können: Fachleute des internationalen Finanzmarktes, in einer Troika von EU, EZB und IWF, geben der griechischen Staatsadministration vor, was sie zu tun, wo sie zu sparen, den von Natur aus leider verschwenderischen Unter- und Mittelschichten im Lande also den Gürtel enger zu schnallen hat. Und auch, daß die griechische Oberschicht nicht zur Kasse gebeten darf, im Gegenteil, sie braucht weitere steuerliche Erleichterung, denn Griechenland soll ja lernen, den Kapitalismus effektiver zu gestalten. Dazu sind Gewinnanreize für die in- und ausländischen Investoren förderlich, und auch zusätzliche Privatisierungen öffentlichen Eigentums in Griechenland, es müssen ja nicht unbedingt Inseln sein, die Griechenland verkauft, das hat die Bild-Zeitung nur illustrativ gemeint. Aber wohin mit dem Profit, der auch im hochverschuldeten Griechenland gemacht wird? Den schaffen die Gewinner ins Ausland, was klug ist, denn so ganz genau weiß man nicht, wie lange die Rettungspakete bereitgestellt werden und was aus den politischen Turbulenzen in Hellas wird. Vielleicht kommt doch die Staatsinsolvenz dort, geordnet oder ungeordnet, oder der Anarchismus bricht aus. Und das große Kapital darf man sowieso nicht in seiner Migrationsfähigkeit hindern, das wäre freiheitsfeindlich. Acht geben muß die EU-Verwaltung darauf, daß nicht zu viele unvermögende Griechen auf den Gedanken kommen, in weniger verschuldete europäische Länder auszuwandern. Das könnte lästig werden. Vielleicht sollte »Frontex«, die europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen, demnächst geographisch reformiert werden. Selbstverständlich muß die Sparpolitik, der die griechische Administration sich nun nicht mehr entziehen kann, differenziert betrieben werden. Falsch wäre es, die griechischen Staatsaufträge an auswärtige Rüstungsunternehmen, gerade an deutsche Firmen, nun einzustellen oder zu kürzen. Sie haben sich als besonders ertragreich erwiesen. Griechenland braucht auch, über die Troika-Abgesandten hinaus, personelle Hilfe. »State building« sei dort jetzt vonnöten, schreibt die F.A.Z., man habe »zwar viele Beamte, aber keine Verwaltung im modernen Sinn«. Da stehen deutsche Profis zur Verfügung, private Servicefirmen haben dem Bundesfinanzministerium schon geeignete Dienstleister angeboten. Es könnte diesen noch an Kenntnis der griechischen Sprache fehlen, aber das ist kein schwerwiegendes Problem, denn in Europa soll ohnehin zukünftig Deutsch gesprochen werden. Üppig ist der Betrag oder Kredit, der aus dem Rettungspaket dann den Griechen selbst zufließt, verständlicherweise nicht. Denn erst einmal sind mit diesen rettenden Bürgschaften, für die der nichtgriechische Steuerzahler, zu erheblichem Anteil der deutsche, ziemlich unwillig aufkommen muß, die international tätigen Banken, Versicherungsgesellschaften und Finanzfonds schadlos zu halten, die griechische Staatsanleihen freundlicherweise übernommen hatten und jetzt um ihre Zinseinkünfte bangen müssen. Lange Zeit lief dieses Geschäft gut, sehr gut sogar, weil ein hochverschuldeter Staat den Gläubigern logischerweise besonders hohe Zinsen zu zahlen hat. Jetzt soll ein Schuldenschnitt gemacht werden, und da ist darauf zu achten, daß an den richtigen Stellen geschnitten wird. Zu diesem Zweck wird das Rettungspaket mit einem Sperrkonto verbunden – es können auf dessen Inhalt nur die Kreditgeber zugreifen. Leichtfertigkeit kann man ihnen sowieso nicht vorwerfen, denn die Kreditvergabe in den vergangenen Jahren hat sich unterm Strich durchaus rentiert, auch wenn nun Abschreibungen anstehen. Ein kleiner unangenehmer Nebeneffekt freilich ist zu befürchten, wenn in den kommenden Jahren der gemeine Grieche zum Sparen gezwungen ist: Dem deutschen Export war es gut bekommen, daß auch die griechische Bevölkerung zunehmend zu importierten Waren griff. Da wird es dann an Konsumkraft mangeln. Also müssen für diese deutschen Angebote Ersatzmärkte in anderen Ländern gefunden werden. Immerhin ist nicht zu befürchten, daß die Griechen selbst wieder als Konkurrenten im Exportgeschäft auftreten, das schaffen sie nicht mehr. Der Ratschlag, sie sollten sich anstrengen und durch Eigenproduktion im Außenhandel erfolgreich werden, ist nur als Trost gemeint, bezieht sich aufs Außerirdische sozusagen ... Rettungspakete im Finanzmarkt können kostspielig werden, für diejenigen, die bürgen oder zahlen. Da entsteht Ärger, der ein Ventil braucht. Das »Faß ohne Boden« hat hier als Wortbild große politpsychische Nützlichkeit: Die Griechen sind es, auf deren Terrain dieses geldfressende Gerät sich befindet, also werden sie es doch sein, die den Boden nicht eingebaut haben und dennoch immer mehr Nachgüsse verlangen – ein ungeschicktes und unverschämtes Völkchen, denken deutsche SteuerbürgerInnen, obwohl doch viele von ihnen gern unter der Hellassonne Urlaub machen. Das Faß wurde zwar, unter uns gesagt, nach Griechenland importiert, auf dem Eurowege, und externe Interessenten haben in das Faß über Jahre hin kräftigst hineingelangt, auch blieben und bleiben die Abflüsse aus dem Faß keineswegs nur auf griechischem Boden – aber mit solchen Informationen über die komplizierten Vorgänge der Kapitalverwertung muß man das bundesrepublikanische Volk nicht belästigen. Daß Frank Schäffler – und nicht nur er – auf das Rettungspaket schimpft, schadet nicht. Auf diese Weise wird dem deutschen Zorn auf griechische Verschwender Spielraum gegeben. Allerdings muß der Rettungsdienst dennoch geleistet werden, mit knurriger Zustimmung auch des Deutschen Bundestages. Die Abgeordneten wären überfordert, wollte man sie in die Hintergründe und Folgen solcher Finanzoperationen einführen. Wenn Griechenland doch nicht gerettet wird, können sie die Schuld bei den Griechen suchen. Jetzt muß erst einmal der Finanzmarkt zufriedengestellt werden, vor allem brauchen große Kapitalspekulanten etwas Zeit, um noch vorhandene giftige Papiere abzustoßen. Danach wird man weitersehen. Derzeit schreiben selbst gutbürgerliche Publizisten über eine »Krise des Kapitalismus«. Sie haben es nicht begriffen: Würde es nicht kriseln, wäre so manches Geschäft gar nicht zu machen, da ist das griechische Exempel lehrreich. Der Deutsche Bundestag hat das Rettungspaket abgesegnet, die Debatte war nicht weiter aufregend, das übliche Theater, mit seltsamen Nebengeräuschen, einem Geraune über den Versailler Vertrag. Peer Steinbrück für die SPD und Renate Künast für die Grünen legten dar, daß ein solches Paket die griechische Wirtschaft nicht retten werde, ihre Parteien würden es dennoch mit auf den Weg bringen. Auf Sozialdemokraten und Grüne ist eben Verlaß. Daß sie nicht unkritisch zustimmen mochten, ist verständlich; sie wollen ja selbst regieren oder mitregieren, also sich als die besseren Paketepacker anbieten. Einen Ausrutscher leistete sich FDP-Rebell Frank Schäffler, indem er beklagte, der griechische Staat wolle trotz Verschuldung noch mehr Rüstungsgüter importieren. Als Nationalliberaler müßte der Mann wissen, daß man der hart kämpfenden deutschen Rüstungswirtschaft nicht in den Rücken fällt. Und ob Paket oder Faß – wozu diese Prozeduren gut sind, sollte ein ökonomisch gebildeter Mensch doch wohl verstehen können.
Erschienen in Ossietzky 5/2012 |
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