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In Berlin gab es zur Zeit der Teilung zwei Tucholsky-Bibliotheken: eine einst noch durch seine Witwe Mary Gerold in Charlottenburg eingeweihte und eine 1960 anläßlich des 70. Geburtstages des Autors in der Max-Beer-Straße 24 in Berlin-Mitte eröffnete, dann in die Münzstraße verlegte. Durch das maßgebliche Zutun seiner Großcousine Brigitte Rothert-Tucholsky gelang es im Juni 1990, der Bibliothek im Bezirk Mitte ein repräsentativeres Domizil am Luxemburgplatz zu verschaffen. Ein von Brigitte Rothert-Tucholsky initiierter Förderkreis veranstaltete hier Lesungen und Diskussionsabende und ließ Kurt Tucholsky alias Peter Panter alias Theobald Tiger und so weiter häufig selbst zu Wort kommen, rezitiert beispielsweise von Schülern der Pankower Tucholsky-Gesamtschule, angeleitet von Helga Irmler und später von Wolfgang Hering. Roland Links sprach über die Tucholsky-Rezeption in Ost und West, es wurde über »Tucholsky und das Judentum« debattiert und auch über »Tucholsky als Sprachmittler«. Als der Bezirk Mitte meinte, sich ausgerechnet diese Bibliothek nicht mehr leisten zu können, engagierten sich Brigitte Rothert-Tucholsky und die Tucholsky-Gesellschaft für die Übertragung des verpflichtenden Namens auf einen anderen renommierten Büchertempel: eine traditionelle Wohngebiets- und Schulbibliothek in der Esmarchstraße im Bezirk Prenzlauer Berg. Der Förderkreis setzte seine Arbeit fort, Jochanan Trilse-Finkelstein referierte über Tucholsky und Heine, die Schöpfer des zweiten Gripsholm-Filmes erläuterten ihre Anliegen, und Marlis und Wolfgang Helfritsch brachten Tucholsky-Chansons zu Gehör – bis der rote Sparstift in der Ära Sarrazin den inzwischen nach Pankow eingemeindeten Prenzlauer Berg überkam. Neben anderen Kulturstätten sollte ihm 2007 die Tucholsky-Bibliothek zum Opfer fallen. Dagegen regte sich grimmiger Widerstand von Anwohnern, die die Bibliotheksräume besetzten und die Arbeit ehrenamtlich weiterführten. Durch unentgeltliche literarisch-musikalische Programme verkürzte das Zimmertheater Karlshorst den Besetzern die Durchhaltezeiten. Damals hatte gerade Bundespräsident Horst Köhler in Weimar die Wiedereröffnung der »Anna-Amalia-Bibliothek« gefeiert und dazu aufgerufen, die Schließung von Schul- und Wohngebietsbibliotheken zu verhindern. Das machte mir als damaligem Vorsitzenden der Kurt-Tucholsky-Gesellschaft Mut für die schriftliche Bitte an den obersten Repräsentanten, sich für den Erhalt der Bibliothek in der Esmarchstraße zu engagieren. Der stürmische Verlauf der weiteren Ereignisse verhinderte wahrscheinlich eine Antwort – ich weiß auch nicht, ob das Anliegen an den Präsidentennachfolger Christian Wulff weitergereicht wurde oder ob dieser sich vielleicht wegen anderer Problemlagen noch nicht einschalten konnte ... Wie dem auch sei – jetzt ist wieder demokratisches Engagement gefordert, denn Pankow soll im Bereich Kultur und Weiterbildung über eine Million Euro einsparen. Das würde sich verheerend auf kulturelle Einrichtungen, auf Jugendprojekte und auch auf die Tucholsky-Bibliothek auswirken, die seit vier Jahren ehrenamtlich geführt wird und deren Schließung insofern besonders schäbig wäre. In einer Versammlung in den Bibliotheksräumen am 2. Februar, an der auch der Pankower Kulturstadtrat Torsten Kühne (CDU) teilnahm – er bedauerte, daß sein Handlungsspielraum stark eingeschränkt sei –, erinnerten wir daran, daß Tucholskys Werke 1933 dem Feuertod zugeführt werden sollten. Das war die Zeit, in der ein Hermann Göring erklärte, wenn er das Wort Kultur höre, greife er zum Revolver. Aber auch ein Rotstift kann irreparablen Schaden anrichten. Akut gefährdet sind das über Pankow hinaus bekannte Theater unterm Dach, das traditionsreiche Kulturzentrum Wabe, das Museum Heymstraße, die Galerie Pankow, einige Teile der Volkshochschule, die Musikschule Buch-Karow, die Stadtteilbibliothek Karow – kurz: Es droht ein drastischer Kulturabbau. Dagegen läuft jetzt eine Unterschriftenaktion. Geplant ist eine Fotoaktion »Dein Gesicht gegen den Kulturabbau« (www.gegenkulturabbau.de, prokiez.wordpress.com). Auch über die Tucholsky-Bibliothek ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.
Erschienen in Ossietzky 4/2012 |
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