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Selbiger durfte zu den nachfolgenden Parlamentswahlen nicht mehr kandidieren, nicht etwa wegen der Ankündigung eines Vernichtungskampfes gegen die Linkspartei, sondern schlicht und einfach wegen Betrugsverdachts. Seine Kriegserklärung an die Linke stieß bei den führenden Sozialdemokraten auf keine Kritik, wozu auch, entsprach sie doch, wenn auch ein wenig grobschlächtig gehalten, dem strategischen Ziel der seinerzeitigen Parteispitze unter Franz Müntefering. Auch für die anderen »Volksparteien« CDU und CSU war es ein Herzenswunsch, sich die antikapitalistische Partei möglichst schnell vom Halse zu schaffen. Einer, der von diesem sehnlichen Wunsch fast um den Schlaf gebracht wurde, war der zeitweilige CSU-Chef Erwin Huber. Bereits im September 2008 rief er zum »politischen Kreuzzug gegen die Partei von Oskar Lafontaine« auf. Inzwischen ist Huber nach einigen Intrigen und Affären sowie dem mageren Ergebnis seiner Partei in den Landtagswahl 2008 aus der ersten CDU/CSU-Reihe ausgeschieden, aber am Ziel, die Linkspartei zu schwächen und sie nach Möglichkeit zu beseitigen, sind sich die früheren und die jetzigen sozial- und christlichdemokratischen Oberhäupter nach wie vor einig. Gegenwärtig weist ihr »Kreuzzug« einige Merkwürdigkeiten auf: Die SPD-Führung beschimpft die Linkspartei ob ihrer »unrealistischen Forderungen«, um gleichzeitig einen beträchtlichen Teil davon aufs eigene Banner zu schreiben. Einerseits distanziert sie sich energisch von der Linken. Unvergessen sind die Schimpfkanonaden Gabriels, der sie als »fundamentalistische Partei« bezeichnete, in der »Lafontaine und Wagenknecht mit ihrer Mischung aus Machiavellismus und Betonkommunismus das Zepter schwingen« und die »alles oberhalb einer Currywurstbude verstaatlichen will«. Andererseits wildert sie in der sozialen Agenda der Linkspartei und versucht, sich als die eigentliche Vorkämpferin für soziale Gerechtigkeit auszugeben. Auf einer Klausur der SPD-Spitze in Potsdam tönte Gabriel jüngst: »Die Zeit des Neoliberalismus ist vorbei« und verkündete, daß seine Partei bis zur Bundestagswahl 2013 das Thema »Gerechtigkeit« in den Mittelpunkt stellen werde. Ausgerechnet mit diesem Thema will die Agenda-2010-Partei im Wahlkampf auch der Linken das Wasser abgraben, um nach der Wahl in der insgeheim angesteuerten schwarz-rosa oder rosa-schwarzen großen Koalition die Politik fortzusetzen, die die Schere zwischen Arm und Reich in einem bisher unbekannten Maße geöffnet hat. Die CDU/CSU-Kreuzzugsritter gegen die Linke halten wenig vom Abkupfern linker Positionen, einige von ihnen bevorzugen den Frontalangriff. Als besonders lautstarker Knappe tut sich CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt hervor. In der ARD-Talk-Sendung »Günther Jauch« forderte er ein weiteres Mal ein Verbot der Linkspartei, da diese »ein schwer gestörtes Verhältnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung in Deutschland« habe. Diese Attacke brachte ihm heftige Kritik von verschiedenen Seiten ein, aber die ihn vorschickten, glauben damit ihr Ziel zu erreichen. Wähler sollen abgeschreckt und potentielle Mitglieder verunsichert werden. Das geschieht in Bayern auch auf anderen Wegen. So werden Beamtenanwärter eingeschüchtert, indem ihnen spezielle Fragebogen vorgelegt werden, auf denen sie angeben müssen, ob sie Verbindungen zu Organisationen wie der Linkspartei haben. Wenn es gilt, die freiheitlich-demokratische Grundordnung in unserem Vaterland zu schützen, hat sich die Praxis der Berufsverbote doch schon seit jeher bewährt. Auch 22 Jahre nach dem Untergang der DDR schwingt man gegen die Linkspartei noch immer den Stasi-Knüppel – in Brandenburg wird gerade wieder gründlich überprüft, wer wann und wie mit dem DDR-Geheimdienst kooperiert hat. Zur gleichen Zeit wurde bekannt, daß der bundesdeutsche Geheimdienst, der sich Verfassungsschutz nennt, eine große Anzahl der Bundestagsabgeordneten der Linken überwacht. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich, zufällig einer aus der CSU-Kreuzrittertruppe, bestätigte das, allerdings mit der Lüge, man beobachte nur öffentliche Reden und Schriften, eine Überwachung mit geheimdienstlichen Mitteln finde nicht statt. Auch diese faustdicke Lüge ist schnell geplatzt. Zumindest in sieben Bundesländern werden gegen die Linke, so der oberste niedersächsische Verfassungsschützer, »nachrichtendienstliche«, also geheimdienstliche Mittel eingesetzt. Damit bestätigte er mehr oder weniger offen, was längst vermutet wurde: In der Linkspartei sind V-Leute im Einsatz. Eine überraschende Neuigkeit ist das nicht. Zur geheimdienstlichen Ausforschung von Parteien und Vereinen gehören »Vertrauens«-, also V-Leute. Wenn die sich in der NPD tummeln, dann liegt es nur allzu nahe, daß sie in der für die kapitalistische Grundordnung weitaus gefährlicheren Linken zu Gange sind. Doch was machen diese gekauften Agenten? Beobachten und spitzeln sie nur, um Berichte abzuliefern, oder treiben sie auftragsgemäß auch ganz andere Spiele, um die Linke zu schwächen und wenigstens Teile von ihr zu zersetzen? Manche merkwürdigen Geschehnisse machen zumindest stutzig. Wie ist es zum Beispiel zu erklären, daß ein Bundesarbeitskreis der Linksjugend solid mit dem schönen Namen BAK Shalom im Internet eine »Plattform gegen Antisemitismus, Antizionismus, Antiamerikanismus und regressiven Antikapitalismus« betreibt und der Linkspartei Antisemitismus unterstellt? Ein eigentlich lächerlicher Vorwurf, der allerdings, von den systemtreuen Medien und Parteien mit Freude aufgegriffen, zu einer wüsten Hetzkampagne einschließlich einer Hau-drauf-Veranstaltung im Bundestag führte. Über die unsägliche Reaktion von Teilen der Führung der Linkspartei, die ihren Bundestagsabgeordneten die Beteiligung an einer geplanten Hilfsflotte für den Gaza-Streifen untersagte, konnten sich BAK Shalom und seine Spin Doktoren freuen. Nicht weniger seltsam ist ein jüngst von den Medien veröffentlichtes, angeblich aus den Reihen der Linken kommendes anonymes Dossier mit dem Titel »Analyse der Gegenkräfte im Landesverband Bayern«. Darin wird unter anderem aufgelistet, wie führende Mitglieder der Linkspartei diskreditiert werden können. Empfohlen wird zum Beispiel, ihre Krankheiten auszunutzen, sie zu isolieren oder sie öffentlich lächerlich zu machen, ihr Privatleben zu skandalisieren oder ihre ausländische Herkunft immer wieder in Erinnerung zu rufen. Sind das die Sprache und die Methoden von Mitgliedern einer Linkspartei oder riechen sie nicht eher nach bayerischen Kreuzrittern und ihren V-Leuten? Muß man da nicht Übles vermuten? Aber woher denn? Unser Verfassungsschutz und seine V-Leute sind doch über jeden Verdacht erhaben. Schließlich leben wir in einem demokratischen, mehr noch: in einem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat. Rechtsstaat? Na eben!
Erschienen in Ossietzky 4/2012 |
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