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Angestoßen hat diese Affäre ein Arbeitskreis in der »Linksjugend Solid«, der seltsamerweise den Namen »Shalom« für sich beansprucht. Um Mißverständnisse zu vermeiden: Pro domo schreibe ich hier nicht, ich gehöre nicht zu den Unterzeichnern des erwähnten Aufrufs. Schon deshalb nicht, weil ich keinen Sinn darin sehe, in dieser Sache eine Forderung an die Bundesregierung zu adressieren. Diese hat sich längst prinzipiell für weltweiten militärischen Interventionismus entschieden. Notwendig ist es, den Protest gegen diese Politik insgesamt und aktuell gegen die Vorbereitungen von kriegerischen Zugriffen auf den Iran und auf Syrien auszuweiten und zu verstärken. Nur Druck von unten kann da etwas bewirken, eine »Bekehrungserlebnis« der Regierenden ist nicht zu erwarten. Außerdem wäre es nützlich gewesen, im Aufruf kurz darzustellen, welchen politischen Bestrebungen und Perspektiven in der iranischen und in der syrischen Gesellschaft die internationale Solidarität gelten soll. Die »Völker« dort sind keine »Volksgemeinschaften«, in ihnen werden Kämpfe auch der sozialen Klassen ausgetragen. Die herrschenden politischen Systeme in Ländern wie dem Iran und Syrien, aber ebenso die in von der NATO mit Waffen vollgestopften Staaten wie Saudi-Arabien, sind unvereinbar mit den Zielen der internationalen Linken, mit Volkssouveränität und dem Recht auf eine menschenwürdige Existenz für jede Frau und jeden Mann, für alle Kinder und jungen Leute. Solidarität der Linken heißt nicht: Anerkennung von Feudalcliquen. Der entscheidende Punkt ist: Die gewalttätigen Interventionen von außen her, die verdeckten und offenen Aggressionen der NATO-Staaten, dienen nicht einer politischen und sozialen Emanzipation der Bevölkerungsmehrheit in diesen Ländern, auch wenn sie sich auf das Ideal der Menschenrechte berufen. Sie sind vielmehr bestimmt durch geopolitische und ökonomische Machtinteressen, diese Art von Neokolonialismus ist genauso menschenverachtend und zerstörerisch wie die klassische Kolonialpolitik. Die diskurspolitische Funktion des Arbeitskreises, der sich »Shalom« nur nennt, ist unschwer zu erkennen. Die Friedensinitiativen und die Linke in der Bundesrepublik sollen verunsichert, eine »innere« Anerkennung der NATO-Militärpolitik soll erreicht werden. Um zu dieser Einschätzung zu gelangen, bedarf es keiner verschwörungstheoretischen Anregungen. Es genügt, der Frage nachzugehen: Welcher Politik dient »links« auftretender Bellizismus. Ein Blick in die Geschichte ist da aufschlußreich. Afghanistan, Irak, Libyen – die militärischen Eingriffe haben nicht Freiheit, Frieden und Entwicklung hervorgebracht, sondern exakt das Gegenteil: Neue Unterdrückung, andauernde Gewalt, Zerstörung. Und diese Folgen waren einkalkuliert. NATO-Kriege sind keine humanitären Veranstaltungen. Übrigens hat das Geschrei von Politikern der Union und der SPD über die angebliche Unterstützung des »mörderischen Assad-Regimes« durch Abgeordnete der Linkspartei auch eine ablenkende Funktion; tatsächlich nämlich haben deutsche Regierungen, christ-, frei- und sozialdemokratisch besetzte, seit langem die Zusammenarbeit mit jenen syrischen Machthabern gepflegt, die jetzt ins Visier der NATO geraten sind. Deutsche Geheimdienste und Flüchtlingsbehörden nahmen gern die Staatsorgane in Damaskus zur Hilfe, um »Terroristen« zu jagen und Asylsuchende abzuweisen oder wieder abzuschieben. Das »Rückübernahmeabkommen« zwischen der Bundesrepublik und Syrien aus dem Jahre 2009, eine scharfe Waffe gegen Migranten, wird nach wie vor praktiziert. Bei solcherart Kooperationen stand im Hintergrund auch das Kalkül, die in Syrien Regierenden allmählich zu geopolitischen Partnern des »Westens« machen zu können, da wurden Foltergewohnheiten bedenkenlos in Kauf genommen. Jetzt hat das NATO-Bündnis sich für eine andere Strategie im Fall Syrien entschieden, an die Stelle anwerbender Kontakte tritt die Drohung mit Militärschlägen. Und so wird in der Propaganda von Washington bis Berlin aus dem »stabilisierenden« das »mörderische« Assad-Regime Und: Die deutsche Regierung wird sich neue Partner in Syrien suchen müssen, um Migrationsabsichten zunichte zu machen.
Erschienen in Ossietzky 2/2012 |
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