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Hatte es dort im abgelegenen Brandenburgischen für den Kriegsfall klammheimlich eine Reservezentrale unterhalten oder wurde das einst vier Jahrhunderte lang im Besitz der Hohenzollern befindliche Burggelände für konspirative Treffen mit Informellen Mitarbeitern genutzt? Nichts von alledem. Trotzdem gibt es zwischen der Burg Beeskow und dem Sitz des Bundesbeauftragten im Berliner Stadtzentrum etwas Verbindendes. Aber der Reihe nach. Unmittelbar neben der Burg befindet sich in einem ehemaligen Getreidespeicher das »Kunstarchiv Beeskow«, das sich als »Dokumentationsstelle zur bildenden Kunst in der DDR« versteht. In ihm sind rund 23.000 Kunstobjekte, vor allem Gemälde, Zeichnungen, Grafiken und Aquarelle, aber auch Skulpturen und kunstgewerbliche Gegenstände untergebracht. Vor 1989/90 gehörten sie der Gewerkschaft und anderen Massenorganisationen, den Parteien und Staatsorganen. Sie schmückten staatliche und gesellschaftliche Einrichtungen, Ferienheime, Speisesäle in Großbetrieben, Kultur- und Gästehäuser. Nach dem Anschluß der DDR an die Bundesrepublik wurden die Kunstwerke von der Treuhand übernommen, die sie 1994 nach dem sogenannten Fundortprinzip den ostdeutschen Bundesländern übergab. Die Beutekunst aus Ostberlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern landete in der Burg Beeskow, wo der letzte Kulturminister der untergegangenen Republik, Herbert Schirmer, das »Kunstarchiv« gründete. Der Fundus ist riesig, neben trivialer Kunst werden in dem unmittelbar an der Spree gelegenen Speicher Werke vieler namhafter Künstler gelagert, darunter von Roman Paris, Heidrun Hegewald, Neo Rauch, Willi Sitte, Bernhard Heisig, Werner Tübke, Walter Womacka. Die Unterbringung der Kunstwerke ist miserabel. Sie lagern dicht an dicht, teilweise übereinandergestapelt. Es fehlt an notwendigen technischen Einrichtungen, darunter an einer zuverlässigen Klimaanlage. Zuweilen werden ausgewählte Werke in den kleinen Räumen der mittelalterlichen Burg gezeigt, und sogar in Ausstellungen in München, Basel und Bonn konnten sie bewundert werden. Doch die Lagerung der Gemälde ist so katastrophal, daß der für das »Kunstarchiv« verantwortliche Burgherr Tilmann Schladebach klagend eingesteht: »Jedes zweite Bild, das wir präsentieren wollen, muß inzwischen erst einmal restauriert werden.« Der zuständige Kulturamtsleiter des Landkreises Oder-Spree, Wolfgang de Bruyn, meint: »Es ist ein Schatz, ein Spiegel der DDR-Kulturgeschichte, den wir hier haben.« Aber die Lagerung dieses Schatzes ist, gelinde gesagt, eine Kulturbarbarei. Wenn die Kunstwerke schon in der abgelegenen Kleinstadt untergebracht sind, so sollte das zumindest unter akzeptablen Bedingungen erfolgen. Schon lange rackern sich die Burgherren ebenso wie die Bürgermeister ab, um ein neues Depot errichten zu lassen. Vorarbeiten sind geleistet, Ausschreibungen und ein Architektenwettbewerb haben stattgefunden. Doch es fehlt an Geld, an zehn Millionen Euro. Erst kürzlich hat die Europäische Union es abgelehnt, die notwendigen Fördergelder zur Verfügung zu stellen. Zuschüsse aus deutschen Quellen sind nicht in Sicht. Weder die Bundesländer noch der Bund sehen sich in der Lage, die zehn Millionen Euro aufzubringen. Begründet wird das mit vielerlei Argumenten, das ulkigste lautet, daß es sich bei dem Kulturgut in Beeskow letztendlich doch nur um »Auftragskunst« handle. Die so argumentieren wollen vergessen machen oder – eigentlich noch schlimmer – wissen nicht, daß ein großer Teil der bekanntesten Gemälde in den Museen der Welt auf Bestellung wohlhabender Mäzene, im Auftrag von Kaisern und Königen, von Kirchenfürsten, reichen Kaufleuten und einflußreichen Politikern geschaffen wurde. Albrecht Dürer und Caspar David Friedrich waren ebenso »Auftragskünstler« wie Peter Paul Rubens und Rembrandt van Rijn. Letzterer hätte schwerlich seine berühmte »Nachtwache« gemalt, wenn er dazu nicht einen Auftrag der Amsterdamer Schützengilde erhalten hätte. Und in der Neuzeit ist es nicht viel anders. Selbst im Amtssitz der Bundeskanzlerin Angela Merkel ist ein »Auftragswerk« an das andere gereiht: die mehr oder weniger gelungenen Porträts der bisherigen bundesdeutschen Kanzler. Nein, die Schmähung der Kunstsammlung in Beeskow als »Auftragskunst« ist ebenso flachsinnig wie albern. Der wahre Grund für die Knauserigkeit der bundesdeutschen Kassenwarte ist darin zu suchen, daß es sich bei den Werken der bildenden Kunst um den ungeliebten Nachlaß eines »Unrechtsstaates« handelt. Und DDR-Hinterlassenschaften gibt es nun einmal unterschiedliche: geringgeschätzte und verpönte auf der einen und bewahrenswerte und schutzwürdige auf der anderen Seite. Zu ersteren gehört ein beträchtlicher Teil des Kulturgutes der DDR, zu letzteren – und hier sind wir nun doch bei dem Verbindenden zwischen der Burg in Beeskow und der Gauck-Birthler-Jahn-Zentrale angelangt – das Archivgut der Staatssicherheit. Was im »Kunstarchiv« in der alten Festungsanlage fehlt, ist im Aktendepot des Bundesbeauftragten ziemlich reichlich vorhanden. Allein für das Jahr 2011 waren im Bundeshaushalt 95.888.000 Euro für den MfS-Aktenverwalter vorgesehen, und auch vorher zeigten sich die Damen und Herren, die über die Verwendung des Geldes der Steuerzahler entscheiden, nicht knauserig. Für die Aufbewahrung und »Auswertung« der MfS-Akten stellten sie Jahr für Jahr rund 100 Millionen Euro zur Verfügung: 2008 – 99.462.000 Euro, 2009 – 99.800.000 Euro und 2010 – 100.448.000 Euro. Nachdem der Bundestag im Herbst beschlossen hat, die Überprüfungen auf eine frühere Zusammenarbeit mit der DDR-Staatssicherheit bis zum Jahre 2019 zu verlängern, dürfte noch so manches Milliönchen in das Portefeuille des MfS-Aktenverwerters fließen. Angesichts dieser unumgänglichen, ausschließlich der Sicherung des freiheitlich-demokratischen Rechtsstaates und der Demaskierung eines »Unrechtsstaates« dienenden Ausgaben, die bereits jetzt die Milliardengrenze überschritten haben, ist es dem Finanzminister und seinen Kollegen in den Ländern einfach nicht zuzumuten, einmalig einen Bruchteil dieser Summe, zehn Millionen Euro, für die sichere Aufbewahrung der DDR-Kulturgüter in Beeskow in den Haushalt einzustellen. Irgendwo muß gespart werden.
Erschienen in Ossietzky 1/2012 |
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