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Bitteres Unrecht geschieht Hans Eichel, der 30 lange Jahre für Partei und Vaterland geschuftet hat: von 1975 bis 1991 als Oberbürgermeister der nordhessischen Stadt Kassel, anschließend bis 1999 als Ministerpräsident des Landes Hessen und danach bis 2005 als Bundesfinanzminister in der rosa-grünen Schröder-Fischer-Regierung und Mitglied im SPD-Präsidium. Nachdem er 2009 auch aus dem Bundestag ausgeschieden war, hatte er guten Grund, sich auf das Altenteil zurückzuziehen und von seinen hart erarbeiteten Altersbezügen in bescheidenem Wohlstand zu leben. Doch Undank ist der Welten Lohn. Statt, wie erhofft, eine monatliche Pension von rund 14.550 Euro zu beziehen, wird er mit kläglichen 8.200 Euro abgespeist. Seine Ansprüche aus 16 Jahren Kärrnerarbeit als Oberbürgermeister in Höhe von 6.344,81 Euro werden ihm bisher vorenthalten. Nun versuchte er seine Rechte inklusive einer Nachzahlung von 200.000 Euro vor dem Bundesverwaltungsgericht einzuklagen. Seine Klage wurde abgewiesen. Die Stadt Kassel muß nicht zahlen. Doch das Gericht mit Sitz in Leipzig spendierte ein Trostpflaster und machte ihm Hoffnung, daß er für seine Arbeit als Ministerpräsident des Landes Hessen doch noch einen Zuschlag von rund 2.500 Euro zu seiner jetzigen Pension erhalten kann. Fürsorglich hat der Niedrigpensionär dazu über seinen Anwalt bereits beim Verwaltungsgericht Kassel eine Klage eingereicht. Hier kann man ihm nur die Daumen drücken. Doch das Mitgefühl mit dem Ex-Ministerpräsidenten und Ex-Finanzminister hält sich in Grenzen. Statt ihm Respekt für sein jahrzehntelanges Wirken im Dienste der bundesdeutschen Gesellschaft und für seine überzeugende Rechtsposition zu zollen, wird er in der Öffentlichkeit der Hab- und Raffgier bezichtigt. Selbst Andrea Nahles, Generalsekretärin der Partei, der er bis heute treu verbunden ist, verstieg sich zu der Äußerung, daß sein Vorgehen »unabhängig von der Rechtslage ... einen verheerenden Eindruck (erweckt)«. Na, wo leben wir denn? Hat sich Hans Eichel denn nicht stets, vor allem als Bundesfinanzminister – ganz im Gegensatz zu seinem aufmüpfigen Vorgänger Oskar Lafontaine – als ein zuverlässiger Parteisoldat erwiesen? Seine Verdienste als »Sparkommissar« sind doch nicht zu bestreiten. Unvergessen sind seine Steuerreformen: die Absenkung des Spitzensteuersatzes von fast 54 auf 42 Prozent, wofür ihm die Spitzenleistungsträger unserer Gesellschaft noch heute dankbar sind; die Einschnitte in die Körperschaftsteuer, die die Einnahmen des Staates von 23,5 Milliarden im Jahr 2000 auf nahezu Null im Folgejahr senkten; die konsequente Ablehnung einer bescheidenen zusätzlichen finanziellen Belastung der Vermögenden mit der klaren Ansage: »Die Vermögenssteuer ist weg und bleibt weg.« Neben Gerhard Schröder, Peter Hartz und Frank-Walter Steinmeier gehörte Eichel zu den verdienstvollen Architekten der Agenda 2010, die er nach eigenem Bekunden gern ein halbes Jahr früher beschlossen hätte und die trotz dieser Verspätung seiner Einschätzung nach »die Grundlage für mehr Wachstum geschaffen hat«. Standhaft und besonnen unterstützte er die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum Arbeitslosengeld II, zu »Hartz IV«, das, wie er freimütig bekannte, aus Gründen der Finanzierbarkeit »deutlich unter der Arbeitslosenhilfe liegen (wird)«. Das Wohl, und nur das Wohl des deutschen Volkes im Auge habend, hat er sich stets gegen einen Anstieg der Rentenausgaben im Bundeshaushalt und damit gegen überflüssige Rentenerhöhungen ausgesprochen. Er wußte auch weshalb, schließlich mußten die Ausgaben für die Landesverteidigung aufgebracht werden, ganz zu schweigen von den diversen Auslandseinsätzen der Bundeswehr und den rein humanitären Kriegen gegen Jugoslawien und in Afghanistan. Nein, er hat es nicht leicht gehabt, der heute so Gescholtene. Alle wollten Geld aus seiner Staatsschatulle, aber er mußte haushalten, denn er wußte: »Keine Lobby will sparen, alle wollen nur ein Stück vom Kuchen.« Ist es ihm angesichts dieser Erkenntnis zu verdenken, daß er nun als Pensionär auch ein »Stück vom Kuchen« haben will? Und was ist heutzutage für einen solchen Spitzenpolitiker wie Eichel eine Monatspension von 14.550 Euro? Ohne Zweifel werden seine ehemaligen Regierungskollegen, Ex-Kanzler Schröder und Ex-Vize-Kanzler Fischer, finanziell besser dastehen. Völlig zu Recht hat sein Anwalt Wolfgang Klimt, der vor dem Bundesverwaltungsgericht für ihn stritt, im Namen seines Mandanten auch daran erinnert: »Die Altersbezüge politischer Amtsträger entsprechen nur einem geringen Bruchteil der Versorgungsbezüge, die in der Privatwirtschaft gezahlt werden, beispielsweise an Vorstandsmitglieder.« Wie wahr! Das durchschnittliche Jahreseinkommen der Manager von Dax-Konzernen liegt bei 2,9 Millionen Euro, und die Pensionsrückstellungen der zehn höchstbezahlten reichten 2010 von 8,6 bis 22,7 Millionen Euro. Nein, so viel verlangt er doch gar nicht, der sparsame Hans! Er regt sich nicht einmal darüber auf, daß er zum Beispiel gerade in der Adventszeit selbst gegenüber den Niedriglöhnern im Berliner Einzelhandel benachteiligt wird. Diese können frohgemut auf das nahe Christfest blicken, denn sie bekommen eine einmalige Sonderzahlung, auch wenn diese in Ost und West unterschiedlich hoch ausfällt. Die Mitarbeiter von Rewe, Schlecker, Lidl und Kaufland erhalten in Westberlin ein Weihnachtsgeld in Höhe von 62,5 Prozent ihres Monatslohnes. Im Osten der Stadt gibt es gleich zweimal weniger, nämlich nur 52,5 Prozent des schon geringeren monatlichen Ostsalärs. Hans Eichel wird selbst bei dieser Gelegenheit leer ausgehen. Ein Weihnachtsgeld ist für ihn nicht vorgesehen. Doch deshalb muß er nicht traurig sein. Er ist Ungerechtigkeiten gewöhnt, und unabhängig davon, wie das Gericht in Kassel über seine Klage befindet, Altersarmut droht ihm nicht. So kann er denn gemeinsam mit den privilegierten Verkäufern bei Lidl und Schlecker in Ost und West in das schöne Lied einstimmen: »Fröhliche Weihnacht überall!«
Erschienen in Ossietzky 25/2011 |
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