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Rhetorisch geschickt wurden Kapital, Kabinett und Konzernmedien nicht müde, dies als einen tatsächlichen Atomausstieg hinzustellen. Verschwiegen wurde, daß die acht AKW ohnehin hätten abgeschaltet werden müssen, weil sie nicht einmal gegen Abstürze kleiner Sportflugzeuge gesichert sind. Greenpeace hatte wegen des inakzeptablen Restrisikos Klage eingereicht. Einem Gerichtsurteil ist die Regierung mit der Abschaltung zuvorgekommen. Wie bei der »Ausstiegsvereinbarung« der rot-grünen Koalition vom Juni 2000, die atomare Restlaufzeiten bis 2030 beinhaltete, stellen CDU/CSU und FDP auch mit dem jetzigen »Atomausstiegsbeschluß« den ungestörten Weiterbetrieb der verbliebenen neun AKW sicher, die bis 2022 stufenweise stillgelegt werden sollen. Die von den Linken beantragte Verankerung des Atomausstiegs im Grundgesetz ist tunlichst vermieden worden. So könnte, wenn sich die Lage beruhigt hat, der sogenannte Atomausstieg mit einem einfachen Gesetz wieder rückgängig gemacht werden. Damit in der Zwischenzeit das Know-how der Nukleartechnik erhalten und ausgebaut werden kann, wird auf die Zukunftsprojekte Transmutation (neues Behandlungskonzept für zukünftige radioaktive Abfälle) und Kernfusion (Stromerzeugung mittels kontrollierter Kernverschmelzung von Deuterium mit Tritium zu Helium) gesetzt. Hierbei handelt es sich um milliardenschwere Großprojekte einer Hochrisikotechnologie. Ob diese jemals für zivile Zwecke eingesetzt werden können, steht in den Sternen. Ihre militärische Nutzbarkeit liegt jedoch auf der Hand. So sind unter anderem für die Transmutation Wiederaufbereitungsanlagen zu errichten, die mit bombenfähigem Plutonium arbeiten und die in Deutschland bisher am Widerstand der Bevölkerung gescheitert sind. Mit dem Fusionsreaktor lassen sich selbst bei nur kurzen Betriebszeiten die für die Herstellung von Massenvernichtungswaffen notwendigen Komponenten wie Plutonium und Tritium erbrüten. Die immensen Mittel dafür sind im Haushaltsplan des Bundes nicht ausgewiesen. Die neben anderen Forschungseinrichtungen für solche Projektaufträge in Frage kommende Helmholtz-Gemeinschaft mit einem Forschungsetat von rund 3,3 Milliarden Euro ist privatwirtschaftlich organisiert. Sie läßt sich bei der Investition der Gelder in die Kernfusion und in die nuklearen Sicherheitsforschung nicht in die Karten schauen. Das gilt auch für die Forschungsinhalte. So schreibt zum Beispiel das Helmholtz-Zentrum Berlin, das mitten in der Hauptstadt einen Forschungsreaktor betreibt, in seinen »Informationen für die Umgebung des Forschungsreaktors« unter der Überschrift »Wozu dient die Neutronenquelle?«, damit solle die Echtheit von Gemälden genauso untersucht werden wie Dinosaurier-Schädel oder Bauteile einer Ariane-Rakete. Tatsächlich sollen aber in den nächsten fünf Jahren in dem veralteten Reaktor, der ungeschützt in einer Werkhalle mitten in einem Wohngebiet untergebracht ist und seit Oktober 2010 wegen Reparaturarbeiten stilliegt, Materialien erforscht werden, die den starken Neutronenströmen eines Fusionsreaktors standhalten und die sich für den magnetischen Einschluß des über eine Million Grad heißen Fusionsplasmas eignen. Zusammengeführt wird die Fusionsforschung im ITER (engl.: International Thermonuclear Experimental Reactor), einem internationalen Forschungsprojekt. An dem beteiligt sich Deutschland über Euratom zusammen mit den Atomwaffenstaaten USA, China, Rußland und Indien sowie mit den am Bau von Atomwaffen interessierten Staaten Japan und Südkorea. 2026 soll der im Erdbeben-Risikogebiet von Cadarache in Frankreich zu errichtende Experimentier-Fusionsrektor fertig sein. Mit seinem Bau wurde 2009 begonnen. Die bei Vertragsabschluß 2007 kalkulierten Kosten von 5,5 Milliarden Euro haben sich inzwischen mit 16 Milliarden Euro verdreifacht. Die Kosten für den ersten kommerziell nutzbaren Prototyp, mit dessen Fertigstellung frühestens 2050 gerechnet wird, werden auf rund 100 Milliarden Euro geschätzt. Laut Spiegel-Online steht das Großprojekt auf der Kippe, weil die Kosten explodiert sind. Forschungsministerin Annette Schavan (CDU) sei inzwischen vorsichtig auf Distanz zu dem Mega-Vorhaben gegangen. Sie übt Kritik daran, daß der Bund statt der ursprünglich vereinbarten 540 Millionen Euro nun mehr als eine Milliarde überweisen soll. Nach Fukushima hat sich die Situation finanziell weiter verschärft, weil Japan wegen der Folgekosten der Reaktorkatastrophe seinen Beitrag zur Fusionsforschung nicht mehr leisten kann. Damit eröffnet sich die große Chance, daß Deutschland den Euratom-Vertrag aufkündigt, wirklich aus der Atomtechnik aussteigt und die frei werdenden Mittel für den beschleunigten Ausbau und die Entwicklung regenerativer Energien ausgibt. Innerhalb von zwei bis drei Jahren wäre es dann nicht nur möglich, auch die am Netz verbliebenen neun AKW abzuschalten. Es würde auch Geld für die Lösung anderer drängender Probleme frei. Viele kleine und mittelständische Unternehmen bekämen so reichlich zu tun. Das würde die Binnennachfrage, die Sozialversicherungskassen und die Gewerkschaften stärken. Für Großkonzerne mit ihren Mensch und Natur schädigenden Großprojekten bliebe nicht mehr soviel Spielgeld übrig. Fiele die atomare Infrastruktur weg, hätten es Militärs und Rüstungskonzerne schwerer, atomare Massenvernichtungswaffen funktionsfähig zu erhalten und neue herzustellen. Die bestehenden Abrüstungsverträge könnten endlich mit Leben erfüllt werden. Es bedarf des politischen Willens, dies umzusetzen. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an den Entwurf des leider in den Schubladen versunkenen Kernenergieabwicklungsgesetzes von 1986. Darin wurde das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit als ein höherrangiges Gut angesehen als die Profiterwartungen großer Konzerne.
Erschienen in Ossietzky 23/2011 |
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