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Nicht zuletzt dadurch, daß sich CDU und FDP dabei auch Unterstützung bei der neonazistischen NPD holten, die ob der erfolgreichen Blockade des Naziaufmarsches im Februar 2011 noch ein Süppchen mit dem »Rädelsführer« Hahn zu kochen hat. Just in diesen Tagen, als sich in Dresden, der Hauptstadt des »rechtskonservativsten und unfreiesten Bundeslandes der Republik«, so der Berliner Historiker Wolfgang Wippermann, die Parlamentarier auf ihre Weise in rechter Koalition der Auseinandersetzung mit Rechts widmeten, hat sich Siegfried Reiprich auf die Reise nach Prag begeben. Reiprich ist Geschäftsführer der Stiftung »Sächsische Gedenkstätten zur Erinnerung an die Opfer politischer Gewalt«. In Prag führte ihn sein Weg ins »Institut für das Studium totalitärer Regime«. Dort ist Mitte Oktober 2011 eine Institution aus der Taufe gehoben worden, die sich fortan der nächsten Runde der »Aufarbeitung totalitärer Regime« widmen soll. »Plattform des Europäischen Gedenkens und Gewissens« – so nennt sich das Gremium, das möglichst bald nach Brüssel übersiedeln möchte, um dort nahe den EU-Behörden Lobbyarbeit machen und entsprechende Tantiemen kassieren zu können. Reiprich ist, wie die Leitung der sächsischen Stiftung verlautbarte, neben Vertretern Polens, Rumänien und Sloweniens in den Vorstand (»Executive Bord«) gewählt worden. In einer schlicht als Presseinformation deklarierten Botschaft formuliert er wie ein sendungsbewußter Aufklärer, als Zielgruppe hat er die »europäische Jugend« im Blick. »Europa war«, lautet seine Einleitung, »im Gefolge von Faschismus, Kommunismus und Nationalsozialismus über viele Jahrzehnte geteilt, es entstanden divergierende Erinnerungskulturen«. Als Mitteleuropäer und »Vertreter Deutschlands« wolle er fortan zur Integration »verschiedener kollektiver Gedächtnisse der Europäer von Portugal bis zum Ural« beitragen, und diese müsse wurzeln »im europäischen Humanismus, der christlichen Tradition und ihrer daraus resultierenden demokratischen Philosophie«. Nach diesem Schwulst heißt es dann, weiter entwickelt werden solle die Erforschung von »Menschenrechtsverletzungen und Machstrukturen sowie die politische Bildung bezüglich totalitärer Regime auf europäischem Boden«. Und: »Die besondere Betonung liegt hierbei auf Nationalsozialismus und Kommunismus.« Hier wird der Kurs der Prager Einrichtung deutlich. Ein geschichtspolitischer Kurs, der hierzulande am Volkstrauertag 1993 mit der Umwidmung der Neuen Wache in Berlin demonstriert worden ist. Vom »Mahnmal für die Opfer des Faschismus und Militarismus« wurde diese Stätte Unter den Linden vom damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl zur »Zentralen Gedenkstätte der Bundesrepublik Deutschland für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft« umfunktioniert. Diese Gedenkformel schließt, so der Politikwissenschaftler Joachim Perels, »in der Auflösung des geschichtlichen Zusammenhangs konsequent auch ein Gedenken an Roland Freisler, den obersten Justizmörder des Dritten Reiches, ein, der Anfang Februar 1945 durch eine Bombe getötet wurde«. Eine weitere Spur zur proklamierten »vorurteilslosen Kenntnisnahme aller, mitunter auch verstörenden Fakten, der wahrhaftige Umgang mit ihnen«, führt, entkleidet man Reiprichs Botschaft vom schmückenden Beiwerk, zur »Stiftung Sächsische Gedenkstätte zur Erinnerung an die Opfer der politischen Gewaltherrschaft«. Als die sich 2004 in Übereinstimmung mit der Gedenkstättenkonzeption der CDU/CSU daran gemacht hat, in diesem Sinne unter dem Begriff »politische Gewaltherrschaft« das Landesgedenkstättengesetz zu instrumentalisieren, erhielt Sachsens damaliger Ministerpräsident Georg Milbradt Post von Salomon Korn, dem Vizepräsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland: Derart die NS-Herrschaft und die DDR unter diesem abstrakt allgemeinen Begriff zu subsumieren, ebne die »fundamentalen Unterschiede zwischen den Verbrechen des Nationalsozialismus mit europäischen Dimensionen und der Willkürherrschaft des Kommunismus in der DDR« ein. Die NS-Verfolgtenverbände verließen unter Protest die sächsische Stiftung. Auch die in der »Arbeitsgemeinschaft der KZ-Gedenkstätten in der Bundesrepublik Deutschland« vertretenen Leiter, unter anderen der Gedenkstätten Buchenwald, Dachau, Neuengamme, Sachsenhausen und Ravensbrück, empörten sich. »Durch pauschalisierende Redeweisen wie etwa von den ›ungezählten Opfern der beiden Diktaturen‹ wird der Eindruck erweckt, es handele sich um jeweils die gleichen Opfer«, rügte der Sprecher der Arbeitsgemeinschaft, Volkhard Knigge (KZ-Gedenkstätte Buchenwald), im Juni 2004 in der Anhörung zu einem CDU/CSU-Antrag zur »Förderung von Gedenkstätten in Deutschland«. »So werden die quantitativen und qualitativen Unterschiede von nationalsozialistischer Verfolgung und Ausrottungspolitik einerseits und die Verfolgung in der SBZ und DDR andererseits nivelliert. Auf diese Weise werden NS-Verbrechen und NS-Völkermord gewollt oder ungewollt verharmlost.« Mit der Prager »Plattform« und der Verwischung von Opfern und Tätern wird jenen »rechtsradikalen Kräften und pseudowissenschaftlichen Institutionen« Auftrieb gegeben, warnt Boris Spiegel für die Organisation »Welt ohne Nazis«, »die sich als geistige und politische Nachfolger von Kollaborateuren, Legionären der Waffen-SS und Hitler-Unterstützern verstehen«.
Erschienen in Ossietzky 23/2011 |
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