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Damals kamen mit dem Papst – einem Johannes XXIII., der inzwischen aus der offiziellen Päpstegeschichte gestrichen ist, weil er noch zwei »Gegenpäpste« hatte – 33 Kardinäle und weitere 700 klerikale Konzilsteilnehmer mit etwa 18.000 Bediensteten und 50.000 Besuchern, die die Stadt zu einem großen Heerlager machten und die kargen Vorräte wegfraßen. Anwesend war auch der deutsche König Sigismund mit seinen Beratern. Er selbst hatte das Konzil angeregt, um wieder Ordnung in die durch Ämterschacher, finanzielle Gaunereien und sexuelle Schändungen zerrütteten kurialen Verhältnisse zu bringen. Wichtiger als der König war für die Geistlichkeit allerdings, daß sie nicht auf das verzichten mußte, was ihr in Rom so üppig zur Verfügung stand: eine große Schar von Prostituierten. Dafür wurde dann auch in Konstanz gesorgt. Der Chronist des Konzils, Ulrich von Richental, zählte »700 öffentliche Huren ohne die ›Heimlichen‹«. Sie lebten in eigens für sie eingerichteten »Hurenhäusern« mit jeweils 30 Bewohnerinnen oder »lagen in Ställen oder wo sie wollten«. Auf jeden Fall standen sie alle den geistlichen Herren jederzeit zu Diensten – die »gewöhnlichen« Huren den »armen Pfäfflein« und die »gehobeneren«, die »Kurtisanen«, der höheren Geistlichkeit. Eine neun Meter hohe, aus Beton gegossene Statue, die »Imperia« des Bildhauers Peter Lenk, erinnert auf der Hafenmole am Bodensee seit 1993 an die vergnüglichen Stunden, die die Konzilsteilnehmer in Konstanz hatten. Die »Imperia«, die »Große Kurtisane«, die eigentliche Herrscherin des Konzils, hält zwei nackte Männlein in ihren erhobenen Händen, durch ihre Kopfbedeckung sind sie identifizierbar: der Kaiser und der Papst. Die Statue dreht sich mit ihren Liebhabern etwa 200 Meter vor dem heute noch erhaltenen Konzilgebäude. Dem Konzil gelang es in vier Jahren, drei Päpste abzusetzen (unter ihnen einen Benedikt, den XIII.) und einen neuen Papst, Martin V., zu wählen. Irgendwelche Mißstände abzustellen, etwa die zerrüttete »Sittlichkeit« des Klerus, wie es die damalige KirchenVolksBewegung begehrte, war in der heiteren Umgebung am See nicht vorgesehen, und so taten die Kirchenvertreter das, was in ihrer Institution seit Jahrhunderten geübter Brauch war: mißliebige Menschen zu »Ketzern« zu machen, zu quälen und dann zu verbrennen. Die ahnungslosen Opfer kamen aus Böhmen: Jan Hus und Hieronymus von Prag. Gutgläubig wie sie waren, hatte der sittenstrenge Prediger Hus den Versicherungen des Königs Sigismund vertraut, ihm werde freies Geleit gegeben, und beide hatten gehofft, die Kirche wolle auf einem Konzil tatsächlich »Reformen« beschließen. Doch bald nach seiner Ankunft in Konstanz wurde Hus verhaftet, gefoltert und erhielt dann den Ketzerprozeß. Das geschah nicht im Konzilgebäude, sondern, wie es sich für solch eine heilige Handlung gehörte, im Münster der Stadt. Nach einer Predigt dort über das Pauluswort »Der sündige Leib soll zerstört werden« wurde der ohne Rechtsbeistand schon längst Verurteilte in die Halle des Münsters hineingestoßen und hörte den Urteilsspruch: Sofortiger Tod auf dem Scheiterhaufen. Das alles geschah am 6. Juli 1415 – seit 1925 ist dieser 6. Juli der Nationalfeiertag in der tschechischen Republik. Am nächsten Tag wurde ein großer Dankgottesdienst gefeiert, und noch in unserer Zeit beharrt der »Chefhistoriker der Kurie«, der 2010 vom gegenwärtigen Papst zum Kardinal berufene Walter Brandmüller, darauf: »Das Verfahren war gerecht und fair.« Da die Ketzerverbrennung beim Kirchenvolk so gut ankam, wurde sie ein Jahr später an Hieronymus von Prag wiederholt. Das Konzil von Konstanz gilt heute als der größte Kongreß des gesamten Mittelalters. Die Stadt Konstanz wird deshalb das Jahr 2014 zu einem großen Gedenkjahr machen. Der »Heilige Vater« in Rom soll die Jubiläumsfeiern krönen, die Einladung dazu wurde schon abgeschickt, aber erst, nachdem eine Kopie des nackten Papstes in der Hand der »Imperia« nach knappem Beschluß des Aufsichtsrates der Fremdenverkehrsgesellschaft aus dem Bahnhof entfernt worden war. Ob der himmlische Gast aus Rom allerdings noch einmal in heiliger Mission nach Deutschland kommen wird, nach Konstanz, wo in einem Museum an den »großen tschechischen Reformator« erinnert wird und wo dann womöglich immer noch das Original, die »Imperia«, steht, die inzwischen zu einem Touristenmagnet, ja geradezu zu dem geheimen Wahrzeichen der Stadt geworden ist – das ist doch sehr fraglich. Wer läßt sich und seiner unfehlbaren »Päpstegeschichte« schon gern – auch als »Heiliger Vater« – einen Spiegel vorhalten?
Erschienen in Ossietzky 20/2011 |
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