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Die Führungen der beiden anderen Arbeiterverbände, der zur linksliberalen Demokratischen Partei (DP) neigenden CISL und der katholischen UIL, setzten ihren Sozialpaktkurs fort und lehnten eine Teilnahme ab, aber ihre Basis beteiligte sich zahlreich an den Manifestationen. Dank der Unterstützung durch die meisten Einzelverbände, darunter die kampfstarke FIOM (Metallarbeiter), die kommunistischen Parteien PRC, PdCI und die 2006 entstandene Kommunistische Arbeiterpartei (PCL) sowie die Linkspartei »Umwelt und Freiheit« wurde der Ausstand zu einem landesweiten Erfolg. Die Basiskomitees (COBAS), die geschlossen teilnahmen, demonstrierten unter der Losung: Das Sparpaket »trieft vor Klassenhaß gegen die Arbeiter«. Umfragen am Vorabend des Ausstandes besagten, daß 69 Prozent der Italiener das Sparpaket ablehnen, Berlusconi mit 22 Prozent den Tiefstwert seiner Beliebtheit erreicht hat und bei Neuwahlen 47 Prozent auf ein Mitte-Links-Bündnis entfallen würden, während die Berlusconi-Koalition nur noch auf 27 Prozent käme. Den Hintergrund bildete die seit Monaten schwelende Krise des Berlusconi-Regimes, die längst nicht mehr nur eine Regierungs-, sondern eine das politische System erschütternde Krise ist. Führende Kapitalkreise haben Berlusconi bereits fallenlassen. Sein politisches Ende, vielleicht schon in den nächsten Wochen, ist gewiß, der Generalstreik hat es beschleunigt. Aber das Kapital gewährte Berlusconi noch eine Galgenfrist. Um den drohenden Staatsbankrott abzuwenden (mit einer Staatsverschuldung von 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts belegt Italien hinter Griechenland den zweiten Platz), sollte er nach den Vorgaben aus Brüssel das Programm eines sozialen Crash wie in Griechenland durchpeitschen. Das würde seinem Nachfolger eine Verschnaufpause beim Sozialabbau verschaffen. Der könnte dann einfach Berlusconi die Schuld am wirtschaftlichen Desaster geben und sich Verständnis dafür ausbitten, daß Änderungen schwerlich von heute auf morgen herbeizuführen seien. Die CGIL-Vorsitzende Susanna Camussi führte in Rom den Demonstrationszug an. Die Notverordnungen des Sparpakets nannte sie eine Ungerechtigkeit ohnegleichen und verfassungswidrig. Sie kündigte an, dagegen vor dem Obersten Verfassungsgericht zu klagen. Scharf wies die CGIL-Chefin die Meinung des Führers der CISL, Raffaele Bonani, zurück, der Generalstreik sei »ein Wahnsinn«, und betonte, der Streik sei seit jeher ein Kampfmittel zur Verteidigung und Verbesserung der Rechte der Arbeiter. In Rom und weiteren Städten zeigten sich im Zug der CGIL und auch an der Spitze führende Vertreter der Mitte-Links-Parteien, darunter Paolo Ferrero (PRC), Oliviero Diliberto (PdCI), Nichola Vendola (Linkspartei »Umwelt und Freiheit«), Angelo Bonelli (Grüne), Luigi Bersani (Demokratische Partei), aber auch der bekannte frühere Korruptionsermittler Antonio Di Pietro, Chef der Partei der Werte Italiens. Selbst der Vorsitzende der konservativen katholischen Oppositionspartei Union Demokratischer Christen (UDC), Pierferdinando Cassini, bekundete Verständnis für den Ausstand, den Berlusconi provoziert habe. Der populäre Linke Vendola hatte bereits vor dem Aufruf der CGIL betont, daß die Linkspartei sich an den stattfindenden Klassenkämpfen beteiligen müsse, und den Generalstreik ein »wichtiges Kampfmittel« genannt. Bersani, der sich gegen den Generalstreik ausgesprochen hatte, mußte einräumen, daß der Streikaufruf bei großen Teilen der DP Widerhall gefunden habe. Sein Partei-freund, der Parlamentarier Cesare Damiano vom linken Flügel, sagte, die Linke müsse sich »von der Kultur und Logik des subalternen Liberalismus befreien« und zur Einheit finden. Di Pietro rief auf, nicht auf das Parlament zu setzen, sondern Berlusconi »auf der Straße, auf Hunderten und Tausenden Plätzen davonzujagen«. Er lehnte eine Übergangsregierung nach einem Sturz des Regierungschef ab und forderte sofortige Neuwahlen. Der Ausstand und die Kundgebungen in über hundert Städten vermittelten die Hoffnung, daß das arbeitende Italien und seine Linke dabei sind, ihre Krise zu überwinden und zu alter Kampfkraft zurückfinden, was Voraussetzung dafür ist, wieder Einfluß auf die einst traditionell zur Linken tendierende Mitte Italiens zu gewinnen. »Wir brauchen eine außerordentliche Mobilisierung und eine Antwort, die sich nicht auf den Generalstreik beschränken kann«, erklärte der Vorsitzende der zur CGIL gehörenden FIOM, Maurizio Landini. »Nach Berlusconi müsse es »eine echte Alternative« geben, die auf »einem Programm konkreter Veränderungen« basiere. »Deshalb müssen wir uns die Straßen und Plätze zurückerobern.« Nach dem Generalstreik nahm die Regierung geringfügige »Korrekturen« vor, die bewirken, daß die Arbeiter und Rentner sogar einen noch größeren Teil der Krisenlasten zu tragen haben, zum Beispiel durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer um ein auf 21 Prozent, womit vier Milliarden Euro eingetrieben werden. Die nunmehr eingeführte Reichensteuer, auf die nach Protesten der Unternehmer zeitweilig verzichtet worden war, wird jetzt ab einem Einkommen von über 300.000 Euro (vorher 150.000) erhoben. Laut Repubblica betrifft sie nur 34.000 der 41 Millionen Steuerzahler. Unter dem Druck der öffentlichen Proteste mußte die vorgesehene Streichung von Feiertagen (oder deren Verlegung auf einen Sonntag), und zwar des 25. April (Beginn des Aufstandes gegen den Faschismus 1945), des 1. Mai und des Nationalfeiertags am 2. Juni (Sturz der Monarchie 1946), zurückgenommen werden. Nach der Annahme im Senat wurde das Sparpaket in der Kammer mit 165 gegen 141 Stimmen durchgepeitscht. Um einer Niederlage zu entgehen, hatte Berlusconi die Abstimmung mit der Vertrauensfrage verbunden.
Erschienen in Ossietzky 20/2011 |
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