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Und nun stehen wir da, unser Staat gerät unter wachsende Schuldenlast, der Euro wackelt, womöglich droht eine Inflation. Wer hierzulande die Lage so sieht, gerät in Wut. Und es stehen Politiker, Publizisten und politische Gruppen bereit, die von einem solchen Gefühl profitieren möchten; »Rechtspopulismus« ist ein verharmlosender Begriff für ihr ideologisches Angebot. Politische Demagogie hat ihre Chance stets darin, daß sie reale gesellschaftliche Probleme aufgreift, weitverbreitete Unkenntnis über deren Gründe nutzt und Sündenböcke ins Bild setzt. Der Nebel, der um die Euro-Krise wabert, ist ein Kunstprodukt, hergestellt von geschäftstüchtigen Medien und der etablierten politischen Klasse, die ihre eigenen Operationen sowie die Interessen der finanzwirtschaftlichen Machtzentralen, denen sie Dienste leistet, verhüllen möchte. Die Entscheidung für das Euro-Währungssystem, die Einbeziehung auch wirtschaftsschwacher Länder – diese politische Strategie hatte mit europäischer Sentimentalität nichts zu tun. Sie sollte den Zugriff auf neue Außenmärkte erleichtern; vornehmlich deutsche Konzerne haben daraus Gewinn gezogen. Und um die Produktion in anderen Ländern niederkonkurrieren zu können, hielt man das Lohnniveau in der Bundesrepublik niedrig und kalkulierte die Ausbreitung von Armut im eigenen Lande ein. Bei der Kreditvergabe an Staaten wie Griechenland hatten die großen Banken und Fonds, auch die in der Bundesrepublik alles andere als Wohltätigkeit im Sinne; es ging und geht um Extraprofite, nämlich um die hohen Zinsen, die hochverschuldete und beim Rating schlecht bewertete Länder zahlen müssen. Und die Sorge um den Bestand des Euro bewirkt dann, daß die Bundesrepublik einen Rettungsschirm auf Kosten des Steuerzahlers aufspannt, wenn andere Staaten nicht mehr in der Lage sind, ihre Zinsen zu zahlen. Notfalls werden, wiederum auf Kosten des Steuerzahlers, »faule« Wertpapiere von den öffentlichen Finanzinstituten (der Europäischen Zentralbank etwa) übernommen, oder der europäische Hilfsfond EFSF (demnächst ESM) schiebt Geld ins Wertpapier-Kasino, damit den großen Finanzjongleuren kein Schaden entsteht. Apropos »Verschwendungssucht« kleiner Euro-Staaten: Es waren Rüstungskonzerne in Ländern wie der Bundesrepublik, die griechische und andere Regierungen zum Ankauf teurer »Luxuswaffen« animierten, und die jeweilige Bundesregierung animierte eifrig mit. Und nun die schreckliche Staatsverschuldung, die nicht nur auf dem kleinen Griechenland, sondern auch auf der großen Bundesrepublik lastet und damit, wie Politik und Medien uns Tag für Tag erzählen, auf »den« Deutschen: Verschuldung der öffentlichen Hand bedeutet Vermögensbildung in anderen Händen: in denen einer zahlenmäßig kleinen Schicht. Das Geldvermögen in der Bundesrepublik ist in den Jahren der »Finanzkrise« massiv angewachsen, hochkonzentriert. Dem öffentlichen Schuldenbestand, hierzulande rund zwei Billionen Euro, steht ein privater Nettovermögensbestand von etwa acht Billionen Euro gegenüber. Diese Relation erklärt sich nicht nur aus der Gewinnträchtigkeit der Geschäfte im Finanzmarkt, gerade auch in dessen turbulenten Zeiten, sondern auch aus der Steuerpolitik, die nach dem Grundsatz verfährt: Wer hat, dem soll nicht genommen werden, man kann ja die Massen von Habenichtsen besteuern. Dieses profitfreundliche System hat nur einen Haken: Zwar lassen sich in der Sphäre des Finanzmarktes, der Spekulation und der Spekulation auf die Spekulation riesige Gewinne machen, aber so ganz ohne Geschäfte in der Realökonomie läßt sich Kapital denn doch nicht verwerten. Also wird Massenkaufkraft benötigt. Am Exempel Griechenland: Die von den Euro-Kommissaren verordnete »Sparpolitik« drückt auf die Nachfrage nach Gütern; auch deutsche Produkte werden für einen immer größeren Teil der Bevölkerung unerschwinglich. Nun ist der griechische Markt klein – aber wie steht’s mit dem in größeren Euro-Ländern, schließlich mit dem in der Bundesrepublik selbst? Da werden, wenn man den Nebel verscheucht, ungeahnte Probleme sichtbar. Sogar eines für das gehätschelte private Kapital.
Erschienen in Ossietzky 20/2011 |
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