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Was sollten Schauspieler dagegen tun? »Jeden Tag verschwinden Menschen.« Wer protestiere, Widerstand leiste, riskiere sein eigenes Leben, das seiner Familie und der Freunde. »Wir wissen, daß die Juden in großer Gefahr sind …« Und er berichtete von den Gerüchten über die »Lager«. Froelich lud die junge Schauspielerin zu einer Sportveranstaltung ins Stadion ein. Hitler erschien. »Die Menschen hoben ihren Arm zum Hitlergruß.« Ingrid nicht so. Froelich nötigte sie, es ebenfalls zu tun. Sie widersetzte sich: »Weshalb? Sie machen das auch ohne mich ganz gut!« – Er: »Sie sind verrückt… Wir werden beobachtet …« – »Wer beobachtet uns? Sie schauen doch alle auf Hitler …« Der Regisseur drängte sie, fürchtete sich, er könnte ihretwegen »Schwierigkeiten« bekommen: »Hier werden keine Späße gemacht. Es ist alles bitter ernst.« Sie ließ sich nicht erweichen, blieb beharrlich: »Ich hob meinen Arm nicht …« Nach dem Krieg suchte sie ihren Kollegen Söhnker noch einmal in Berlin auf. Dort lebte er in Zehlendorf in der unzerstörten Garage seines durch Bomben vernichteten Hauses. Danach sandte sie ihm wie auch einigen anderen Mitspielern im Film von 1938 (Ursula Herking, Erich Ponto) Lebensmittelpakete. In Hollywood spielte sie die weibliche Hauptrolle in mehreren antifaschistischen Filmen, darunter in zwei der bekanntesten: »Casablanca« (1942) und »Wem die Stunde schlägt« (1943). Der gemeinsame Abwehrkampf der Staaten der Anti-Hitler-Koalition gegen die NS-Barbarei wirkte sich in der Filmindustrie aus. Als Ursache für den außerordentlichen Erfolg von »Casablanca« benennt sie in ihrer Autobiographie »My Story« (verfaßt zusammen mit Alan Burgess, 1980 veröffentlicht; deutsch: »Mein Leben«) unter anderem: »daß der Film direkt auf die Ereignisse des Zweiten Weltkrieges ansprach, auf die Millionen von Flüchtlingen, die verzweifelt versuchten, dem Hitler-Regime zu entkommen. Selten hatten Filmschauspieler damals die Möglichkeit, in ihrer Arbeit so direkt auf die aktuellen schrecklichen Geschehnisse in der Welt einzugehen wie bei diesem Film.« Ihr wurde alsbald bewußt, daß Hollywood nach vielen Seiten Konzessionen machte. Am Film nach Hemingways 1940 erschienenen Roman aus dem spanischen Bürgerkrieg »Wem die Stunde schlägt«, worin sie die Rolle der Partisanin Maria übernahm, kritisiert sie die tendenziösen Kürzungen des Stoffs: »Was im Film nicht klar genug herauskam, war die politische Situation, denn man war in Hollywood ängstlich darauf bedacht, alle Seiten zu jeder Zeit zufriedenzustellen. Also bezog man keine Stellung.« Georg Seeßlen formulierte denselben Sachverhalt krasser: »Konsequent war hier eine Entpolitisierung des Stoffes vorgenommen worden …«, sogar die Bezeichnung »Faschisten« aus dem Skript eliminiert. Hemingway selber, schreibt Ingrid Bergman, wußte »sehr genau, auf wessen Seite er stand«. Sie war überrascht, daß er ihr auf ihre Frage, ob er den Film bereits gesehen habe, antwortete: fünfmal. Seine Erklärung dafür: »Ich ging hinein, um ihn mir anzusehen, aber nach den ersten fünf Minuten war ich wieder draußen. Sie haben meine besten Szenen am Anfang weggelassen. Später ging ich wieder hinein, weil ich mir sagte, ich müsse schließlich den ganzen Film sehen, bevor ich urteilte. Ich sah wieder etwas und ging wieder hinaus, und so weiter. Es hat mich fünf schmerzvolle Besuche gekostet, bis ich schließlich den ganzen Film gesehen hatte. Jetzt wissen Sie, wie sehr mir der Film gefallen hat!« Nach dem Kriege fühlte sie sich vom neorealistischen Film der Italiener unwiderstehlich angezogen, der bedeutendsten Avantgarderichtung im damaligen Kino. Für die bürgerliche Öffentlichkeit in den USA bildete es einen Affront, als sie sich entschloß, künftig in Italien zu drehen, und als sie sich überdies mit einem der wichtigsten Protagonisten des Neorealismus, Roberto Rossellini, auch privat verband. Sie zitiert Rossellinis Verteidigung des Neorealismus: »Neorealismus ist keine oberflächliche Angelegenheit … Er sucht die feinsten Aspekte der Seele zu ergründen.« Von späteren Moderichtungen des Films und auf der Bühne distanzierte sie sich deutlich; zuwider war ihr besonders »der Trend zur Brutalität«. »Ich glaube, daß Sadismus und Perversion ein Teil des Lebens sind, aber ich hatte das Gefühl, daß diese Dinge jetzt benutzt wurden, um auf sich aufmerksam zu machen.« Der US-amerikanische Filmproduzent Howard Hughes (1905-1976) rühmte Ingrid Bergman als »eine der prachtvollsten und mutigsten Frauen unserer Generation«. Ihr ganzes Leben beweist es. Söhnker hob »die menschlichen Qualitäten dieser Frau« hervor, darunter ihre »selbstverständliche Hilfsbereitschaft«. Bei der Truppenbetreuung in der US-Army während des Kriegs bemühte sie sich mit einigen Kollegen, »unsere Aufmerksamkeit gerecht zu verteilen, uns nicht nur mit den Offizieren abzugeben«. »Die Soldaten waren überglücklich und sagten, wir seien die ersten, die sich zu ihnen und nicht zu den Offizieren gesetzt hätten.« Während dieser Zeit gab es »auch furchtbare Augenblicke«. Eine Show, an der Ingrid Bergman mitwirkte, fand in der Nähe eines befreiten Konzentrationslagers statt. Im Publikum saß General Eisenhower. Nachher lud er die Schauspieler zur Besichtigung des KZ ein. Sie schloß sich aus, denn sie wußte: »Mit diesem Grauen konfrontiert zu werden, hätte mich vollständig gelähmt. Ich hätte keine Kraft mehr gehabt, die Soldaten weiter zu unterhalten, überhaupt weiterzuarbeiten.« Ausdrücklich bekennt sie, es habe in ihrem Leben eine historische Persönlichkeit gegeben, die sie verehre: Johanna von Orleans oder Jeanne d’Arc (geb. um 1412, als Siebzehnjährige an der Spitze der französischen Armee siegreich, 1431 neunzehnjährig justizförmig ermordet). Bezeichnend: eine Freiheitskämpferin. Mit dieser identifizierte sie sich offensichtlich, der Heroismus der »Jungfrau« beflügelte sie. Sie hat stets darum gerungen, im Film, auf der Bühne, sogar auf der Musikbühne die Rolle der Johanna zu übernehmen. Sie spielte sie 1946 in einem Theaterstück von Maxwell Anderson, 1948 in der Filmversion des Dramas; 1953 in Arthur Honeggers Oratorium »Johanna auf dem Scheiterhaufen« auf der Opernbühne in Neapel, ein Jahr später in Rossellinis Verfilmung desselben Werks. Bei der Herstellung der Filmversion von Maxwells Stück kämpften der Regisseur Victor Fleming und die Schauspielerin mit dem Autor darum, »die wirkliche Johanna zu zeigen, wie sie sich aus Dokumenten und Prozeßakten ergibt …« Irritation bei weißen Rassisten erregte Ingrid Bergman mit einem antirassistischen Bekenntnis während der Präsentation des Johanna-Dramas in Washington. Nach der Ankunft dort erfuhr sie, daß es der schwarzen Bevölkerung nicht erlaubt sei, das Theater zu besuchen. »Da war ich also in die Hauptstadt der Vereinigten Staaten gekommen, mit einem Stück, das von Freiheit, Menschenrechten und Verantwortung sprach, nach einem Krieg, der um die Freiheit geführt worden war – und Menschen mit schwarzer Hautfarbe war das Betreten des Theaters verboten.« Sie erklärte Maxwell, wenn ihr dieser Umstand vorher bekannt gewesen wäre, sie hätte nie ihren Fuß nach Washington gesetzt. Aber weil sie an ihren Vertrag gebunden war, mußte sie zu ihrem Leidwesen noch einige Male am Ort auftreten, wollte sie nicht das Theater und den Autor ruinieren. Sehr schroff äußerte sie sich ebenfalls auf der Pressekonferenz. Als die Journalisten sie zum Schluß dennoch freundlich mit einem »Auf Wiedersehen, Miss Bergman«, verabschieden wollten, rief sie ihnen zu, es werde kein Wiedersehen geben. »Ich komme nie wieder nach Washington zurück.« Ihr Bekenntnis lautet: »Wir spielen für alle Menschen. Für alle.« Am nächsten Tag berichteten die US-Zeitungen darüber. Nicht ohne Folgen: »Vor dem Theater standen Leute herum, spuckten mich an und nannten mich ›Niggerliebchen‹.« Sie kommentiert das Geschehen: »Johanna von Orleans war achtzehn, als sie auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde. Was ist dagegen schon ein bißchen Spucke?« Ingrid Bergmans mutiges Bekenntnis zum Antirassismus sollte nicht vergessen werden.
Erschienen in Ossietzky 18/2011 |
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