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Die völkerrechtliche Anerkennung eines Staates durch andere Staaten besiegelt nicht ein Existenzrecht, sondern bekräftigt rechtsverbindlich die Akzeptanz eines Faktums, und Militärbündnisse werden nicht zur Wahrung des Existenzrechtes, sondern schlicht zur Sicherung der Existenz abgeschlossen. Israel ist der einzige Staat, zu dessen Existenzrecht man sich mehr als sechzig Jahre nach seiner Gründung ausdrücklich zu bekennen hat. Dafür gibt es verstehbare Gründe nach vielen Jahrhunderten antisemitischer Verfolgung und nach dem beispiellosen deutschen Massenmord an Europas Juden. Selbstverständlichkeiten aber wie das Existenzrecht eines völkerrechtlich anerkannten Staates verlieren ihre Selbstverständlichkeit, wenn sie Gegenstand der Bekenntnisrhetorik werden; wozu man sich eigens bekennen muß, wird eben dadurch als bezweifelbar gekennzeichnet. Zweifel gibt es nicht am Recht eines Staates Israel zu existieren, aber an den Zielen und Methoden seiner Expansionspolitik. Die Bekenntnisformel verschleiert Grund und Gegenstand des Zweifels und rückt jede konkrete Kritik in die Nähe des Vernichtungswillens. Und sie erschwert das Verständnis für Palästinenser, die sich gegen das völkerrechtswidrige Besatzungsregime Israels wehren und mit Israels Existenzrecht ein wirkliches Problem haben, weil die Anerkennung dieses Existenzrechtes ihr einziges Faustpfand für Verhandlungen ist. Der mit klarer demokratischer Legitimation gewählte, später von Mahmud Abbas rechtswidrig abgesetzte Hamas-Ministerpräsident Hanije hat wenige Monate nach seinem Amtsantritt in einem Interview zu erkennen gegeben, daß eine Anerkennung des Existenzrechts Israels für die Hamas durchaus möglich ist – freilich nicht als Voraussetzung, sondern als Ergebnis von Verhandlungen und nach genauer Klärung, was eigentlich damit anerkannt wird. Was für ein Israel ist denn gemeint? Dasjenige, das im Teilungsplan der UNO vorgesehen war? Dasjenige, das bis zum Sechs-Tage-Krieg von 1967 bestand und schon 78 Prozent Gesamtpalästinas umfaßte? Oder das heutige, das die Westbank besetzt hält, mit einem Netz von Städten für 400.000 jüdische Siedler die faktische Annexion schon weit getrieben hat und mit der Verweigerung eines Siedlungsbaustops den Willen bekundet, an der Expansionspolitik festzuhalten? Ist mit der Anerkennung des Existenzrechts auch die parallel zur Staatsgründung erfolgte Vertreibung von 700.000 Palästinensern und die systematische Zerstörung ihrer Dörfer sanktioniert, der Anspruch der Vertriebenen auf ein Rückkehrrecht also verwirkt? Und schließlich: Israel fordert ausdrücklich die Anerkennung als »jüdischer Staat« und gerät damit in einen unlösbaren Widerspruch zu seinem Anspruch, ein demokratischer Staat zu sein: Ein Staat, der sich religiös-ethnisch definiert, erklärt damit seine Bürger anderer religiöser und ethnischer Zugehörigkeit zu Staatsbürgern zweiter Klasse und minderen Rechtes. Das aber sind in Israel vor allem die Palästinenser. Hätte Israel nach dem Sechs-Tage-Krieg auf den Rat des Knesset-Abgeordneten Uri Avnery gehört, nach dem raschen und klaren Sieg die Versöhnungshand auszustrecken und einen Frieden auf der Basis der Vorkriegsgrenzen auszuhandeln, hätte von einem Existenzrecht Israels nie mehr die Rede sein müssen. Die Demonstration der Stärke hätte genügt, um alle nötigen Sicherheitsgarantien zu erhalten. Daß es anders kam, lag nicht an einem übersteigerten Sicherheitsbedürfnis nach den Erfahrungen des Holocaust. Schon 1948 hatte Ben Gurion die arabische Gefahr, die er für gering hielt, bewußt übertrieben, um Kampfeswillen zu wecken. Die Grundentscheidung, wie in dem zu gewinnenden Land mit der ansässigen palästinensischen Bevölkerung umzugehen sei, war in der zionistischen Bewegung schon gefallen, bevor Hitler an die Macht kam. Gegenüber den Anhängern einer Verhandlungslösung und des versöhnenden Ausgleichs hatten jene sich durchgesetzt, die auf militärische Stärke bauten und Eroberung und Vertreibung ins Auge faßten. Wenn heute die Partei Die Linke die Anerkennung des Existenzrechtes Israels in ihr Grundsatzprogramm schreibt, ohne zu sagen, was mit dieser Floskel gemeint ist und wo die Solidarität mit Israel enden muß, kuscht sie kopflos und rückgratlos vor einer infamen Medienkampagne, die jede ernsthafte Kritik an israelischer Politik als »antisemitisch« brandmarken will und damit besonders gern die ohnehin verhaßte Linke trifft.
Erschienen in Ossietzky 17/2011 |
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