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Für jährlich 39 Stunden Sendung wird er 10,5 Millionen Euro kassieren – die teuerste Polit-Talkshow, die das öffentlich-rechtliche Fernsehen je bot. Das bombastische Gehalt sei gerechtfertigt, meinten die WDR-Verwaltungsräte, »... vor allem vor dem Hintergrund des hohen Ansehens und Respekts, den Herr Jauch in der Öffentlichkeit genießt«. Um darauf zu antworten, brauche ich nur mich selbst zu zitieren: »Zum seriösen politischen Journalisten«, schrieb ich in Ossietzky 6/11, »qualifiziert ihn nichts. Aber die ARD will mit seinem sonntäglichen Talk-Spektakel ja nicht ihren Informationsauftrag erfüllen, sondern Unterhaltungsinteressen bedienen.«. Ich stehe mit meiner Kritik nicht allein. K. U. Spiegel schrieb in www.NachDenkSeiten.de: »Noch skandalöser [ist] das Engagement des Quizmasters Jauch als angeblicher ›Doyen des deutschen TV-Politikjournalismus‹ ins Prime-Programm der ARD – und dies bei weiterdauernder Top-Position des Moderators als Star-Quizer bei Bertelsmanns RTL. Und das bedeutet: Ein langfristig substanzzerstörendes Go-In des Bertelsmann-Konzerns übers ›Erste‹ in den Verbund der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten. In den Primetimes immer dümmer, immer primitiver, niedriger, erbärmlicher, niveauloser ... eine erschreckende Abkehr vom Sinn, Auftrag und Konzept des Fernsehens in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft.« Über »Sinn, Auftrag und Konzept« des grundgesetzlich verankerten öffentlich-rechtlichen Fernsehens lesen wir im Rundfunk-Staatsvertrag aller Bundesländer vom 31.8.1991 zum Beispiel, daß die Sender »das gesellschaftliche Meinungsspektrum möglichst umfassend und fair widerspiegeln« sollen. Vergleicht man das Statuarische mit der Programmwirklichkeit, so erkennt man allerdings eine, wie Albrecht Müller K. U. Spiegels Aufsatz einleitete, »ständige Verletzung des gesetzlichen Auftrags. Eine ungenierte Partnerschaft von öffentlich-rechtlichen Medien und den kommerziellen. Die Öffentlich-rechtlichen als Steigbügelhalter des Kommerzes ...« Die Selbstverstümmelung des Fernsehens vom Vermittler seriöser Information und Bildung zum kommerziellen Varieté zeigt sich freilich nicht nur in Personalien wie der Doppelrolle Jauchs. Besonders die Pflicht, das »gesellschaftliche Meinungsspektrum umfassend und fair widerzuspiegeln«, wird von ARD und ZDF gröblich mißachtet. Sichtbar wird das zum Beispiel an der parteipolitischen Zusammensetzung der Quasselrunden bei Will & Co. Das Leipziger Nachrichtenportal www.News.de brachte dazu aufschlußreiche Daten, ermittelt von Oktober 2010 bis Juni 2011. In diesen neun Monaten mit sagenhaften 163 Polit-Talk-Sendungen hatten demnach Maischberger, Will, Beckmann, Plasberg und Illner 861 Gäste, davon 220 führende Berufspolitiker: CDU/CSU, FDP und Grüne waren 157 mal vertreten, die SPD 42 mal, vorzugsweise mit Parteirechten wie Dohnanyi und Buschkowsky, die Linkspartei 21 mal. Organisationen wie die Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes/Bund der Antifaschisten, Jugend-Initiativen, Langzeitarbeitslose, marxistische Wissenschaftler, Atheisten, Pazifisten, Umweltschützer kamen selten oder nie zu Wort. Der Programmauftrag des öffentlichen Rundfunks verlangt: »Der Rundfunk (ist) als Medium und Faktor des Prozesses freier, individueller und öffentlicher Meinungsbildung der Allgemeinheit verpflichtet.« Doch kaum noch unterscheidbar vom Kommerzfernsehen hintertreiben auch ARD und ZDF den Informationsanspruch der Zuschauer. Die ARD hat im Juli den Showmaster Thomas Gottschalk (»Wetten daß ...?«) verpflichtet, vom nächsten Jahr an montags bis donnerstags die halbe Stunde vor der Tagesschau mit vermeintlich Prominenten aus dem Entertainment über das Zeitgeschehen zu plaudern. Fraglos metastasiert das in die anschließende Nachrichtensendung. Dort wird dann weiter vernebelt, irregeführt, unterschlagen. Knallchargen wie Henkel und Baring und gescheiterte Politiker wie Steinbrück werden aufgewertet, größere und weiterführende Zusammenhänge unkenntlich gemacht. Jahrmarktsverkäufer wie Gottschalk und Jauch sind Zentralfiguren einer ausgeklügelten Fehlführung der Zuschauer. Das Volk bekommt Gummibärchen statt Information.
Erschienen in Ossietzky 15/2011 |
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