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Heftig umkämpft war an der Straße von Monschau nach Düren nördlich des Dorfes Germeter ein kleines Gelände, das auf den Wanderkarten mit dem Namen »Wilde Sau« bezeichnet ist. Ein großes Gräberfeld erinnert daran. Südlich von Germeter legte der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge an der selben Bundesstraße einen weiteren Soldatenfriedhof an. Unter mehr als 1500 Steinplatten liegen je zwei deutsche Soldaten (die US Army bestattete ihre Toten nicht auf deutschem Boden). Auf den Platten liest man die Namen und Geburtsdaten von 17-, 18-, 19-jährigen oder oft nur die Worte »Unbekannter Soldat«. Auch 35 Menschen, die nach der Schlacht beim Bergen der Leichen im verminten Gelände tödlich verletzt wurden, erhielten hier ihre Gräber. Aus meiner Kindheit entsinne ich mich noch, daß der Hürtgenwald aus lauter verkohlten Baumstümpfen bestand und daß immer wieder Tiere von Minen zerfetzt wurden. Am Eingang dieser Gedenkstätte ist auf einer Metallplatte zu lesen: »Wer als Soldat im Dienste des Vaterlandes steht, betrachte sich als Diener der Sicherheit und Freiheit der Völker. Indem er diese Aufgabe recht erfüllt, trägt er wahrhaft zur Festigung des Friedens bei.« Kann man sich an diesem Ort einen zynischeren, lästerlicheren Spruch denken? Als sein Urheber ist der derzeitige Papst Benedikt XVI. angegeben. An dem selben Stein ist eine zweite, gleichartige Metallplatte mit folgendem Text angebracht: »Gedenke mit uns der Soldaten der Bundeswehr, die im Dienste für Frieden und Freiheit ihr Leben ließen. – Förderverein ›Windhunde mahnen zum Frieden‹ e.V. und die Angehörigen der ehemaligen 116. Panzerdivision.« Neben dem Soldatenfriedhof erstreckt sich ein ummauertes Gelände, gekennzeichnet als »Mahnmal der Windhund-Division«. Ein Schild mahnt mich: »Tritt ein mit Ehrfurcht vor dem Opfertod der Soldaten aller Nationen, die im Hürtgenwald starben.« Soll ich befriedigt zur Kenntnis nehmen, daß hier denjenigen Soldaten, die Deutschland und die von der Großdeutschen Wehrmacht besetzten Länder befreiten, immerhin zugebilligt wird, ebenso wie die Wehrmachtssoldaten den Opfertod erlitten zu haben? Was heißt denn hier Opfertod? Waren sie allesamt Opfer? Kein einziger Täter? Wofür opferten sich die deutschen Soldaten? Für den »Führer«, dem sie Gehorsam geschworen hatten? Oder für wen oder was? Für ihre eigene Heimat, die sie am Ende auch noch verwüsteten? Ein Weg führt an mehren überdachten Ausstellungstafeln vorbei. Ich erfahre, daß die Division vor ihrem letzten Einsatz im Hürtgenwald auch schon in Jugoslawien und der Sowjetunion gekämpft hatte – bis jenseits der Grenze zwischen Europa und Asien, wie mit deutlichem Stolz auf einer Tafel vermerkt ist. Im Lande der Kalmyken gefiel es dem Divisionskommandeur Graf von Schwerin, den dort angetroffenen zähen und schnellen Windhund zum Wappentier zu ernennen. Ich erhalte dazu die Erläuterung: Das Wappentier »sollte eine sinnvolle und für jeden Divisionsangehörigen unvergeßliche Erinnerung an die ruhmreiche Zeit in der Steppe vor Astrachan (...) sein und bleiben«. Aber war das Wirken der Division vielleicht doch nicht immer ruhmreich? Darauf deutet ein einzelner Satz in der Ausstellung hin: »Eine junge Generation wurde damals für eine Sache mißbraucht, die sie selbst nicht durchschaut hat.« Welche Sache das war, sagt die Ausstellung nicht, und keine Rede ist davon, daß die Division jemals irgend etwas Unrechtes getan hätte oder daß irgend jemand Opfer der deutschen Kriegsführung in Jugoslawien, in der Steppe von Astrachan und anderswo geworden wäre. Wieso die Großdeutsche Wehrmacht überhaupt dort einmarschierte, Tausende Kilometer von Deutschland entfernt, ist offenbar kein Problem, jedenfalls kein Thema der Geschichtsschreibung im wiederaufgeforsteten Hürtgenwald. Kein Angriffskrieg, kein Völkermord, kein einziges Verbrechen – gar nichts. Als Resümee übernimmt die Ausstellung einen Satz aus einem Erinnerungsbuch des 1. Generalstabsoffiziers der Division, Heinz Guderian, später Generalmajor der Bundeswehr: »Die Division hat ihren Ehrenschild jederzeit und in jeder Hinsicht rein erhalten.« So daß auch von dem Vorwurf, eine junge Generation sei damals mißbraucht worden (also doch wohl von den Generälen aus einer früheren Generation), gar nichts übrig bleibt. Im Gegenteil: »Graf von Schwerin und mit ihm die Division hat mehrfach gegen die ausdrücklichen Befehle Hitlers gehandelt.« Der Kommandeur und die ganze Truppe erhalten also auch noch Widerstandswürden. Mit Ehrfurcht soll ich die Bemerkung lesen, Schwerin habe zuletzt die Stadt Aachen gerettet, indem er die US Army habe bitten lassen, diese deutsche Stadt zu verschonen. Kein Wort über die zerstörten Städte an der langen Strecke des Eroberungsfeldzugs bis nach Asien und des Rückmarschs, für den die Devise galt, nichts zu hinterlassen als verbrannte Erde. Die ganze Verlogenheit der militaristischen Traditionsverbände, mit denen sich Tucholsky und Ossietzky in der Weimarer Republik auseinandergesetzt haben, wiederholt sich – mit massiver staatlicher Unterstützung. Deutsche Kontinuität, die weiterwirken soll. Das »Mahnmal« ist ein Propagandamal, das jungen Besuchern verheißt: »Tote Soldaten sind niemals allein. Denn immer werden treue Kameraden bei ihnen sein.« Und »Die soldatische Kameradschaft (...) ist die festeste und schönste Freundschaft unter Männern, die niemals vergehen wird.« Im Nachbarort Vossenack können sich Kinder, Jugendliche und Veteranen im Hürtgenwald-Museum an Gerätschaften begeistern, mit denen die Nazi-Wehrmacht gegen Ende des Krieges die US-amerikanischen Streitkräfte noch eine Zeitlang aufhielt und viele Tausende GIs tötete. Die Enkel, gründlich zugerichtet, werden weitermarschieren. Vermeintlich mit Gott, aber allemal mit dem Teufel, dem Papst. Wie viele Generationen noch?
Erschienen in Ossietzky 15/2011 |
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