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Wir begrüßen die Zehntausende, sogar Hunderttausende Bürger, vor allem junge Menschen, die sich auf den Plätzen aller großen Städte versammelt haben, um ihre Empörung über das »Memorandum« (Rahmenvereinbarung zwischen der griechischen Regierung, EU, IWF und EZB, im Mai 2010 unterzeichnet und dann regelmäßig erneuert) auszudrücken und den Rücktritt der Regierung der Schande und aller politisch Mitverantwortlichen zu fordern, die, statt dem öffentlichen Wohl zu dienen, Griechenland zerstören, plündern und versklaven. Anstatt ins Parlament gehören diese Leute alle ins Gefängnis. Wir begrüßen die ersten Generalversammlungen, die in den Zentren unserer Städte stattfinden, und die direkte Demokratie, nach der die neuartige Bewegung der Jugend strebt. Wir begrüßen die Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes, die begonnen haben, mit Demonstrationen, Streiks und Besetzungen einen Staat zu verteidigen, der nicht nach dem Konzept des IWF aufgelöst werden darf, sondern dringend verbessert, radikal reformiert werden muß. Durch ihre Proteste verteidigen die Beschäftigten der Hellenischen Postbank und anderer staatlicher Unternehmen das Erbe des griechischen Volkes, das die ausländischen Banken mit Hilfe ihrer Marionettenregierung in Athen zu plündern gedenken. Die beispielhafte Friedlichkeit dieser Demonstrationen hat gezeigt: Wenn Polizei und Provokateure keinen Befehl erhalten einzugreifen, fließt kein Blut. Wir appellieren an die griechische Polizei, nicht zu Instrumenten der dunklen Kräfte zu werden, die auf alle Fälle versuchen wollen, zu einem gewissen Moment die Jugendlichen und die Arbeiter blutig zu unterdrücken. Der Platz, der den Polizisten durch ihre Pflicht und ihr eigenes Interesse zugewiesen ist, ist der an der Seite des griechischen Volkes, der Proteste und der friedlichen Forderungen, an der Seite Griechenlands – aber nicht an der jener dunklen Kräfte, die der jetzigen Regierung ihre Politik diktieren. Wir wenden uns auch an die europäischen Völker. Unser Kampf ist nicht nur der Griechenlands, er hat ein freieres, unabhängigeres und demokratischeres Europa zum Ziel. Glauben Sie Ihren Regierungen nicht, wenn die behaupten, Ihr Geld diene dazu, Griechenland zu helfen. Glauben Sie nicht die groben und absurden Lügen längst kompromittierter Zeitungen, die Sie überzeugen wollen, das Problem komme von der angeblichen Faulheit der Griechen her. Nach den Daten des Europäischen Statistik-Instituts arbeiten die Griechen mehr als alle anderen Europäer! Die Arbeiter sind nicht verantwortlich für die Krise; der Finanzkapitalismus und die Politiker in seinem Boot sind es, die sie verursacht haben und ausnutzen. Ihre Programme zur »Rettung Griechenlands« helfen nur den ausländische Banken, und zwar gerade denjenigen Banken, die mittels ihnen ergebener Politiker und Regierungen das politische Modell durchgesetzt haben, das zur aktuellen Krise geführt hat. Unumgänglich ist eine radikale Umstrukturierung der Schulden, nicht nur in Griechenland, sondern in ganz Europa. Es ist undenkbar, daß Banken und Kapitaleigner, die die Verantwortung für die gegenwärtige Krise tragen, nicht einen Cent zahlen, um den Schaden, den sie angerichtet haben, gutzumachen. Es darf nicht sein, daß Banker der einzige sichere Beruf auf der Welt ist! Es gibt keine andere Lösung, als das aktuelle europäische Wirtschaftsmodell zu ersetzen, das entwickelt wurde, um Schulden zu erzeugen, und zu einer Politik der Ankurbelung der Nachfrage und der Entwicklung zurückzukehren, zu einem Protektionismus, der mit einer drastischen Kontrolle der Finanzen verbunden ist. Wenn die Staaten sich nicht auf den Märkten durchsetzen, so schlucken diese sie auf, zusammen mit der Demokratie und den Errungenschaften der europäischen Zivilisation. Die Demokratie wurde in Athen geboren, als Solon die Schulden der Armen gegenüber den Reichen stornierte. Man darf heute nicht zulassen, daß die Banken die europäische Demokratie zerstören, um riesige Summen herauszupressen, die sie selbst als Schulden generiert haben. Wie kann man vorschlagen, daß ein ehemaliger Mitarbeiter von Goldman Sachs die Europäische Zentralbank führen soll? Welche Art von Regierungen, welche Art von Politikern haben wir in Europa? Wir bitten Sie nicht, unseren Kampf aus Solidarität zu unterstützen, nicht, weil unser Land die Wiege von Platon und Aristoteles, Perikles und Protagoras, der Konzepte von Demokratie, Freiheit und Europa war. Wir bitten Sie nicht um eine besondere Behandlung, weil wir als Land in den 1940er Jahren eine der schlimmsten Katastrophen in Europa erlitten und dafür gekämpft haben, daß der Faschismus sich nicht auf dem Kontinent etablieren konnte. Wir bitten Sie, es in Ihrem eigenen Interesse zu tun. Wenn Sie heute die Opferung der griechischen, irischen, portugiesischen und spanischen Gesellschaft auf dem Altar der Schulden und der Banken zulassen, wird bald die Reihe an Ihnen sein. Sie werden nicht auf den Ruinen der europäischen Gesellschaften gedeihen. Unsrerseits sind wir spät dran, aber wir sind aufgewacht. Lassen Sie uns zusammen ein neues Europa bauen; ein demokratisches, wohlhabendes, friedliches, das seiner Geschichte, seiner Kämpfe und seines Geistes würdig ist. Widerstehen Sie dem Totalitarismus der Märkte, die drohen, Europa zu zerschlagen und in eine Drittwelt zu verwandeln, die die europäischen Nationen gegeneinander aufwiegeln und unsern Kontinent zerstören, indem sie die Rückkehr des Faschismus fördern.
Erschienen in Ossietzky 15/2011 |
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