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Leonhard wird zum Stotterer und kann sich erst in seinen Mannesjahren von den Zwängen befreien. Seine schulischen Leistungen sind schlecht. Lustlos absolviert er eine Schlosserlehre, versucht sich als Laborgehilfe, Fabrikarbeiter, Chauffeur. Dann will er Kunstmaler werden, verdient sich als Anstreicher 60 Mark und geht nach München. Er besucht eine private Malschule und stößt bald zur Bohème, trifft im Café Stefanie Exzentriker und Skurrile. Als seine erste Liebe zerbricht, zeichnet er wie besessen, schafft ein sechsteiliges Mappenwerk, verkauft ein einzelnes Blatt für unglaubliche 500 Mark – und legt den Zeichenstift für immer aus der Hand. Der Herbst 1910 sieht ihn in Berlin. Bald findet Leonhard Frank den Platz, der wie ein Brennglas die brodelnde Kulturszene der Weltstadt bündelt: das Café des Westens. Hier ist er oft zu Gast, hier trifft er Dichter, Schriftsteller, Künstler. Und eines Tages die Wienerin Lisa Erdelyi, die er vier Wochen später heiratet. Lisa ist krank, die beiden haben kein Geld. Sie leben auf Pump und hoffen auf bessere Zeiten. Eines Abends tritt Leonhard an Lisas Bett und verkündet: »Ich schreibe einen Roman.« Er will die Welt seiner Jugend schildern – sein wunderbares Würzburg, die Schulfreunde, den tyrannischen Lehrer. Sein Erstlingsroman »Die Räuberbande« ist eine Liebeserklärung an Würzburg, aber auch eine scharfsichtige Schilderung des Milieus der kleinen Leute, dem der Verfasser entstammte. Das Buch wird sofort vom Münchner Georg-Müller-Verlag angekauft. Es bringt ihm ein fürstliches Honorar und den Fontane-Preis ein. Als 1914 der Erste Weltkrieg beginnt, überschwemmt fieberhafte Kriegsbegeisterung das Deutsche Reich, unzählige Freiwillige eilen zu den Fahnen. Doch bald liest man von den Gefallenen und Verwundeten. Am 7. Mai 1915 versenkt ein deutsches U-Boot den britischen Dampfer »Lusitania« mit 1.198 Passagieren. Der sozialdemokratische Journalist Felix Stössinger preist dieses Verbrechen öffentlich als »die größte Heldentat der Menschheitsgeschichte«, Leonhard Frank schlägt ihm ins Gesicht. Ehe ihn der Haftbefehl ereilt, hat er sich in die Schweiz abgesetzt. Frank begreift, daß Kriege nicht geschehen, sondern gemacht werden, oft genug aus wirtschaftlichen Interessen, und daß die kleinen Leute dafür gnadenlos verheizt werden. Er schreibt eine Antikriegserzählung unter dem Titel »Der Vater« und faßt sie später mit weiteren pazifistischen Stücken in dem Buch »Der Mensch ist gut« zusammen, einer leidenschaftlichen Anklage gegen das Unrecht des Krieges. Es wird sofort in viele Sprachen übersetzt und erregt ungeheures Aufsehen. Als am 9. November 1918 in Deutschland die Revolution ausbricht, fahren Frank und Lisa sofort nach München. Dort etabliert sich die Räterepublik unter Ministerpräsident Kurt Eisner. Frank engagiert sich für die Sache der Roten und wird bei Kämpfen verwundet. Steckbrieflich gesucht, muß er München fluchtartig verlassen. Die Revolution wird blutig niedergeschlagen, schon vorher fällt Eisner einem Anschlag zum Opfer. In Berlin ermordet die Soldateska Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg. Frank geht mit seiner Frau nach Frankfurt, dann nach Berlin. Lisas Gesundheitszustand verschlechtert sich rapide. Ein Herzleiden, dann ein Schlaganfall. Lisa stirbt. Ihr Mann ist zerstört und kann nicht mehr arbeiten. Erst nach beinahe anderthalb Jahren findet er wieder Anschluß an die Welt. 1927 erscheint das Buch, das er für sein schönstes hält: »Das Ochsenfurter Männerquartett«. Die inzwischen erwachsenen Mitglieder der »Räuberbande« sind nach der Inflation mittellos und ohne Arbeit. Nun wollen sie als Männerquartett in Frack und weißer Weste vor den Bauern der Umgegend für Geld auftreten. Scharf zeichnet der Autor das Bild von Arbeitslosigkeit und Verelendung der Massen. 1928 heiratet Frank die reizvolle wie hochkomplizierte Elena Maquenne Penswehr. Wegen ihrer psychischen Probleme – literarisch verarbeitet in »Bruder und Schwester« (1929) – werden die beiden nicht glücklich miteinander, bleiben aber zusammen, nachdem 1929 der Sohn Andreas geboren ist. »Karl und Anna«, eine Heimkehrergeschichte, erscheint als Buch und dann als Bühnenstück, geadelt durch große Schauspieler wie Käthe Dorsch und Heinrich George. Frank wird zum Mitglied der Preußischen Akademie der Künste gewählt. Mittlerweile schreibt er auch Drehbücher für Filme, darunter der Antikriegsfilm »Niemandsland« von 1931, der wütende Proteste der Nazis hervorruft und alsbald verboten wird. Mit dem »Schwarzen Freitag« an der New Yorker Börse hat im Oktober 1929 die Weltwirtschaftskrise begonnen. Seit Marx und Engels weiß man: Die Krise ist kein Betriebsunfall, sondern symptomatisch für die kapitalistische Wirtschaft, die zyklisch von Krise zu Krise produziert und taumelt. Leonhard Frank verarbeitet, was er erlebt, in dem 1932 veröffentlichten Roman »Von drei Millionen drei«. Drei Millionen – das war eine frühe Arbeitslosenzahl, 1930/31 waren es bereits fünf Millionen. Drei von ihnen führt Frank in seinem Roman vor, läßt sie auf geraden und krummen Wegen versuchen, sich durchzuschlagen. Franks Analysen sind messerscharf: kapitalismuskritisch und bis heute von ungebrochener Aktualität. Die Republik von Weimar wankt, und die Nazis werden immer stärker. Schon feinden sie Leonhard Frank an. Als Adolf Hitler, der »Sumpfmensch«, wie Frank ihn nennt, am 30. Januar 1933 von Reichspräsident Hindenburg zum Reichskanzler ernannt wird, emigriert der Schriftsteller abermals in die Schweiz. In Deutschland entfesseln die Nazis den Terror gegen Andersdenkende. Bei den Bücherverbrennungen am 10. Mai 1933 sind auch Leonhard Franks Werke dabei. Die verhaßten Autoren werden aus Verlagen und Buchhandel verdrängt, viele aus der Preußischen Akademie der Künste ausgeschlossen, auch Frank. 1934 wird ihm die deutsche Staatsangehörigkeit aberkannt. In Scharen verläßt die Elite des deutschen Geistes ihre Heimat, man schätzt allein 500 Dichter und Schriftsteller, aber auch an die 4.000 Forscher und Hochschullehrer. Leonhard Frank lebt zunächst in Zürich, ab 1937 in Paris. Dort gibt es Zehntausende von Emigranten, sämtlich von der Polizei überwacht, und kaum hat im September 1939 Hitler den Krieg gegen Polen vom Zaun gebrochen, werden sie als »feindliche Ausländer« in Sammellager gesperrt. Frank kommt mit 2.000 Leidensgenossen in ein Lager in Audierne an der äußersten Spitze der Bretagne. Unmittelbar vor Eintreffen der deutschen Truppen gelingt ihm und drei anderen die Flucht. Zu Fuß und per Fahrrad schlagen sie sich bis in den unbesetzten Süden durch, erhalten aber keine französischen Ausreisepapiere. Einige Mutige, auch der 58jährige Frank, überwinden illegal die Grenze nach Spanien. In Lissabon bekommt er in seinen gefälschten tschechischen Paß ein Visum für die USA. Im Oktober 1940 trifft sein Schiff, die griechische »Nea Hella«, im New Yorker Hafen ein. Es bringt noch viele weitere Flüchtlinge in Sicherheit, unter ihnen Döblin, Werfel, Heinrich und Golo Mann. In den USA waren die Lebensbedingungen der Exilanten sehr unterschiedlich. Einige von ihnen konnten in Hollywood Drehbücher schreiben, so Frank, Brecht, Döblin, Torberg und Heinrich Mann. Die große Mehrheit der Emigranten mußte sich irgendwie durchschlagen, oft genug mit einfachen Diensten. Carl Zuckmayer verdiente seinen Lebensunterhalt mit harter Arbeit auf einer gepachteten Farm in Vermont. Auf größerem Fuß lebten Lion Feuchtwanger und Thomas Mann. In komfortablen Häusern in Pacific Palisades, einem Stadtteil von Los Angeles, scharten sie deutsche Exilanten um sich. Beschwerlich wurde den Deutschen der aufkommende Antikommunismus. Das FBI überwachte und verhörte alle, die »unamerikanischer Umtriebe« verdächtigt wurden. Vorgeladen wurde auch Bertolt Brecht. Unmittelbar nach seiner Vernehmung im Oktober 1947 verließ er die USA. Diejenigen, die blieben, wie etwa Feuchtwanger, standen stets unter Generalverdacht. Auch Leonhard Frank, seit 1945 in New York ansässig, fühlt sich nicht wohl in Amerika. Er wird später viel Kritisches über den »American way of life« und den zerstörerischen Kapitalismus schreiben. Aber das Land hat ein großes Geschenk für ihn: Er lernt die 25 Jahre jüngere jüdische Schauspielerin Charlott London kennen, die mit dem Preußischen Generalintendanten Leopold Jessner und seiner Schauspieltruppe auf einer Auslandstournee im Herbst 1933 den Nazis entronnen war. Sie läßt sich scheiden und geht mit Frank im Juni 1950 nach Deutschland zurück. Die beiden nehmen in München Wohnung und heiraten im Mai 1952. Zur Hochzeit widmet Frank seiner Frau den autobiographischen Roman »Links wo das Herz ist«. Schon 1949 hatte er in dem Roman »Die Jünger Jesu« leidenschaftlich mit Würzburgs brauner Vergangenheit abgerechnet, mit Bücherverbrennung und Judenverfolgung, die weitgehend ungesühnt geblieben waren. Schlimmer noch: Die hoch belasteten Akteure besetzten schon wieder Verwaltung und Justiz. Seine schonungslose Analyse dieses Skandals machte ihm in seiner Heimatstadt viele Feinde. Zwar verlieh ihm die Stadt Würzburg zum 70. Geburtstag die Silberne Stadtplakette, doch mußte er auch heftige und beleidigende Kontroversen um sein Bühnenstück »Karl und Anna« erleben. Der DDR hingegen war er als Pazifist, Sozialist und leidenschaftlicher Nazi-Gegner willkommen. Es gab Kontakte unter anderen mit seinem Freund aus Münchner Tagen, dem Dichter Johannes R. Becher, Präsident der Deutschen Akademie der Künste und seit 1954 Minister für Kultur der DDR. Auf Einladung des von Anna Seghers geleiteten Schriftstellerverbandes besuchten Frank und seine Frau Ost-Berlin. Nach Verstärkung der Kontakte verlegte der Aufbau-Verlag eine Reihe Frankscher Bücher. 1955 wurde dem Dichter vom Staatspräsidenten Wilhelm Pieck die höchste Auszeichnung der DDR verliehen, der Nationalpreis Erster Klasse für Kunst und Literatur. 1957 erhielt er die Ehrendoktorwürde der Ost-Berliner Humboldt-Universität; die Bundesrepublik ehrte ihn mit dem Großen Verdienstkreuz. Leonhard Frank besuchte mehrfach auch die UdSSR, wo seine Werke später ebenfalls verlegt wurden und wo man ihm 1960 die Tolstoi-Medaille verlieh. 1957 hatte Leonhard Frank noch das Buch »Michaels Rückkehr« vorgelegt. Ein zurückgekehrter Emigrant trifft auf eine Gesellschaft, die vom Krieg keine Lehren angenommen hat und in der wieder die alten Nazis und »die Herren des Ruhrgebiets« das Sagen haben. Frank litt zunehmend unter der Ablehnung in Westdeutschland und mochte schließlich, trotz vieler Projekte, nicht mehr arbeiten. Im Spätsommer 1961 suchte er wegen gesundheitlicher Beschwerden das Krankenhaus auf. Sein Zustand verschlechterte sich rasch. Am 18. August 1961 starb er an Herzversagen. Leonhard Frank war ein Menschenkenner und -freund, einer, der nie vergessen hat, daß er aus kleinsten Verhältnissen kam. Sein Herz schlug für die kleinen Leute, die schon immer die Lasten aller Kriege der Kanonen- und Zeitungskönige und ihrer politischen Komplizen tragen mußten. Die an Krieg und Faschismus profitierten, machten Pazifisten, Sozialisten und Antifaschisten den Platz in unserer Bundesrepublik streitig. Es ist an den Linken im Lande, den großen Leonhard Frank dem Vergessen zu entreißen.
Erschienen in Ossietzky 14/2011 |
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