Peer Steinbrück, auserwählt. – Die Bild-Dir-meine-Meinung-Medien hatten sich schon für Sie als den geeigneten Kanzlerkandidaten der SPD entschieden. Nun haben Sie Ihre Neigung zu erkennen gegeben, diesem Ruf zu folgen. Der Zeitpunkt werde kommen, wo Sie sich »mit zwei oder drei Führungspersönlichkeiten der Partei darüber zusammensetzen«. Wen Sie für dieses Gespräch neben Gabriel und Steinmeier eventuell mit heranziehen, werden Sie sicher der Öffentlichkeit rechtzeitig mitteilen. Unschlagbar sind Sie in Ihrer Finanz- und Wirtschaftskompetenz. Als Bundesminister unter Angela Merkel haben Sie den deutschen Markt für die spekulativen Fonds geöffnet, die deutschen Banken für krisenfest erklärt und dann, als Spekulation die Krise hervorrief, dafür gesorgt, daß die Banken keinen Schaden erlitten, sondern der Staat in die Bresche sprang. Besser hätte es Ihre damalige Vorgesetzte selbst auch nicht machen können.

Andrea Nahles, Sekretärin. – »Selbstausrufungen«, haben Sie zu der Erklärung des Parteigenossen Steinbrück angemerkt, seien »in einer modernen Partei wie der SPD aus der Mode gekommen«. Dieser Einwand ist nun behoben: Gerhard Schröder – seine Verpflichtungen außerhalb der Politik ließen ihm gerade mal knappe Zeit dafür – hat erklärt, Steinbrück sein »ein sehr guter Kandidat«. Ein besseres Prädikat gibt es nicht. Basta.

  Sachverständigenrat, mißverstanden. – »Wirtschaftsweise sagen Rente mit 69 voraus«, so gaben die Presseagenturen die Quintessenz Ihres neuen Gutachtens zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung wieder. Die Empfehlung, die Sie der Politik geben, betrifft aber das zukünftige Mindestalter für den Bezug einer Rente. Ob eine solche dann wirklich gezahlt wird oder gar ob jemand davon leben kann, das gehört nicht zu Ihrem Thema, da sind andere Experten zuständig. Auch haben Sie keine Prognose erstellt, wer das von Ihnen angestrebte spätere Eintrittsalter in den Rentnerstatus erreichen wird. Der Anteil derjenigen, die über noch mehr Jahre hin weder Arbeitseinkommen noch Rentenzahlung erhalten, wird sich Ihrem Plan zufolge drastisch erhöhen. Das wäre dann Ihr Beitrag zur Lösung des vielbeschworenen »demographischen Problems«. Wer arm ist, stirbt früher.

Erschienen in Ossietzky 11/2011