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Nach Einschätzung des Landesvorsitzenden der Christdemokraten, Frank Henkel, steht hinter der Organisation ein »Stasi-Verein«, eine Einschätzung, die von verdienstvollen DDR-Experten, dem Direktor der Stasi-Gedenkstätte in Berlin-Hohenschönhausen, Hubertus Knabe, und dem Chef der SED-Opferorganisation »Help«, Peter Alexander Hussock, geteilt wird. Letzterer betrachtet es in seinem bitteren Zorn als »Verhöhnung der Demokratie«, wenn die Vertreter dieses Vereins »öffentlich auftreten dürfen«. Zorn und Empörung der genannten und anderer Verteidiger unseres Rechtsstaates richten sich gegen die vor 20 Jahren, am 31. Mai 1991, gegründete Gesellschaft zum Schutz von Bürgerrecht und Menschenwürde (GBM). Wie zutreffend allein schon die Anschuldigung ist, die Gesellschaft sei ein »Stasi-Verein«, bewies ein Interview des ehemaligen Flottillenadmirals der Bundesmarine und Chefs des Militärischen Abschirmdienstes der Bundeswehr (MAD) und jetzigen GBM-Mitglieds Elmar Schmähling, der eingestand, daß von den rund 3.000 GBM-Mitgliedern etwa 20 Angehörige im DDR-Ministerium für Staatssicherheit (MfS) waren. Die Idee, die GBM angesichts seiner eigenen Mitgliedschaft »MAD-Verein« zu nennen, wies er allerdings zurück. Die Attacken richteten sich besonders gegen die Rentenberatungen, die die Gesellschaft in Bibliotheken und anderen Einrichtungen einiger Berliner Stadtbezirke seit vielen Jahren anbot, wodurch sich der erwähnte Direktor Knabe zu der Feststellung veranlaßt sah: »Die Verherrlicher der SED-Diktatur haben in öffentlichen Räumen nichts zu suchen.« Bei genauerem Hinsehen zeigte sich, daß der Sturm der Entrüstung einem vergleichsweise nichtigen Delikt galt, denn der GBM ist mehr anzulasten. Sie hat tatsächlich viel auf dem Kerbholz, Freveltaten, die ihre Gegner aus nachvollziehbaren Gründen in der Regel wegschweigen. Das Holz der GBM hat viele Kerben, denn ihr Sündenregister ist, auch wenn man sich auf eine kleine Auswahl beschränkt, lang. Anstatt das Glück der deutschen Wiedervereinigung, die Befreiung unserer ostdeutschen Landsleute von der SED-Diktatur und den Aufschwung Ost auf allen Gebieten zu würdigen, behauptet die Gesellschaft beharrlich, so auch in einem von ihrem Vorsitzenden Professor Wolfgang Richter unterzeichneten »Aufruf des Bundesvorstandes zum 20. Gründungstag der GBM«, die Würde der Ostdeutschen sei beschädigt worden, denn: »Eine umfassende Kolonialisierung hatte ihr Land erfaßt. Millionenfache Entlassungen und massenhafte Berufsverbote, rücksichtsloses Überstülpen von Bundesrecht, in dem es das Recht auf Arbeit nicht gibt, bedrückendes Rentenunrecht und Rentenstrafrecht verunsicherten die älteren Bürger und bedrohten ihren Lebensabend. Sozialraub und ausufernde Enteignungen von Volks- und Privateigentum, Zerstörung eines international hoch geschätzten Bildungswesens, der kulturellen Substanz der DDR, des Gesundheitswesens, eines erfolgreichen Sportlandes kommen hinzu.« Neben solchen zur Undankbarkeit aufstachelnden Behauptungen sind in das Kerbholz der GBM auch Taten eingeschnitten, die viele, nein alle aufrechten deutschen Demokraten und Patrioten empören müssen. Wiederholt hat sie sich erdreistet, sich mit Parallelberichten zu den Staatenreports der Bundesrepublik an den Menschenrechtsrat der UNO zu wenden und damit oftmals eine harsche Kritik von UNO-Organen am Einigungsprozeß zu erwirken. Viele Male gelang es ihr, sich als kompetenter Gutachter auszugeben, und sie erhielt dadurch die Möglichkeit, Stellungnahmen bei Rentenklagen vor dem Bundesverfassungsgericht abzugeben, in deren Folge der Bundestag die Rentengesetzgebung in Teilbereichen korrigieren mußte. Ab 1992 gab die Gesellschaft unter dem Generalthema »Unfrieden in Deutschland« sieben »Weißbücher« heraus, in denen, so lobten leider auch angesehene Sozial- und Wirtschaftswissenschaftler, die Entwicklung im Anschlußgebiet Ost angeblich detailliert und glänzend analysiert worden sei. Selbst auf dem Gebiet der Kunst verklärt sie die DDR, indem sie solchen Staatskünstlern wie Willi Sitte, Heidrun Hegewald und dem verstorbenen Walter Womacka in der ständigen Galerie in ihren Geschäftsräumen Zuflucht und Ausstellungswände bietet. Vehement uneinsichtig verhielt sich die GBM, als die vergrößerte Bundesrepublik ihre militärische Verantwortung auf dem Balkan wahrnahm. Mit maßloser Schärfe empörte sie sich über die Luftschläge der NATO gegen Jugoslawien zur Verhinderung einer humanitären Katastrophe im Kosovo und denunzierte sie als »völkerrechtswidrige Aggression«. Danach schreckte sie nicht davor zurück, die Initiative für ein sogenanntes Europäisches Tribunal gegen den NATO-Krieg gegen Jugoslawien zu ergreifen, in dessen Ergebnis die militärische Hilfsaktion der NATO gar als schweres Kriegsverbrechen bewertet wurde. Und damit nicht genug. Initiativreich beteiligte sie sich im Anschluß an das Tribunal an der Gründung und Arbeit des sogenannten Europäischen Friedensforums (efp) und ist Mitglied des Weltfriedensrates. dessen kommunistische Tendenz sich schon dran zeigt, daß er der NATO bei all ihren bewaffneten Friedensmissionen in den Rücken fällt Wenn auch unvollständig, so ist es doch ein beeindruckendes Sündenregister! Und obwohl ihre finanziellen Mittel gering und Spenden dringend erforderlich sind, zumal das Durchschnittsalter der Mitglieder steigt, denkt die Gesellschaft nicht daran, sich aufs Altenteil zurückzuziehen. Auch weiterhin gibt sie vor, ihrem Namen gerecht werden zu wollen und sich für den Schutz von Bürgerrecht und Menschenwürde einzusetzen. Folgerichtig trägt der Aufruf zum 20. Jubiläum die Überschrift: »Wir sind und wir bleiben da!« Das wird die Gegner der GBM nicht freuen, aber die solidarischen Freunde freuen sich darauf, daß die Gesellschaft auch in den kommenden Jahren den Herrschenden und besonders solchen Demokratiewächtern wie Knabe und Henkel weiterhin Ärger bereitet. Herzliche Gratulation.
Erschienen in Ossietzky 11/2011 |
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